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Eine besondere Familie. Das Filmteam von „Tage die bleiben“ im Thalia.

©  M. Thomas

Kultur: Lachen über den Tod

Locker-leichtes Filmgespräch im Thalia

Wir verdrängen ihn so gut wir können: den Tod. Und auch über Verlust und Trauer können die meisten nicht sprechen. Die Regisseurin Pia Strietmann, 33 Jahre jung, wollte in ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm etwas Persönliches erzählen. Das sagte sie am Sonntagabend beim Filmgespräch im Thalia-Kino. Sie hat am Drehbuch für „Tage die bleiben“ mehr als fünf Jahre gearbeitet und brauchte auch immer wieder Zeit, um Abstand zu gewinnen. Inspiriert dazu wurde sie vom Tod ihres Vaters, der starb, als sie Mitte 20 war.

Pia Strietmann machte die Erfahrung, dass dieses Thema trotz der Schmerzen, die damit verbunden sind, auch Seiten hat, über die man lachen kann. Die hat sie jetzt versucht auszuloten. Ihr Drehbuch war so überzeugend, dass sie Schauspieler wie Götz Schubert, Max Riemelt und Tessa Mittelstaedt gewinnen konnte, in ihrem Spielfilmerstling zu spielen. Diese Darsteller und Filmtochter Mathilde Bundschuh sowie Michael Kranz als Bestattungsunternehmer waren auch ins Thalia-Kino gekommen und plauderten nach der Voraufführung gut gelaunt und locker im nahezu vollbesetzten Kinosaal.

„Tage die bleiben“ erzählt die Geschichte einer zerrütteten Familie. Die Eltern (Lena Stolze und Götz Schubert) haben sich auseinandergelebt und längst mit Liebhabern getröstet. Der erwachsene Sohn (Max Riemelt) lebt als drittklassiger Schauspieler in Berlin und vermeidet jeden Kontakt zu ihnen. Die pubertierende Elaine (Mathilde Bundschuh) schwankt zwischen Trotz und Anlehnungsbedürfnis. Das würde so weitergehen, doch dann kommt ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben. Jetzt passiert, was lange vermieden worden ist. Die Familienmitglieder treffen aufeinander, um das Begräbnis zu organisieren.

Selbst wenn ihr Verhältnis harmonischer wäre, würde so eine Situation eine Menge Fragen und Probleme aufwerfen. Wie geht man um mit Trauer und Verlust? Wie fühlt es sich an, wenn man wütend ist oder sich schuldig fühlt? Bei dieser Familie steht jeder allein da und entwickelt ganz unterschiedliche Strategien, um seinen Schmerz erst mal zu betäuben. Der Vater stürzt sich in die Arme seiner Geliebten, der Sohn in Aktionismus und die Tochter in Wut und Trotz. Aber es müssen gemeinsam Entscheidungen getroffen werden. Und schon die über den Sarg für die Mutter löst neue Konflikte aus.

Denn die Tochter plädiert für ein knallrotes ufoartiges Gebilde, was im tiefschwarzen Münster, wo die Filmhandlung angesiedelt ist, immer noch ein Affront ist. Und hier trifft der Film noch einen Nerv unserer Zeit. Zwar hat die Kirche genügend Rituale, um jemanden würdig unter die Erde zu bringen, aber viele Menschen suchen inzwischen nach eigenen Wegen, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Und da sind „Erdmöbel aus massivem Eichenholz mit hellem Finish“ und steif-salbadernde Geistliche nicht das Richtige. Schön hingegen der dortige Brauch, die Nachbarn zu bitten, sich als Sargträger zur Verfügung zu stellen. Und auch in diesen kurzen Begegnungen, Tochter Elaine geht von Tür zu Tür, zeigte sich pointiert, wie hilflos die meisten von uns im Angesicht des Todes sind.

Für die Mitglieder der Filmfamilie – die Schauspieler lobten im Gespräch, wie gut sie von Pia Strietmann bei den Dreharbeiten geführt und auch aufgefangen wurden – geht das Leben weiter. Sie finden jeder einen Weg, ihre Traurigkeit zu fühlen und auch auszudrücken. Das lässt sie wachsen und bringt sie wieder zusammen.

Pia Strietmann ist es gelungen, mit großer Feinfühligkeit und jeder Menge Situationskomik die Themen Verlust und Trauer dem Kinopublikum nahezubringen. Das wurde auch im Potsdamer Publikumsgespräch mit Dankbarkeit quittiert. Eine Zuschauerin, die beruflich mit der Thematik konfrontiert ist, sagte, dass es wichtig sei, Trauer freizusetzen und zwar egal, wodurch. Sie bedankte sich für die hervorragende schauspielerische Ensembleleistung. Ein anderer sagte schlicht: Sie haben mich sehr berührt, danke! Astrid Priebs-Tröger

„Tage die bleiben“ ist im Thalia Filmtheater in der Rudolf-Breitscheid-Straße 50 zu sehen

Astrid Priebs-Tröger

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