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Der König überall. Warthmüller verewigte 1886 Friedrich den Großen als den guten Landesvater, der sich aufopfernd um das Wohl seiner Bauern kümmert.

© HBPG

Kulturin Potsdam: Ende der Legende

Die Ausstellung „König & Kartoffel“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte erzählt, dass Friedrich II. zwar nicht die Kartoffel in Preußen einführte, aber für ihre Verbreitung sorgte

Überall liegen Kartoffeln: frisch gesetzt, angehäufelt, gerodet. Und den (Papp)-Schweinen im Trog zum Fraß vorgesetzt. Alles ist für die engen Räume sparsam inszeniert. Und doch wirkt es lebendig. Da gibt es schwarze Erde in Pflanzschalen, einen Pflug, gefüllte Kartoffelsäcke und den Holzwagen zum Abtransport. Auch als dekorative grüne Pflanze mit helllila Blüten ist die Kartoffel zu sehen, ja sogar unter eine Glasglocke gestellt – wie eine Kostbarkeit. Königlich eben.

In dieser großen Ausstellung des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG), die ab heutigen Freitag zu sehen ist, geht es schließlich um „König & Kartoffel“. Um Friedrich den Großen und die preußischen „Tartuffoli“. Ein Randthema, eine Anekdote in seinem 300. Jubiläumsjahr? Im Licht dieser Ausstellung wächst die Kartoffel über sich selbst hinaus. Es wird nicht nur mit Legenden aufgeräumt, sondern auch Alltags-, Kultur- und Agrargeschichte erzählt. Und das mit einer Vielzahl von Ausstellungsstücken, wie Bilder, Bücher, landwirtschaftliche Geräte und Küchenutensilien, die sich über zwei Etagen ziehen. Man muss allerdings erst einmal zwischen den mit Exponaten dicht besäumten Stellwänden seinen eigenen Weg und Zugang finden.

Zuallererst widerlegt diese von Antonia Humm und Marina Heilmeyer kuratierte Schau den sich wacker haltenden Mythos, dass Friedrich II. die Kartoffel nach Preußen brachte. Auch wenn Fans immer wieder das Grab des Königs am Schloss Sanssouci mit Erdäpfeln drapieren – wie in einem kleinen Film zu sehen – , wird diese Legende nicht wahrer. Richtig ist, dass spanische Seefahrer die Kartoffel von den Inkas in Südamerika schon 200 Jahre vorher mit nach Europa brachten. Sie diente ihnen als Schiffsproviant für den langen Seeweg und war neben Papageien ein beliebtes Mitbringsel: eine exotische Frucht, die an Fürstenhäusern kultiviert wurde, vor allem als Arzneikraut.

Aber Friedrich war es schließlich, der mit Nachdruck um die Verbreitung dieser Feldfrucht kämpfte. Doch was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Diese Volksweisheit bekam Friedrich zu spüren. So griff er zu der List, dass er Soldaten um seine Versuchsfelder patrouillieren ließ, um die Bauern neugierig zu machen, sie zu animieren, nachts die Kartoffeln zu stehlen und sie in den eigenen Garten zu pflanzen. Aber auch diese Geschichte ist nicht verbürgt. „Die Forschungslage ist eher schlecht und beim Recherchieren nahm die Verwirrung anfangs noch zu. Einer scheint von dem anderen abgeschrieben zu haben“, so Antonia Humm bei der gestrigen Pressebesichtigung. Schließlich haben sich die Kuratorinnen entschlossen, die ganze Geschichte um Friedrich und die Kartoffel neu zu erforschen. In Spezialbibliotheken und Museumsdepots machten sie Entdeckungen, die das scheinbar so geläufige Thema nun erstmals in einem historischen Kontext umfassend würdigt. Sie studierten Werke der Hausväterliteratur und ein Lexikonartikel von 1785, der die Kartoffel auf unglaublichen 180 Seiten behandelte. „Friedrich der Große, die Amerikanische Republik und die Kartoffel wären als Tendenzen unseres Zeitalters zu nennen“, schrieb der Verleger Friedrich Nicolai 1799, was einiges über die Bedeutung der Kartoffel im 18. Jahrhundert aussagt.

Zu den Raritäten der Ausstellung gehören die 15 „Kartoffelbefehle“ des Königs, die die Wissenschaftlerinnen im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam fanden: Anordnungen, in denen sich Friedrich immer massiver für den Anbau einsetzte. „Für die Kurmark fanden wir nur zwei Befehle. Die meisten richtete er an die Schlesier. Dort war man offensichtlich besonders argwöhnisch gegenüber der Kartoffel“, so Antonia Humm. Es gibt auch einen Zeitzeugenbericht, wie der König in Pommern Saatkartoffeln verteilte und die Bauern nichts damit anfangen konnten. Selbst ihre Hunde wollten sie nicht fressen. Also schrieb der König auch noch eine Gebrauchsanweisung über Anbau und Zubereitung. Auf dem großen Gemälde „Der König überall“ von Robert Warthmüller wird Friedrich als der gute Landesvater gezeigt, der sich aufopfernd um das Wohl seiner Bauern kümmert. Friedrich als fürsorglicher Nährvater und volksnaher Regent. Doch mit dieser Weichzeichnung trifft man nur die halbe Wahrheit. Als Kriegsherr dachte Friedrich natürlich vor allem an seine Soldaten. Das durch Dürren rar gewordene Getreide brauchte er als Proviant in den Heereslagern. Die schneller verderbliche Kartoffel blieb fürs Volk. Es waren weniger die Befehle, die Fortschritt in die Kartoffelverbreitung brachten, als eine dramatische Hungersnot 1770 bis 1772. Wo Kartoffeln wuchsen, waren die Leute gerettet.

Eine Kanzel in der Ausstellung symbolisiert, dass auch die Pfarrer als „Knollenprediger“ das neue Wissen über Anbau und Verwendung der Kartoffel mit unters Volk brachten. Sie hatten es schwer, denn manche Mediziner schrieben dem Nachtschattengewächs gesundheitsschädigende Wirkungen zu. Ein kleiner weißer Weihnachtsbaum mit vergoldeten Kartoffeln an den Zweigen erzählt wiederum, wie auch ein Berliner Kaufmann Friedrich in seinem Bemühen um die Knolle unterstützen wollte. In der Kunst wurden Kartoffeln gern in romantisch-verklärter Weise gefeiert, wovon Reproduktionen wie das „Abendläuten“ von Francois Millet zeugen: mit betenden Bauern über ihre gerodeten Knollen.

Am Ende der Ausstellung wird gezeigt, wie das lange geschmähte neue Nahrungsmittel dazu beitrug, die Ernährungsweise zu revolutionieren. Nicht nur die Kartoffel kam zum gängigen Brot und Getreide dazu. Auch Kaffee und Zucker hielten Einzug. Besonders stolz sind die Kuratorinnen auf ihre zehn ausgegrabenen historischen Kartoffelrezepte, von denen einige kostenlos vom Besucher mitgenommen werden können.

Und wie hielt es Friedrich selbst mit der Kartoffel auf seinem Tisch? Eine kleine Treppe symbolisiert dies sehr plastisch. Auf der untersten Stufe steht ein irdener Teller aus dem Haushalt armer Leute mit drei Kartoffeln drauf. Auf dem Teller der Mittelschicht liegt eine Knolle und auf dem vornehmen Porzellan des Königs keine. Friedrichs Speisepläne belegen, dass er Kartoffeln mied. Erst sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., brachte sie auf den Tisch: auf den seiner Bediensteten.

Zu sehen im HBPG, Am Neuen Markt, bis 28. Oktober, Di bis Do 10 bis 17 Uhr, Fr 10 bis 19 Uhr, Sa und So 10 bis 18 Uhr, Mo geschlossen. Eintritt 5/erm. 3,50 Euro, für Besucher unter 18 Jahren Eintritt frei

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