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Kunst in Potsdam: Vielseitig in allen Elementen

Schloss Sacrow zeigt Arbeiten aus dem umfangreichen Schaffen von Strawalde.

Als Jürgen Böttcher vor einiger Zeit durch den Park beim Schloss Sacrow wandert und auf die andere Seite des Sees schaut, ist es für ihn eine Wiederkehr. „Der Kreis schließt sich“, sagt der Künstler zu der neben ihm stehenden Kuratorin Christina M. Schachtschabel. Als Strawalde von 1955 bis 1960 an der Filmhochschule Babelsberg Regie studierte, blickte er vom Zimmerfenster des Internats, in dem er wohnte, auf den Park und das Schloss von Sacrow. Nun stellt der Künstler dort Bilder aus sämtlichen Schaffensperioden aus. Denn Böttcher ist nicht nur als Regisseur bekannt, sondern mehr noch als Maler, als Bildender Künstler. Die Ausstellung bietet einen umfassenden Einblick in sein Schaffen. Bilder, Collagen, Assemblagen, Filme sind zu sehen. „Kunst trifft Kino“ ist der Titel einer Filmreihe, die im Rahmen der Ausstellung läuft.

Vor dem Filmstudium hatte Böttcher bereits an der Hochschule für Bildende Künste Dresden Malerei studiert. Danach studierte er an der Filmhochschule. Zahlreiche Dokumentarfilme entstanden, die teils aber von den offiziellen Filmkommissionen eher wohl gelitten als gefeiert waren. Zeigten sie doch den Alltag im Sozialismus bar jeder Heroik mit versorgungsbedingtem Mangel im Plattenbau und dem tapferen Mut zum Improvisieren bei denjenigen, die ohnehin keine andere Wahl hatten. Sein erster Film, „Drei von vielen“ (1961), wird verboten. Die Dreharbeiten zu seinem einzigen Spielfilm, Jahrgang 1945 (1966), werden von der Zensur abgebrochen. Fortan dreht Böttcher im Auftrag der Defa und zeigt großes Einfühlungsvermögen bei den Portraits von Wäscherinnen, Eisenbahnern und anderen. Später entstanden auch Experimentalfilme. Die Berlinale ehrte den Regisseur 2006 mit einer Auszeichnung. Filmretrospektiven fanden unter anderem im Centre Pompidou und in England statt. Die Ausstellung zeigt ein Filmportrait des Malers.

Zur Malerei kehrt der 1931 geborene Böttcher, der sich nach seinem Geburtsort Strahwalde in der Oberlausitz „Strawalde“ nennt, auch auf Schloss Sacrow zurück. Die Landschaft seiner Kindheit habe in seinem Werk deutliche Spuren hinterlassen und schon Caspar David Friedrich beeindruckt, so Böttcher: tiefe Wälder, in denen Böttcher herumgestreift sei, weite Blicke über die Landschaft.

Der Weg zur Malerei und zur Kunst ergab sich für den später erfolgreichen Böttcher zunächst aus der bitterer Notwendigkeit. Seine Kindheit verbrachte Böttcher in den finanziell schwierigen Verhältnissen der Nachkriegszeit. Sein Vater, ein Studienrat, war von den Nazis im Jahre 1936 aus dem Schuldienst entlassen worden und konnte nicht wieder richtig Fuß fassen im Berufsleben. „Unsere Wohnung befand sich in dem Anbau einer Windmühle. Wir hatten kein Wasser und auch kein Papier. Ein Bekannter hat mir Blätter geklaut, auf denen ich zeichnen konnte“, erinnert sich der Künstler. Mit von ihm gezeichneten Portraits steuerte Böttcher einiges zur Haushaltskasse bei, später folgten Portraits von sozialistischen Leitgestalten: Lenin, Karl Marx, und die Geschwister Scholl, die Böttcher für seine Schule im Großformat malte. Im Studium begeisterte er sich für den reinen Klang der Farbe und auch für altmeisterliche Malerei. Damit allerdings lag er quer zum verordneten sozialistischen Realismus. Pastos gemalte Bilder, auf denen keine Arbeiterhelden zu sehen waren und die Motive der Kunstgeschichte aufnahmen wie beispielsweise Edouard Manets „Frühstück im Freien“ mit einer nackten Schönen in bourgeoiser Begleitung, das fand im Arbeiter- und Bauernstaat keinen Anklang. In der DDR-Zeit sei er als Maler praktisch nicht existent gewesen und habe keine Chance im offiziellen Ausstellungsbetrieb gehabt, erinnert sich Böttcher.

In Sacrow finden sich zahlreiche Ölgemälde aus der Frühzeit des malerischen Schaffens von Strawalde und auch Übermalungen von Postkarten. Auch eine Variation zu Rembrandt, eine Paraphrase zu Giorgione aus dem Jahre 1954, Abwandlungen von Madonnen sind zu sehen. „Ich kann mich noch immer für diese Bilder aus der Kunstgeschichte begeistern, deshalb tauchen sie in meinen Bildern auf“, stellt Böttcher fest. Aber natürlich fand der Maler seine Motive nicht nur in der Kunstgeschichte. Die „Liegende mit Plattenspieler“ ist immerhin mit einem schwarzen Stiefel bekleidet und räkelt sich genussvoll auf weißen Laken. Eine Liebschaft. Der Künstler war zweimal verheiratet, hat einen Sohn, zwei Enkelkinder. Bildnisse von Frauen finden sich immer wieder in seinem Oeuvre.

Die Vielschichtigkeit des Werkes und die stets pastose, fast ruppige Malweise unterscheidet die Bilder des Künstlers von vielen seiner Kollegen. Strawalde will keinen gelackten Wandschmuck malen. Die Referenz an die Kunstgeschichte, an den reinen Klang des Elements der Farbe oder die Wahrhaftigkeit der im Film Festgehaltenen ist ihm wichtig. Nicht nur Malerei und Film, auch kurze lyrische Sentenzen und einige seiner Postkartenübermalungen zeigt die Ausstellung. Nun findet Böttcher aber: „Es ist kein Kreis, der sich hier schließt. Denn mein Schaffen ist ja nicht zu Ende. Ich mache immer noch weiter.“

Jürgen Böttchers einziger Spielfilm „Jahrgang 45“ wird am Freitag um 19.30 Uhr im Schloss Sacrow gezeigt. Die Ausstellung „Der Kreis schließt sich“ ist bis 7. Oktober 2018 zu sehen, geöffnet Freitag bis Montag von 11 bis 18 Uhr

Richard Rabensaat

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