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Kultur: Kunst, glanzlos verpackt

Die Verleihung der brandenburgischen Kunstförderpreise wurde den prämierten Arbeiten nicht gerecht

Wer hätte gedacht, dass die Verleihung der Kunstförderpreise derart dröge sein könnte. Dabei gab es keinen Grund, sich zu scheuen. An der Kunst jedenfalls lag es nicht. Das hohe Niveau der eingesandten Ideen hatte der Jury sogar einiges Kopfzerbrechen bereitet. Da hätten, versuchte der freie Kunstwissenschaftler Herbert Schirmer – Jurymitglied im Bereich der Bildenden Kunst – eine Auflockerung, nur noch Stullen zur Stärkung geholfen. Schirmer war einer der wenigen, die mit ein bisschen Flapsigkeit versuchten, der Show im T-Werk am Dienstagabend die Steifheit zu nehmen.

Gefreut haben dürften sich Potsdamer Künstler dennoch: Von den insgesamt 13 Preisen haben sie fünf geholt. Mit dem Kunstförderpreis unterstützt das Kulturministerium jedes Jahr Kunst- und Kulturschaffende aus Brandenburg in den Bereichen Literatur, Musik, Bildende und Darstellende Kunst. Kulturministerin Sabine Kunst selbst konnte am Dienstagabend aufgrund einer parallelen Veranstaltung allerdings nicht anwesend sein.

Das Preisgeld für Literatur – in Höhe von monatlich 830 Euro – wird für einen Zeitraum von je vier Monaten vergeben, die Preise für Bildende Kunst, Musik und Darstellende Kunst einmalig in Höhe von 2 200 Euro. Die Arbeitsstipendien sollen den Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit geben, Entwürfe zu realisieren, geplante Arbeiten zu beginnen oder begonnene Werke fortzusetzen oder zu beenden. Um die Kunst-Förderpreise konnten sich nur brandenburgische Künstlerinnen und Künstler bewerben.

Und das waren nicht wenige: 177 Bewerber haben dieses Jahr ihre Ideen beim Wettbewerb eingereicht. Neben den Fördergeldern werden außerdem zwei Internationale Stipendien „Interstip“ sowie zwei Istanbul-Stipendien verliehen. Dieses Jahr gingen drei der vier Auslandsaufenthalte an Künstler aus Potsdam.

So etwa an Katrin von Lehmann, Mitglied im Verein Neues Atelierhaus Panzerhalle in Groß Glienicke. Schon in einem Monat wird die in Berlin geborene und in München ausgebildete Künstlerin nach Istanbul aufbrechen. Die Reise fügt sich programmatisch in ihr aktuelles Projekt „Leerstelle des Unbekannten“ ein, denn Istanbul – überhaupt die Türkei – ist ihr völlig neu. Genau mit diesem Aufbruch ins Ungewisse beschäftigt sich auch ihr Projekt, das sie während ihrer Zeit am Bosporus vertiefen wird. Ihre Installationen und Bildobjekte befragen in Zeiten des rasenden Wandels menschliche Gewissheiten – insbesondere die der Wissenschaft. „Mein aktuelles Projekt dreht sich um den Wandel in der Genforschung“, so von Lehmann, „Die Definition dessen, was ein Gen ist, ist mit den neue Ergebnissen des Human-Genomprojekts nicht mehr gesichert.“ Das Humangenomprojekt wurde in den 90er Jahren mit dem Ziel gegründet, das menschliche Genom zu entschlüsseln und so erinnert auch eine von von Lehmanns Installationen an eine überdimensionale Doppelhelix. Dennoch sieht sie ihre Werke keineswegs als direkte Übersetzung von Wissenschaft in Kunst. Die Kunst sei eine Art paralleles Forschen, so von Lehmann: „Wissenschaftler wollen das Phänomen verstehen und sind auch zu risikofreudigen Erklärungsmodellen bereit. Wie in der Kunst: Ich arbeite konzentriert an etwas, weiß aber noch gar nicht, wohin es damit eigentlich geht, welches Aussehen und welche Form es bekommt. Für mich ist das wie ein paralleles Labor. Das heißt aber nicht, dass ich den Wandel in der Genforschung künstlerisch visualisiere. Der ist ein Anstoß, ein Ideengeber.“

Auch der Romancier, Lyriker und Dramatiker Helmut Krausser und die für die Kategorie Musik und Komposition ausgezeichnete Klangkünstlerin Sabine Vogel werden den Aufbruch ins Fremde wagen. Vogel wird in Allenheads im Norden Englands die dörfliche Traditionsgeschichte des Bergbaus in der seit 1896 geschlossenen Bleimine klanglich erforschen. „Sozusagen Klangaufnahmen untertage“, sagt Alexander Hollensteiner, Geschäftsführer der Kammerakademie Potsdam und Juror in der Kategorie Musik. Für Krausser geht es stattdessen in den Süden, aber auch er befindet sich auf musikalischer Expedition: auf den Spuren des venezianischen Komponisten Alberto Franchetti – einem Juden, der Wagner liebte und den die Nazis trotz gleicher musikalischer Vorlieben mit einem Aufführungsverbot belegten. Ihm hat Krausser schon frühere Werke gewidmet – so etwa „Zwei ungleiche Rivalen. Puccini und Franchetti“. Der Förderpreis ermöglicht ihm nun, eine Biografie zu schreiben.

In den Kategorien Bildende- und Darstellende Kunst wurden die Potsdamer Lisa Seebach und Andreas Erfurth prämiert. Seebachs skelettartigen Installationen aus Stahl, Bronze und Keramik faszinierten die Jury aufgrund ihrer „labilen Balance“. Mit der Auszeichnung von Andreas Erfurth wird ein „größer angelegtes Managementprojekt“ angestrebt, wie Jens-Uwe Sprengel, künstlerischer Leiter des T-Werks und Juror, es ausdrückt. Gemeinsam mit zwei Kollegen gründete Erfurth im letzten Jahr das „Neue Globe Theater“. „Wir würden uns gerne in Brandenburg verorten“, so Erfurth. „Wir sind mit unterschiedlichen Orten im Gespräch, da ist noch nichts dingfest.“ Dingfest ist allerdings das Gastspiel des Neuen Globe im T-Werk. Im Juni zeigt die Theatergruppe dort King Lear. Aber nicht nur Shakespeare haben sie im Repertoire, sondern auch Schiller und Brecht. „Uns interessiert das Prinzip Globe, die Spielform, die eigentlich aus der Architektur entstanden ist“, so Erfurth. „Im elisabethanischen Theater waren zum Teil 1200 Zuschauer und das jeden Tag. Die musste man bei Laune halten. Die Monologe bei Shakespeare sind eigentlich Dialoge mit dem Zuschauer.“ Das Neue Globe will den Fall der vierten Wand, die aktive Denkbeteiligung des Zuschauers und verbindet so Shakespeare mit Brecht. „Es geht aber nicht um Mitmachtheater. Wir holen niemanden auf die Bühne, aber wenn irgendwo ein Handy bimmelt ist das natürlich ein gefundenes Fressen.“

Bei so vielen glänzenden Ideen zeigte die Preisverleihung: Potsdams Kunstszene ist reich. Das kann man doch ausgelassen feiern! Ein wenig Mut zum Glamour schadet da nicht.

Theresa Dagge

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