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Kunst in Potsdam: Kunst aus Kolonien

Birken, wohin man schaut: In der Galerie Nöth öffnet man derzeit den Blick in die Natur. Die Galerie Nöth zeigt Landschaftsstudien aus Worpswede, Ahrenshoop und Pont Aven.

„Nach dem Getümmel der Großstadt in der vorherigen Ausstellung zeigen wir jetzt Landschaft“, sagt Annette Jahnhorst. „Moor und Meer“ ist der Titel. Das eine Thema der Ausstellung ist die Landschaft, das andere sind die Künstlerdörfer, in denen die Maler gearbeitet haben: Worpswede, Ahrenshoop und Pont Aven.

„Herbstabend im Moor“ nennt Otto Modersohn sein Landschaftsstillleben mit aufragenden Birken vor einem Weiher mit einem reetgedeckten Haus im Hintergrund. Die dämmrige Landschaft erstrahlt in warmen Farben, ein herbstliches Braun färbt die Blätter der Bäume. Mit lockerem Strich gemalt vermittelt das kleine Bild eine intensive Abendstimmung. Blattwerk und Wolken laden den Besucher ein, in der Betrachtung des friedvollen, aber wetterbewegten Bildnisses zu verweilen. Bei Otto Modersohn liegt einer der Schwerpunkte der Ausstellung. „Otto Modersohn ist deutlich weniger bekannt als seine Frau Paula Becker Modersohn, deshalb sind seine Gemälde auch noch erschwinglich“, sagt Regina Gerisch, die bereits neun Jahre mit dem Galeristen Michael Nöth zusammenarbeitet. Paula Modersohn-Becker, die zweite Frau Otto Modersohns, verstarb im Alter von 31 Jahren kurz nach der Geburt der gemeinsamen Tochter Mathilde im Jahre 1907. Da hatte sie aber bereits einen Malstil entwickelt, der erheblich markanter und expressionistischer als der ihres Ehemanns war.

Zwischen 45 000 Euro und 80 000 Euro bewegen sich die Preise der Bilder Otto Modersohns in der Galerie. Von früheren Bildern aus den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts bis hin zu Gemälden Modersohns aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts reichen die Bilder. Damit spiegeln sie die ganze Palette der malerischen Entwicklung Otto Modersohns wider. Nach einem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf reiste Modersohn im Jahre 1889 das erste Mal nach Worpswede in Niedersachsen bei Bremen. Weitere Maler aus Düsseldorf folgten, so auch Hans am Ende, von dem ebenfalls Bilder in der Galerie zu sehen sind. Die Künstler waren begeistert von der Schlichtheit der Moorlandschaft und der Ruhe abseits der Großstadt, die sie in dem kleinen Ort vorfanden. Inspiriert auch von den damals schon bekannteren französischen Impressionisten veränderte sich der Stil der Maler. Konturen lösten sich auf, Lichtstimmungen spielten eine große Rolle. Im Gegensatz zur Leichtigkeit und den von Licht durchfluteten Stimmungen der französischen Kollegen scheinen die Birkenstämme Modersohns vor einem dunklen Hintergrund auf und vermitteln so eine eher melancholische, schwerblütige Stimmung. Einige Jahre später treten die Konturen und Umrisse zugunsten einer eher flächigen und farblich verhaltenen Farbstimmung zurück, so beispielsweise auf dem 1922 gemalten „Weg in die Suhrheide“.

Ganz anders dagegen die Bilder von Henry Moret. Mit bewegtem Strich und einem Violett-grün-Kontrast, der stark ins expressionistische spielt, malt der Franzose Hügel, Berge und das Meer. Trotz des recht knalligen Farbgegensatzes entsteht ein harmonisch schwingendes Bildganzes, weit ab der Flächigkeit der späteren deutschen Expressionisten, die mit ähnlichen Farbklängen experimentierten. Moret war ein Freund Paul Gaugins und stand damit der Schule von Pont Aven nahe, die Paul Gaugin und Emile Bernard um 1886 auch als Reaktion auf den Impressionismus gegründet hatten. Auch Claude-Emil Schuffenegger, von dem „Yport, Steilküste bei Ebbe“ zu sehen ist, gehörte zu diesem Kreis. Die Bilder der Franzosen beleben die Landschaft auf eine Weise, die den Felsen der Küste eine nahezu luftige Anmutung geben und den Seetang im Licht schimmern lassen.

Aus der dritten Malerschule Ahrenshoop sind Bilder von Paul Müller-Kaempff zu sehen. Die Künstlerkolonie Ahrenshoop, im Jahre 1889 gegründet, begeisterte den Künstler für den weiten Himmel der Ostseelandschaft, der sich mit wattebauschartigen Wolken über saftige Wiesen und sattgrüne Bäume spannt. An der Malschule Paul Müller-Kaempffs wurden auch Frauen unterrichtet, was zur damaligen Zeit eine Besonderheit war, denn der Zugang zur Akademie war Frauen verwehrt.

Mit immerhin einem Bild vertreten ist auch die gerade recht gefeierte und neu entdeckte Lotte Laserstein. Im Jahre 1933 malte sie den „Maler mit Schafen in den Dünen“, dem ebenso wie den Bildern ihrer Kollegen alles Symbolische und Gleichnishafte, was Landschaften früherer Jahrhunderte anhaftete, restlos ausgetrieben ist. Während Lasersteins ockerfarbene Landschaftsstudie noch für 59 000 Euro zu haben ist, bewegt sich ein Bild Emil Noldes in ganz anderen Preisregionen. 250 000 kosten die eher dunkel aquarellierten Sonnenblumen Emil Noldes.

Ob Potsdam eine Käuferschicht für ein in dieser Weise nicht eben preisgünstigen Bild aufweist, werde sich zeigen, so die Galeristen. „Noch werden wir beobachtet“, weiß Regina Gerisch, die 14 Jahre lang bei dem Auktionshaus Sothebys in München gearbeitet hat. Das sei auch so üblich im Kunsthandel. Erst wenn der Verkäufer mehrere Jahre auf Messen und in Galerien beobachtet worden sei, fasse die Käuferschaft Vertrauen und investiere. „Man geht ja nicht so eben mal einkaufen: Butter, Marmelade und dann noch einen Liebermann“, weiß Gerisch. „Die Kuhhirtin“ ist der Titel der Studie des Berliner Malers, die in der Ausstellung zu sehen ist. In ihrer schlichten Stimmigkeit knüpft sie unmittelbar an die Wahrhaftigkeit und Einfachheit an, die die Maler der Künstlerkolonie in ihren Bildern suchten.

Zu sehen bis 8. April, Dr. Nöth Galerie, Humboldtstraße 4, Mi-So, 11 bis 18 Uhr

Richard Rabensaat

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