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Das Transformale-Team (v.l.): Sophia Pietryga, Marcus Große, Frauke Röth.

© Transformale

Kunstausstellung „Transformale“: Neue Erkenntnisse über Potsdams Mitte

Am 4. September öffnet die Kunstausstellung „Transformale“ in Potsdam. Wo die Kunstwerke zu sehen sein werden, steht noch nicht fest. Für Diskussionsstoff werden sie in jedem Fall sorgen.

Potsdam - Da, wo bis vor ein paar Monaten noch die Rechnerhalle am Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum stand, liegt jetzt eine große Brache. Sie gibt den Blick frei auf ein Kunstwerk, das viele Potsdamer bislang nicht wahrgenommen haben dürften - eine mehrere Meter lange Formsteinmauer, die parallel zur Rechnerhalle verlief, geschaffen 1970 bis 1972 vom mittlerweile hochgehandelten Dresdner Künstler Karl-Heinz Adler. So gut wie jetzt ist sie bis vor Kurzem nicht zu sehen gewesen, und vermutlich wird das auch nur so lange so sein, bis das Grundstück bis 2023 wieder bebaut ist - mit einem geplanten neuen Schaffenszentrum für Potsdams Künstler und Kreative. 

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„Mit dem Abriss der Rechnerhalle kommt eine spannende Zeitschicht zum Vorschein“, sagt Frauke Röth vom „Büro Kosmos“, das sich mit Sitz im Rechenzentrum für die Belange der Kreativwirtschaft in Potsdam einsetzt. Aber so rasant sei die Entwicklung an diesem Ort mit schwindender DDR-Architektur, wachsendem Garnisonkirchenturm und den temporär sichtbar werdenden Häuser-und Straßenzügen, dass seine historische und ästhetische Vielschichtigkeit kaum zu erfassen sei. 

Das Transformale-Team vor der Formsteinmauer.
Das Transformale-Team vor der Formsteinmauer.

© Transformale

41 Teilnehmer machten bei Wettbewerb mit

Zugleich sei aber die Diskussion darüber in vollem Gange und die Stadtgesellschaft gespalten, wenn es um Abriss von DDR-Gebäuden und den Wiederaufbau der historischen Mitte mit dem Garnisonkirchenturm geht. Vor diesem Hintergrund sei im „Büro Kosmos“ die Idee entstanden, mit Mitteln von Kunst einen „Raum des Innehaltens während der städtischen Transformation zu öffnen“ - als Anregung zur Reflexion der Veränderungen, aber auch, um Künstler aktiv am Diskurs zu beteiligen. Darum wird ab dem 4. September die Kunstausstellung „Transformale“ unter künstlerischer Leitung von Sophia Pietryga im Öffentlichen Raum zu sehen sein, der ein vom „Büro Kosmos“ ausgerufener Wettbewerb vorausging.

Die Jury (v.l.): Anja Engel, Sonia Gonzales, Ina Weise, Nanni Grau, Mike Geßner, Sophia Pietryga.
Die Jury (v.l.): Anja Engel, Sonia Gonzales, Ina Weise, Nanni Grau, Mike Geßner, Sophia Pietryga.

© Transformale

An diesem teilgenommen haben 41 Künstler aus ganz Deutschland. Voraussetzung für eine Teilnahme war die Auseinandersetzung mit der historischen und aktuellen gesellschaftspolitischen Komplexität des Ortes des Rechenzentrums und seiner unmittelbaren Umgebung. Die Jury, zu der die Kulturmanagerin des Rechenzentrums Anja Engel, der Leiter des Kunstraum Potsdam Mike Geßner, die Kuratorin der Villa Schöningen Sonia Gonzales, die Architektin Nanni Grau und die an der Bauhaus-Uni lehrende Künstlerin Ina Weise gehören, hat sieben Künstler ausgewählt. Sie werden an Orten rund um das Rechenzentrum skulpturelle, performative und partizipative Kunst zeigen. Wo genau, das steht nach Aussage Röths noch nicht fest, aktuell sei man dazu im Gespräch mit den jeweiligen Grundstückseigentümern, darunter auch die Stiftung Garnisonkirche. Finanziert wird das Projekt unter anderem aus Mitteln der Stadt Potsdam und der Mittelbrandenburgischen Sparkasse. Auch ein Begleitprogramm soll es geben mit Künstlergesprächen und Führungen.

Kunstwerke bieten Diskussionsstoff

Stehen die Orte auch noch nicht fest, lässt sich dennoch schon jetzt sagen, dass die geplanten Kunstwerke, die derzeit noch im Entstehen sind, für Diskussionsstoff sorgen könnten. So haben sich die Potsdamer Künstler Gregor Bartsch, Udo Koloska und Joanna als Künstlertrio eine „Aktualisierung“ des Glockenspiels der Garnisonkirche vorgenommen. Dieses war 2019 wegen problematischer Inschriften, die mit dem Holocaust und der Wehrmacht in Verbindung gebracht werden, abgestellt worden. Angekündigt sind „Neuvertonungen“, zum Beispiel des Liedes „Üb immer Treu und Redlichkeit“, die vom Vokalensemble des Rechenzentrums gesungen werden sollen. 

„Situation Room“, das sind Sven Bergelt und Kai-Hendrik Windeler aus Leipzig, planen, spöttische Zitate von Heinrich Heine über Potsdam sichtbar zu machen, die sich nur über mehrere Häuserfassaden verstreut erfassen und lesen lassen, wie etwa: „Vorgestern war ich in Sanssouci, wo alles glüht und blüht, aber wie! Du heiliger Gott! Das ist alles nur ein gewärmter, grünangestrichener Winter, und auf den Terrassen stehen Fichtenstämmchen, die sich in Orangenbäume maskiert haben.“ Das kommt „Potsdam ist Disneyland“, wie es zum Beispiel von Gegnern des Wiederaufbaus des Potsdamer Stadtschlosses hin und wieder zu hören ist, doch recht nahe.

Den Betrachter einbeziehen

Mit den barocken Häuserfassaden am Ort setzen sich gleich zwei Künstler auseinander. Jay Gard aus Berlin plant eine Metallskulptur und Sornrapat Patharakorn aus Weimar Spiegelinstallationen, welche es möglich machen sollen, sich tiefer mit dem barocken Erbe befassen - und sich vielleicht selbst darin wiederzufinden. 

Die Visualisierung des Projekts von Jay Gard.
Die Visualisierung des Projekts von Jay Gard.

© Transformale

Den Betrachter einbeziehen, das will auch Anke Westermann aus Adlershof. Aus Nadelfilz will sie prägnante Grundrissformen des Ortes in kleinerer Ausführung schaffen, die nach eigenem Gefallen verändert werden können, sodass eine neue Stadt nach eigenem Wunsch entsteht. Und die wohl schnellsten Stadtführungen werden ebenfalls bei der „Transformale“ angeboten werden: Zehn Minuten sollen sie lang sein und sich bewusst nur mit einem ganz spezifischen Aspekt der Geschichte vor Ort befassen, durchgeführt vom Künstler-Kollektiv „The Tiny Tour“ aus Berlin, zu dem Vanessa Branzeau, Paloma Sanchez-Palenica und Lena Skrabs gehören. 

Und schließlich wird auch die Mauer des Bildhauers Karl-Heinz Adlers noch einmal ein paar weiteren Potsdamern auffallen - der Leipziger Christian Göthner plant eine Art begehbaren Kubus, der sich im Design an der Formsteinmauer orientieren und der Begegnung dienen soll. Vielleicht wird das ja der Ort, an dem sich die Besucher der „Transformale“ nicht nur physisch, sondern auch in der ein oder anderen neuen Erkenntnis über Potsdams Mitte treffen.

Andrea Lütkewitz

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