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Susanne Piotters Skulptur "Artefakt No. 31", zu sehen in "Three Point Turn" im KunstHaus Potsdam.

© Rick Schubert

Kurswechsel im KunstHaus Potsdam: Neue Blicke auf Beton

Der Kunstverein KunstHaus ist der größte Brandenburgs. Mit Rahel Schrohe gönnt er sich erstmals eine vom Vorsitz separate künstlerische Leitung.

Die Dreipunktwendung ist in der Verkehrslehre das, wovor Prüflinge sich fürchten. Eine korrekte Wendung in drei Zügen, keiner mehr. Bekannter ist die englische Bezeichnung, Three Point Turn. Die Künstlerin Pauline Kraneis hat sie zum Titel für die erste Ausstellung auserkoren, die am morgigen Sonntag im KunstHaus Potsdam eröffnen wird. Eine Totalwende, das ist hier die Ansage.

Was den Titel noch grundsätzlicher erscheinen lässt: Der Kunstverein KunstHaus, der größte im Land Brandenburg, eröffnet damit nicht einfach eine weitere Ausstellung, sondern die erste unter neuer Leitung. Seit Juni heißt der neue Vorsitzende Martin Gorholt. Bis 2019 war der SPD-Politiker Chef der Staatskanzlei Brandenburg – und bis zu seiner Wahl als Vorsitzender nicht einmal Mitglied im Kunstverein. Den Posten trug man ihm als langjährigem Kenner und Begleiter der Szene dennoch an, gewählt wurde er ohne Gegenstimmen. 

Vorbereitungen an der Wandarbeit von Pauline Kraneis für die Ausstellung „Three Point Turn“ im KunstHaus.
Vorbereitungen an der Wandarbeit von Pauline Kraneis für die Ausstellung „Three Point Turn“ im KunstHaus.

© Ottmar Winter

Die noch größere Neuerung aber: Der Verein leistet sich nun auch erstmals eine separate künstlerische Leitung. Die Kunstwissenschaftlerin Rahel Schrohe, Jahrgang 1988, wurde für die Stelle gewonnen. Parallel zu ihrer Teilzeitstelle promoviert sie über die vergessene Berliner Künstlerin Dora Hitz. Gorholt und Schrohe teilen sich nun die Arbeit, die zuvor sechs Jahre lang in den Händen der Ehrenamtlerin ^^ gelegen hatte. Schrohe und Gorholt loben beide die Arbeit der Vorgängerin, vor allem deren Durchhaltevermögen in der Zeit des Lockdowns: Immer wieder ging Möckel Ausstellungsversuche an, zeigte schließlich eine Schau ausschließlich digital. Möckel will sich nun wieder anderen Dingen widmen können – und der Kunstverein KunstHaus, derzeit 315 Mitglieder, will weiter wachsen. Will jünger werden, präsenter, vernetzter. Auch wissenschaftlich fundierter.

Der Ausstellungstitel bezieht sich auf einen Kurswechsel im urbanen Lebensraum

Gegründet wurde der Kunstverein im Jahr 2002, seinen Sitz hat er im ehemaligen Pferdelazarett der Garde-Ulanen-Kaserne. Die Künstler Frank Michael Zeidler und Hubertus von der Goltz, bekannt für seine über Abgründen wandelnden Metallskulpturen, hatten die zerfallenen Gebäude im Jahr 2000 gekauft und sie zu einem Ort der Kunst umgebaut. Von der Goltz hat noch immer sein Atelier nebenan, das Porträt seines Vaters steht im Hof.

Nun also eine 180-Grad-Wende – auch für den Verein? Nein, nein, sagen Rahel Schrohe und Martin Gorholt. „Three Point Turn“, das beziehe ziehe sich viel grundsätzlicher auf einen Kurswechsel im urbanen Lebensraum. Verkehrswende und Nachhaltigkeit, eine zukunftsfähige Art der Urbanität, das sind die Themen der drei Künstlerinnen, deren Arbeiten hier zu sehen sind. Neben Pauline Kraneis sind das Ines Doleschal und Susanne Piotter. Die Formen, derer sie sich bedienen, sind sehr unterschiedlich, die Faszination für ein bestimmtes Material haben sie jedoch gemeinsam: Beton.

Piotter macht aus den bedrückenden Gebäuden des Brutalismus kleinformatige Skulpturen und verändert so den Blick darauf. Doleschal bannt Elemente brutalistischer Architektur auf Bilder, in die man fast hineinkriechen möchte. Und Pauline Kraneis hat die Startbahnen des Flughafens Tegel von oben fotografiert – und Elemente daraus in eine großformatige Wandarbeit im KunstHaus verwandelt. Abstrakte, dynamische Formen, die in ihrer Leichtigkeit an Kandinsky erinnern.

Schrohe will Körperlichkeit auf neue Weise erlebbar machen

Was Rahel Schrohe daran gefällt, ist der neue Blick auf bekannte Materialien und Orte – „das packt einen ganz körperlich“, sagt sie über Kraneis’ Arbeit. Überhaupt hat sie vor, Körperlichkeit auf neue Weise im KunstHaus erlebbar zu machen. Das kommende Jahr soll der Frage gewidmet werden, wie Figuren sich zu ihrem Grund verhalten. „Kein Motto, sondern eher eine künstlerische Methode“, sagt sie. Drei Einzelausstellungen sind geplant, gerahmt von zwei Sammelausstellungen. Dass ein ganzes Jahr thematisch so zusammengebunden wird, ist neu. Eine Zusammenarbeit mit der fabrik ist in Planung, um die bildende Kunst durch Performatives zu ergänzen. Überhaupt, sagt Schrohe, ist die Vernetzung mit anderen Orten in Potsdam ein wichtiges Ziel. Zwei Hilfskräfte sollen Schrohe in den Sozialen Netzwerken zur Seite stehen, um dort präsenter zu werden. Und eine Publikation zum Thema „Figur und Grund“ wäre schön, die akademische Aufarbeitung dessen, was am KunstHaus passiert. 

Keine Angst, zu abstrakt, zu akademisch zu werden? „Es geht einfach darum, das Angebot zu erweitern“, sagt Rahel Schrohe. Die Kunst spreche ja immer auch für sich selbst. Und Gorholt sagt: „Wir werden schon wissenschaftlicher werden. Aber ich bin immer auch für die Anschlussfähigkeit an die Bevölkerung. Dafür bin dann ich da.“ 

„Three Point Turn“, Eröffnung am Sonntag (12.9.) um 17 Uhr im KunstHaus, Ulanenweg 9

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