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Kunstverein Kunsthaus in Potsdam: Recherchen im Unterbewussten

Der Kunstverein Kunsthaus zeigt zwei israelische Künstler, die mit ihren Werken unter die Oberfläche gehen. Auch die von Berlin.

Potsdam - Eine der Skulpturen im Kunstverein Kunsthaus Potsdam erinnert an das abgebrannte Skelett eines Gebäudes. „The Beginning 2015“ (Der Anfang) steht als Titel auf der Liste, die zu den Werken von Jehoshua Rozenman ausliegt. Rozenman arbeitet in Berlin und Amsterdam, häufig auch in seiner Heimat Israel. Für die meisten seiner in der „Potsdam, Amsterdam, Tel Aviv“ betitelten Schau gezeigten Werke habe er in Berlin und dessen Geschichte recherchiert, so Rozenman.

Trotz des Titels denkt man bei der Skulptur eher an ein Ende als an einen Anfang. Nicht von ungefähr liegt auch die Assoziation an das Reichstagsgebäude in Berlin nahe. „Sicher, die Form hatte ich im Kopf, als ich angefangen habe, das Modell für den Abguss zu bauen“, sagt der Künstler. Nie wolle er ein Abbild eines real existierenden Gebäudes oder Gegenstandes fertigen. Aber sicherlich spielten die Eindrücke, die er bei Wanderungen durch Berlin erhält, in die Konzeption seiner Werke hinein. Das Atelier von Rozenman befindet sich im Prenzlauer Berg. In Amsterdam teilt er sich ein Studio mit dem Potsdamer Künstler Stefan Pietryga. Dieser war es, der Rozenman nach Potsdam einlud.

Der 1955 geborene Rozenman studierte zunächst an der National Academy of Arts in Amsterdam Malerei und schloss sein Studium 1984 ab. Zur Bildhauerei kam er vor 15 Jahren durch einen Zufall. Freunde schenkten ihm zum Geburtstag einen Kurs, mit dem er die Glasbläserei kennenlernte. „Das gefiel mir überhaupt nicht.“ Die recht umständliche, anstrengende Glasbläserei, der mühevolle Herstellungsprozess und auch die Haptik des entstehenden Glases, all das habe ihn nicht so recht begeistert. Dann aber habe er eine Skulptur geformt und diese in Glas gegossen. „Das war es, da war ich sofort begeistert und wusste: das ist mein Material“, so der Künstler.

Das Glas habe sich nicht so richtig aus der Form gelöst, Teile der Gussform hätten an der gegossenen Skulptur gehaftet, alles wirkte brüchig, sah überhaupt nicht nach Glas aus. Die ausgestellten Skulpturen im Kunstverein wirken ebenso beschädigt. Als seien Ecken bei der Ablösung aus der Form abgebrochen, Teile des Werkes unfertig oder zerstört aus dem Brennprozess hervorgegangen.

„Das ist wie eine archäologische Spurensuche“, sagt Rozenman. „Natürlich sehe ich die problematische Geschichte Berlins, wenn ich an den historischen Bauten vorbeifahre. Aber es gibt auch eine positive Utopie dort“, sagt Rozenman. So liege der Gedanke an den abgebrannten Reichstag recht nahe, an das zerstörte Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg, an all die zerstörerischen Großmachtpläne, die zwischen Voßstraße und Reichstag geschmiedet wurden. Gebäudestrukturen, Gerippe, Ruinenpartikel meint der Betrachter in den Glasskulpturen zu erkennen. Hergestellt werden sie in einem aufwändigen Brennprozess, der bis zu drei Monaten dauern kann. Nichts ist dabei dem Zufall überlassen, die vorgefertigte Form genau konstruiert, jede Platte und Schichtung des Späteren genau geplant.

Durch seine spezielle Art des Umgangs mit dem Glas verkehrt Rozenman die Materialqualität des Ausgangsstoffes in sein Gegenteil. Während Glas herkömmlich funkelt, glatt, durchscheinend und luzide ist, wird es bei Rozenman zu einem undurchdringlichen, hermetischen Block, der dem Betrachter sein abweisendes Äußeres entgegenhält. Das Wissen um die Misshandlung des Ausgangsmaterials schwingt bei der Betrachtung mit und verleiht dem Werk eine Dimension der Zerstörtheit und Verletzlichkeit. Diese führt weg von der Oberfläche und hin zu darunter liegenden Schichten des Wissens – um die problematische Historie des Rechercheobjekts Berlin und die stets virulente Tragik verbrecherischer Ideologie.

Auch die zweite Künstlerin der Ausstellung, Ruthi Helbitz Cohen, arbeitet in Holland, Deutschland und Israel. Auch in ihren Werken schwingt Untergründiges mit. 1969 in Israel geboren, studierte Helbitz bildende Kunst und Psychologie in Haifa. In ihren großformatigen Bildwerken kombiniert sie allerlei Materialien und experimentiert mit für eine Malerin eher ungewöhnlichen Ausgangsmaterialien wie Weichspüler, Backpapier, Tüll und Verpackungsklebeband. „Verwandlung weiblicher Archetypen, Geburt, Gewalt und Tod sind die großen Themen von Ruthi Helbitz Cohen“, formuliert der Ausstellungstext.

Figuren auf Papier, mit rot verlaufender Farbe gemalt, erinnern an Gebärende. Eine schwarze Lilie, emporsprießend zwischen den Beinen einer auf dem Boden liegenden Frau, scheint Unheil zu signalisieren. Ebenso wie bei Rozenman ist auch bei Cohen eher das Unaussprechliche, das unnennbar Mitschwingende, das Tragische das Thema der Arbeiten. Dennoch stellt Rozenman fest: „Berlin ist ungeheuer inspirierend für mich. Ich habe eine große Freude daran, hier zu arbeiten.“ Das gelte auch für Potsdam. Auch hier erhalte er Anregungen für Werke und Formen. 

„Potsdam, Amsterdam, Tel Aviv“, bis 22. April im Kunsthaus, Ulanenweg 9

Richard Rabensaat

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