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Kunst-Kontor Sehmsdorf: Stilistisches Allerlei

Das Kunst-Kontor Sehmsdorf zeigt Bilder des Malers Nicolaus.

Nicht so recht zu greifen ist der Nicolaus. Er entzieht sich. Kaum glaubt man, den Maler erkannt zu haben, so sind seine Bilder schon wieder ganz anders als vermutet. „Mit der Ausstellung möchte ich die ganze Vielfalt der Bilder von Nicolaus zeigen“, sagt Friederike Sehmsdorf, die Arbeiten des Malers aus 40 Jahren seines Schaffens im Kunst-Kontor präsentiert. Das Spektrum ist erstaunlich breit. Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass sich der Stil eines Malers über die Jahrzehnte hinweg wandelt. Aber der Weg, den der Maler Roland Nicolaus zurück gelegt hat, ist dann doch recht eigenwillig. Der Maler startet mit melancholischen Akten in dunklen, matten Farben, mit Stadtlandschaften und Bildstimmungen, die der zunehmend bedrückenden DDR-Realität entnommen scheinen. Und landet schließlich bei farbensprühenden, bunt zusammen gewürfelten Huldigungen an den konsumfreudigen Kapitalismus.

Auf seiner Website benennt sich der Maler ausdrücklich als „Diplommaler“. Der 1954 geborene Nicolaus, wie sich der Künstler entsprechend seinem Nachnamen nennt, studierte zunächst an der heute sehr renommierten Hochschule für Kunst und Design, Burg Giebichenstein in Halle, dann an der Kunsthochschule Berlin Weißensee im Bereich Malerei. Nachdem er 1989 bei Willy Neubert an der Akademie der Künste seinen Meisterschüler abgeschlossen hatte, erhielt Nicolaus mehrere Lehraufträge für Malerei an der Humboldt Universität und an der heutigen Universität der Künste Berlin. „Handwerkliche Beherrschung der Ölmalerei und eine künstlerische Haltung, die zeitgenössisch, aber nicht modisch ist“, sei ihm wichtig, erklärt Nicolaus ebenfalls auf seiner Website. Es gehe um die „schöpferische Verbindung von Hand und Geist“. „Nicolaus hat den Studenten die maltechnischen Grundlagen vermittelt“, erklärt die Galeristin. Und tatsächlich: die gezeigten Bilder sind von einer herausragenden technischen Brillanz, um die sich gegenwärtig nur wenige Maler überhaupt bemühen. Die Arbeiten in der Galerie spannen den Bogen von frühen Ölbildern über gegenwärtige Collagen bis hin zu ganz aktuellen Ölbildern, die praktisch frisch von der Staffelei in die Galerie gewandert sind.

Den frühen Bildern von Nicolaus ist die Prägung des Malers aus der Realismus-Schule der DDR-Malerei deutlich anzusehen: gedeckte Farben, menschenleere Szenarios, die ein wenig surreal anmuten. Die gegenwärtigen Bilder zeigen sich hingegen ausgesprochen farbenfroh. „Schwarzwaldmädels“ aus dem Jahre 2015 posieren mit entsprechendem, knallroten Bollenhut, Mops und vermutlich von Gucci stammender Tasche. Das fein ziseliert auf die Leinwand gebrachte Muster eines Netzhandschuhs korrespondiert munter mit der Pelzstola. Das ist Edelkitsch in höchster Vollendung, steigerungsfähig nur noch, wenn nicht ein einzelner Maler, sondern ein ganzes Team am Bild malt, wie bei Jeff Koons. Aber Nicolaus war nicht immer so.

Frühe Bilder zeigen einen bewegten Duktus. Die Freude des Malers am Material, an der Farbe, der Bewegung, dem Pinselstrich und Stimmungen, die auch Abgründiges erkennen lassen, ist erkennbar. Blumenstillleben leuchten vor dunklen Hintergründen. Einzelne Blüten sind mit wenigen Pinselstrichen skizziert. Auch menschenleere Stadtlandschaften. Leben als Werden und Vergehen wird sichtbar. Eine Melancholie liegt über den Bildern. „In der Nachwendezeit konnte Nicolaus dann gar keine Städte mehr malen“, sagt die Galeristin. Da habe der Maler lange Jahre nur Blumenstillleben gemalt. Die allerdings explodierten dann förmlich vor Farbe. In seinen gegenwärtigen Bildern hat Nicolaus der Malerei das wild Bewegte gründlich ausgetrieben. Pinselstriche sind nicht mehr erkennbar, allenfalls Gespachteltes. Das meiste ist in feinster Lasur Technik sorgsam zusammengebastelt und wirkt trotz aller sinnreichen Anspielungen ein wenig beliebig.

Sorgsam ausbalancierte Landschaften wie „Die rote Mauer“ oder „Hotel Balthus“ zeigen, dass der Maler durchaus weiterhin ein Interesse an surrealen Stimmungen hat, wie sie sich auf den Bildern von Balthus oder De Chirico finden. Ausgesprochen gelungen ist die Skizze „Berliner Fenster“. Von Hand gezeichnet, aus einem Fenster am Breitscheidplatz, eine Studie für ein Bild des Platzes. Das Ölbild, das danach entstand, ist so farbensprühend, wie es heute nach dem tragischen Attentat nicht mehr möglich wäre. Eigentlich schon ein Historienbild.

Gelegentlich übt sich der Maler in allegorischen Darstellungen, beispielsweise wenn er amerikanische Truthähne bei einer „Siegesparade“, so der Titel des Bildes, vor Reichstag und Bundeskanzleramt zeigt. Häufig wirken seine Ölgemälde, die er aus vielen Versatzelementen montiert, wie eine groß geratene Collage. Nicolaus klaut wo er kann, bei Otto Dix, Werner Held, Christian Schad oder wem auch immer. Das haben auch schon andere gemacht. Aber bei der stilistischen Vielfältigkeit des Malers stellt sich dann doch die Frage, wo er denn hin will. Hübsch anzusehen ist es aber schon. Und die Blumenstillleben versprühen eine Lebensfreude, die ihresgleichen sucht.

„Chapeau! Nicolaus – Werke aus 40 Jahren“ ist bis zum 1. Mai in der Galerie Kunstkontor, Bertiniweg 1A, zu sehen

Richard Rabensaat

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