zum Hauptinhalt
Untergründig. Mit Jobst, Konrad Endler und Mira Jones (v.l.).

© promo

Kultur: Lästern strengstens verboten

Am Freitag gibt es im „Kuze“ die Archiv-Lesebühne: Untergrunddichter kramen in ihren Mottenkisten

„Auf dem Schenken lastet der Fluch der Dankbarkeit und noch schlimmer, der des Wiederschenkens.“ Jobst kann einfach nicht verstehen, wie sich jemand über Geschenke freuen kann. Der Lesebühnen-Autor, der im richtigen Leben Ingolf Penderak heißt, schrieb ein ganzes Pamphlet wider der schweren Bürde des Schenkens. Es ist ein neuer Text. Gerade erst hat er den letzten Punkt gesetzt. Er ist kurzweilig und pointiert. Und etwas unbehauen. Den letzten Schliff kriegen die Texte beim Sprechen. Dafür sind sie geschrieben.

Auf der Bühne im Studentischen Kulturzentrum (Kuze) hat dieses „Schenken“ allerdings noch nichts zu suchen. Denn dort wird am morgigen Freitag zur Archiv-Lesung gebeten: zur Vorstellung alter Texte. Einmal im Vierteljahr kommen die Organisatoren und Mitstreiter Lesebühne des Nil-Klubs am Neuen Palais in die Innenstadt, um sich um Kuze der Nostalgie hinzugeben. Da geht es allein um Texte, die bereits in die Öffentlichkeit hinausgeschickt worden sind. Auf der Lesebühne im Nil-Klub, die einmal im Monat stattfindet, gibt es indes nur Neues, am besten gerade gedichtete Texte wie den übers Schenken.

Im Kuze, in der Veranstaltung „Culturama“, schauen Jobst und sein Mitstreiter Konrad Endler in ihre schon angestaubten Werke und kramen die schönsten heraus: schräge, skurrile oder einfach nur lustige. Jobst, der ehemalige Ingenieur und jetzige Autor der kurzen Form, hat bereits 170 vorzuweisen, Konrad Endler beachtliche 400. Der ist aber auch schon ein Dino in der Lesebühnenlandschaft und einigen sicher noch bekannt von den wöchentlichen „Papierpiloten“ im Waschhaus, die es seit 2007 nicht mehr gibt. Dafür engagiert sich Endler nun im Nil-Klub, gemeinsam mit Jobst aus Kirchmöser. Dieser Ortsteil Brandenburgs taucht immer wieder auf der Lesebühne auf, Jobst hat ihn bereits vielfach literarisch bedacht. Noch kann der Autor vom Texten nicht leben. Aber es gibt Hoffnung – schließlich haben es einige aus der Szene bis ganz nach oben geschafft: Horst Evers, Wladimir Kaminer zum Beispiel – die Stars unter den Lesebühnen-Schreibern. Oder Ahne mit seinen „Zwiegesprächen mit Gott“, der im Radio Eins inzwischen Kultfigur ist.

Jobst versucht es weiter im Nil-Klub oder jetzt als Gast im Kuze. Oberstes Gebot beim Schreiben: Lästern strengstens verboten – egal ob es um die lieben Mitmenschen oder die große Politik geht. „Lästern hat immer etwas mit Arroganz zu tun“, so Jobst. In ihren Texten geht es zumeist um das eigene Erleben und Verhalten oder um frei erfundene Figuren.

Als Gast kommt am Freitag noch Ivo Lotion dazu, der Liedparodien auf Schlager, Pop-Songs oder Hip-Hop vorträgt, auf Texte ohne Sinn: „dafür auf trashige Art und Weise, mit einem Humor, der um die Ecke kommt“, wie Jobst verspricht. Zwischen dem Kramen der Untergrunddichter in den Mottenkisten nach archaischem Lesestoff präsentiert Mira Jones alias Patricia Vester zudem Musik scheibenweise. Alle Besucher, die trotz Hitze hoffentlich zahlreich ins Kuze kommen, können sich mit Zeichenstift in der losen Blättersammlung des Gästebuches porträtieren oder karikieren und sich dann als Konterfei an eine Leine baumeln. Zudem gibt es einen Kettentext, an dem alle Besucher mitschreiben dürfen. Der erste Autor beginnt mit zwei Sätzen, die anderen hängen weitere dran – bis am Ende die Geschichte steht. Auf der Lesebühne geht es zuallerst um gute Unterhaltung und nicht um tiefschürfende Gedanken oder große Literatur.

„,Er hat’s doch nur gut gemeint’, wird jeder Mist der Kritik entzogen und tolerante Duldung angemahnt“, schreibt Jobst in seinem Essay übers Schenken. So soll es mit den Lesebühnen-Texten indes nicht sein. Kritik ist durchaus erlaubt. Heidi Jäger

Vorleseshow im Kuze, Hermann-Elflein-Straße 10, 26. Juli, 20 Uhr, Eintritt frei

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false