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Überall Fontane. Ein Konterfei des Hallenser Künstlers Moritz Götze.

© Manfred Thomas

Kunstausstellung zu Fontane im Landtag: Alle Menschen sind Wetterfahnen

„fontane.200“, ahoi: Eine vielseitige Vorschau im Brandenburger Landtag umkreist Theodor Fontane künstlerisch. Gezeigt werden 23 Künstler, 150 Werke und unterschiedlichste Positionen: von Bernhard Heisig über Moritz Götze bis Schirin Kretschmann.

Eine „Sneak Preview“, das hat etwas Verhuschtes, Improvisiertes. Schnell auf die Beine gestellt, schnell vorüber. Was eine „Sneak Preview“ dem Vernehmen nach bislang eher nicht war: eine von langer Hand geplante Ausstellung auf drei Etagen, die 23 Künstler und 150 Werke vereint. Ein Großereignis, das sich – in dieser Form – auch nicht wiederholen wird.

Wenn sich die Ausstellung, die das Kulturland Brandenburg in Vorbereitung auf den 200. Geburtstag Theodor Fontanes 2019 jetzt im Landtag zeigt, als Sneak Preview, als „Werkschau zu fontane.200“ beschreibt, ist das leicht untertrieben. Denn hier wurde zusammengetragen, was im Rahmen des Themenjahres „fontane.200“ unter der Ägide des Kulturlandes Brandenburg zu sehen sein wird – allerdings verstreut im ganz Land, in Neuruppin, Cottbus, Frankfurt (Oder). Wer an einem Ort sehen will, was an zeitgenössischer Kunst zu dem Thema zu sehen ist, der muss das hier und jetzt tun, bis zum 28. Dezember im Potsdamer Landtag.

Das Gros der Werke entstand extra für diese Schau

„In Anschauungen bin ich tolerant, aber Kunst ist Kunst“ heißt die Schau, die dort verschiedenste künstlerische Positionen zu Fontane versammelt, genauer zu seinem Spätwerk „Stechlin“. „Der Roman war Pflichtlektüre“, sagt Lothar Seruset, der selbst Künstler ist und die Ausstellung gemeinsam mit der Brandenburger Künstlerin Ulrike Hogrebe kuratiert hat. Ganz ernst ist das nicht gemeint, einige der Werke sind vor dem Ausstellungskonzept entstanden – aber das Gros der ausgestellten Gemälde, Zeichnungen und Plastiken ist für diese Schau entstanden. Nach der Lektüre des „Stechlin“.

Wer jetzt an beschauliche Landschaftsmalerei denkt, an steife Krägen und weite Röcke, der irrt. „Schöne Landschaften und Wände mit Fontane-Zitaten wird es nächstes Jahr genug geben“, sagt Brigitte Faber-Schmidt, die Geschäftsführerin von Kulturland Brandenburg. „Wir wollten Fontane neu lesen, neu entdecken.“ Sein Werk auch kritisch hinterfragen, neue Aspekte im scheinbar Bekanntem auftun, ergänzt Kurator Lothar Seruset später. Dem Graubart den Staub aus dem Schnauzer schütteln, oder aus den Seiten.

Abstrakt oder realistisch im Sinne Fontanes? Schirin Kretschmann

Wie das aussehen kann, wird vielleicht am deutlichsten in der Arbeit von Schirin Kretschmann. Die 1980 in Karlsruhe Geborene lebt und arbeitet in Berlin. „Floor Work“ heißt ihr ortsspezifisches Projekt, Teil einer gleichnamigen Serie: ein großformatiger Papierbogen mit anthrazitfarbenen Spuren, hier und da durchsetzt von Löchern. Entstanden ist die Arbeit während der Reinigung ihres Atelierfußbodens in Berlin-Wedding: Verschiedene Papiere hat sie zwischen die Reinigungswerkzeuge und die Bodenfläche gelegt – und gewissermaßen so die Spuren der Reinigungsarbeit eingefangen: den Abdruck einer Auslöschung.

Was das mit Fontane zu tun hat? Beim Meister des bürgerlichen Realismus interessiert Kretschmann vor allem die Frage, was das eigentlich ist: „Realismus“. Ein Eins-zu-Eins-Abdruck des Erlebten? Dann wären auch die abstrakt wirkenden Arbeiten von Kretschmann realistisch – vielmehr: Sie sind es, in übertragenem Sinne. Nur eben weniger leicht „lesbar“ als die Sprache Fontanes. Realismus, schrieb er 1853, bedeutet, „von der Realität auszugehen“, sie dann aber künstlerisch zu „läutern“. Was anderes wäre Kretschmanns Vorgehensweise?

Im Übrigen, sagt Kretschmann, seien ihre Tage im Weddinger Atelier gezählt. Die steigenden Mieten treiben sie wie viele andere Künstler weg in billigere Gegenden – womit ihr Subjekt bereits Geschichte ist. So wie auch die bröckelnde Adelsgesellschaft, die Fontane in seinen Romanen beschreibt. Der Stoff beider ist die Geschichte, die Schichtung von Zeit.

Fontane, Beobachter der gesellschaftlichen Veränderungen seiner Zeit

Auch Fontane war zeitlebens Freiberufler, er kannte die prekäre Lage von freier Arbeit. Ruhm und Geld kamen spät. Er war, sagt Brigitte Faber-Schmidt, einer, der die gesellschaftlichen Veränderungen seiner Zeit genau sah. Die boomende Industrie, die große Armut. Einer, der Alt und Neu beobachtete, gerade in seinen feinen Dialogen nachzeichnete – ohne selbst eindeutig Position zu beziehen.

Alt und Neu, damals und heute, durchzieht die gesamte Schau. In den Arbeiten von Lothar Seruset zum Beispiel. Sein Holzschnitt „Mein Platz“ (2018) zeigt eine verloren wirkende Gestalt in weißem Hemd auf dem Berliner Breitscheid-Platz: halb fallend, halb schwebend, jedenfalls nicht mit beiden Füßen in dem Heute, das ihn umgibt. Hinten bewacht ihn ein bedrohlicher schwarzer Hund, Dämon oder ganz reale Bestie? „Alle Menschen sind Wetterfahnen“, sagt Fontanes Stechlin einmal, „Schwapp, sind wir auf der andern Seite.“ So eine Fahne hat Lothar Seruset in „Mein Platz“ geschnitten.

Auf den „Stechlin“ bezieht sich auch Volker Lehnert. Als er für die Schau angefragt wurde, wusste der Künstler gleich den letzten Satz des Romans zu zitieren: Nicht alle Stechline müssten überleben, „aber es lebe der Stechlin“. Menschen sterben, die Natur bleibt. Lehnerts Bilder umkreisen die märkische Landschaft in feinen Zeichnungen. Kiefern, Seen schweben wie Zitate über das Papier, verfremdet von Farbspuren, die aus jeder Erzählung ausbrechen.  Hier ist sie wieder, die „künstlerisch geläuterte Realität“ Fontanes.

Der greise Bernhard Heisig und Fontanes „Schach von Wuthenow“

Wasser, Bäume, Wind: auch diese märkischen Elemente ziehen sich durch die Schau. Mal verfremdet wie in den grazilen Holzskulpturen von Pomona Zipser, die sich Fontanes Brandenburg-Geografie (Kloster Wutz, Stechlin, Rheinsberg, Potsdam) anverwandelt. Mal figürlich, wie bei Johannes Heisig, der im märkischen Teetz an seinen Beiträgen für die Schau (märkischer Frühling, Sommer, Herbst und Winter) bis zur letzten Minute werkelte.

Auch von dessen Vater, dem Großmaler Bernhard Heisig, sind 15 Lithografien zu sehen. Entstanden 1998, kurz vor seinem Tod 2011 in Strodehne, schuf der greise Heisig einen Zyklus zu Fontanes „Schach von Wuthenow“. Hier sind die steifen Krägen und weiten Röcke zu ahnen, die Fontanes Welt bevölkern. Auch er selbst schaut einen an, kahl, weißbärtig, wie von zitternder Hand aufs Papier geworfen. Und doch: Sogar hier, wo Fontane einem am Vertrautesten scheint, schaut er einen an, als hätte man ihn noch nie gesehen. 

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„Eine Werkschau zu fontane.200“, zu sehen bis 28.12. im Landtag Brandenburg am Alten Markt, montags bis freitags 8 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Lena Schneider

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