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Kurt Krömer in Potsdam: Geschmäht, beschimpft, belacht

Ein Punk im Körper eines Sparkassen-Angestellten: Kurt Krömer trat gleich zwei Mal hintereinander im Nikolaisaal auf und polterte über alles.

Potsdam - Klar, die Jacke spannt etwas, Kurt Krömer hat zugelegt, auch das Haar ist lichter geworden. So ist es mit dem Alter – und Krömer selbst stellt am Donnerstagabend im Nikolaisaal genau diese Reife ins Zentrum. Zwei Tage hintereinander trat er in Potsdam auf, beide Male war der Saal ausverkauft. Krömers Melange aus cholerischen Schimpftiraden und Publikumsbeschimpfungen zieht immer noch. Und ja: Es ist immer noch verdammt witzig, was er unter dem aktuellen Titel „Stresssituation“ rausposaunte.

„Ich wusste gar nicht, dass mich meine Tournee auch durch Altersheime führt“, blaffte er gleich zur Begrüßung in sein als ganz besonders hässlich geschmähtes Publikum. Das kicherte, auch wenn sich die ersten Reihen abduckten, um nicht zur Zielscheibe des Spottes zu werden. „Ich komm gleich mal runter!“, die krömersche Drohung. Bis er so richtig in Fahrt kommt, dauert es jedoch diesmal – dann setzt doch das typische Potpourri aus Beschimpfungen, brülligem Fäkalhumor, abschätzigem Genörgel und cholerischem Geranze ein. „Eigentlich bin ich Punk“, behauptet Krömer. „Nur im falschen Körper geboren: im Körper eines Sparkassen-Angestellten.“

„Und früher lief wenigstens noch Tutti Frutti!“

Ein seltsamer Sparkassen-Angestellter, fürwahr: mit türkisen Glanzgaloschen, Karo-Tweedsakko und Krawatte in der Farbe vertrockneten Senfes. Dieser Retrochic ist natürlich eine beabsichtigte Komposition mit dem Inhalt der Satireshow: Krömers Retrospektive blickt auf im Auto quarzende Eltern, die Couchtische mit kackbraunen Fliesen ihr Eigen nannten. Früher war ja sowieso alles besser: ohne Navi, dafür mit Contergan im Badschrank. Da wurde die Wasserqualität beim Reinpinkeln noch gesteigert. „Und früher lief wenigstens noch Tutti Frutti!“ Heute dagegen habe er Mutti ins billigste Altersheim Deutschlands abgeschoben.

Apropos Altersheim: Dort habe man den Gauland ja zu spät sediert, weshalb er jetzt sein Unwesen treiben dürfe. Den künstlerisch korrekten AfD-Diss lässt sich Krömer nicht nehmen, Gauland als Lord Voldemort. „Ich habe ja immer noch die Hoffnung, dass sich Gauland eines Tages die Maske vom Kopf reißt – und es war Hape Kerkeling.“ Aber Krömer schafft es auch, sich ganz unpolitisch das Gebiss rauszupolken, „Schni-Schna-Schnappi“ singend – und mit Corega-Tabs im Wasserglas zu versenken. So viel zum Tiefgang.

Improvisiert oder kalkuliert?

Den braucht ein Choleriker wie Krömer auch gar nicht, bei dem man sich die ganze Zeit fragt, ob das ganze Gezeter eigentlich improvisiert ist oder tatsächlich knallhart kalkuliert. Und irgendwann bricht es aus ihm heraus, da kann er sich noch so zusammenreißen: Dann fängt er an zu lachen, als sei er sich urplötzlich seines eigenen Blödsinns bewusst geworden. Es ist genau dieser Moment, der so wohltuend ist; holt er doch aus der Berliner Schnauze etwas zutiefst Menschliches heraus. Vielleicht sind wir alle ja ein bisschen Krömer. 

Oliver Dietrich

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