zum Hauptinhalt

Kultur: Kunst ohne Furcht und Tadel

Der Galerist und Mediziner Michael Nöth hat direkt neben dem Museum Barberini den Standort für seine Galerie gefunden. Nun präsentiert er seine erste Ausstellung mit Werken aus den 1920er-Jahren – prachtvoll inszeniert und exzellent kuratiert

Der Galerist Michael Nöth kennt keine Furcht, wenn es um die Kunst geht, weder in finanzieller noch in kaufmännischer Hinsicht. Unverdrossen zeigt Nöth in der offiziellen Eröffnungsausstellung seiner Galerie das „Portrait eines Südseeinsulaners“ von Emil Nolde (1867 -1956). Der Expressionist fertigte das Bild während seiner Südseereise, an der er als offiziell beauftragtes Mitglied der „Medizinisch-demografischen Deutsch-

Neuguinea Expedition“ vom 2. Oktober 1913 bis zum 5. Mai 1914 teilnahm. Was lange Zeit als Beispiel für die Aufgeschlossenheit Noldes und der Expressionisten für fremde Kulturen galt, ist mittlerweile in Verruf geraten. Auch Nolde sei ja schließlich ein weißer Mann gewesen, der sich an der Exotik der Südseebewohner berauscht hätte. Das sei ja hochverwerflich, so die gegenwärtige Bildsichtung einiger akademischer Kreise.

Nöth hat seine Galerie unmittelbar neben dem Museum Barberini schon in Frühjahr gestartet: „Mit einem Testlauf“. Der Testlauf hat sich bewährt, nun wird die Dependenz des Ansbacher Kunsthändlers ganz offiziell mit einer recht prächtigen Ausstellung eröffnet: „Die 1920 und 1930 Jahre – Fest fürs Leben oder Tanz auf dem Vulkan?“. Dort finden sich noch weitere Beispiele exotischer Darstellungen: Louise Janin (1893-1997) malt im Art-déco-Stil eine orientalische Traumwelt, in der eine schöne Frau von einem spärlich bekleideten Mann bedroht wird, der ausgerechnet einen Säbel schwingt. Ernst Koerner (1848-1927) zeigt eine prächtige Sonne, die orangefarben im Nil versinkt.

Seit 1999 handelt der Mediziner Nöth mit Kunst. Zuvor hatte der Kunsthändler mehr als ein Jahrzehnt Kunst gesammelt, und war als Allgemeinarzt tätig gewesen. Das ginge heute nicht mehr, beteuert Nöth, schon aus zeitlichen Gründen. Bisher hat er seine Kunst vorwiegend bei Messebeteiligungen oder selbst organisierten Verkaufsausstellungen angeboten. „Aber ich habe schon lange darüber nachgedacht, einen festen Standort zu beziehen. Die Gelegenheit in Potsdam unmittelbar neben dem Museum Barberini und dem Potsdam Museum eine Galerie zu eröffnen, war dann sehr reizvoll“, schildert Nöth seinen Entschluss nach Potsdam zu gehen. Die renommierte und erfahrene Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin Annette Jahnhorst unterstützt den Galeristin hierbei.

Nöth hat einen ganz klaren Fokus der Kunst, die ihn interessiert und die er anbietet: Bilder und Skulpturen aus der Zeit von 1850 bis ungefähr 1930. Damit liegt er im Trend, denn die zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erfreuen sich medial gerade großer Beliebtheit: die Fernsehserie Babylon Berlin wird großflächig beworben und verspricht ein großer Erfolg der heimischen Filmindustrie zu werden. Lange verblichene Zeitschriften aus den zwanziger Jahren werden wieder aufgelegt.

Dennoch berge der Standort auch ein deutliches Risiko für ihn, konstatiert Nöth, der seit Mai seine Galerie betreibt. Seine Kundschaft stamme vorwiegend aus anderen Regionen Deutschlands, hier in Potsdam sei er zunächst einmal auf das interessierte lokale Publikum, das ihn noch nicht kenne, und die kunstinteressierten Besucher der Museen angewiesen. Die Galerie bietet jedoch ein für Potsdam bisher unbekanntes Segment auf einem beachtlichen Niveau. Hier wirkt nichts zusammen gewürfelt und willkürlich kombiniert, kein Bild schreit den Betrachter an, alles ist dezent arrangiert. Das Interieur der Galerie ist geschmackvoll abgestimmt und mit hochkarätigen Antiquitäten, „klassizistischen Mahagonimöbeln“, eines Fachhandels möbliert. Für geladene Gäste wird ein feines Buffet offeriert. Die Preise der Bilder bewegen sich zwischen 5000 und mehreren Hunderttausend Euro.

Die Preise verwundern nicht, sind darunter doch auch solche herausragenden Malerinnen wie Lotte Laserstein (1898 -1993) die wohl ihr letztes Bild in Potsdam malte, bevor sie 1937 vor den Nazis nach Schweden floh. Laserstein ist eine echte Wiederentdeckung des Kunstbetriebes. Mit sehr knappem Strich, wenigen Höhungen und sparsamer Farbigkeit schafft sie auf braunem Karton das hervorragende Portrait einer „Dame im schwarzen Abendkleid mit Zigarette“. Ihr sehr stimmiges Programm möchte die Galerie künftig im drei- bis viermaligen Wechsel pro Jahr zeigen.

Die Ausstellung „Die 1920er und 1930er Jahre - Fest fürs Leben oder Tanz auf dem Vulkan?“ ist bis zum 21.Dezember 2017, Humboldtstr. 4, neben dem Museum Barberini, zu sehen

nbsp;Richard Rabensaat

Zur Startseite