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Kulturfragen in Potsdam: Wo’s brennt

Kreativzentrum, FH und Probenräume: Der Rat für Kunst und Kultur befragte die fünf OB-Kandidaten zu den brennenden Kulturthemen der Stadt.

Potsdam - Zum Auftakt ein bisschen Sport. Bevor die vom Rat für Kunst und Kultur in die Stadt- und Landesbibliothek geladenen fünf Kandidaten für die OB-Wahl am 23. September sich am Donnerstag in gebotener Länge zur Kultur äußern, lädt Moderatorin Katja Dietrich-Kröck zu einem Spiel ein. „Zum Warmwerden.“ Ein Stichwort, 30 Sekunden Zeit zum Antworten, dann drückt Schiedsrichter Jens-Uwe Sprengel die Quietscheente. Eine Radikalkur gegen langatmigen Politikersprech. Für die Geladenen – Götz Friederich (CDU), Janny Armbruster (Grüne), Martina Trauth (parteilose Kandidatin für die Linke), Mike Schubert (SPD) und Lutz Boede (Die Andere) – auch eine Stichprobe auf Themenfestigkeit und Spontaneität.

Also los: „Bandprobenräume“. Erster Minuspunkt für Götz Friederich, der offenbar nicht die Brisanz des Wortes erkennt und verschiedene Musikstile aufführt. Janny Armbruster reagiert da schon angemessener („Fehlen in Potsdam“), Martina Trauth hat Zeit, sich eine Zahl zu überlegen und begrüßt die 100 000 Euro für neue Räume im Freiland. Lutz Boede bringt sogar einen konkreten eigenen Vorschlag ein: ein neues Bandhaus, das längerfristig im Freilandgelände zu errichten wäre.

„Die Spaltung in der Stadt ist doch da!“

Damit sind die Profile umrissen, Zeit für die ernsten Fragen. Zunächst zur Stadtentwicklung. Wie schaffen Sie Raum für Neues, verehrte Kandidatinnen und Kandidaten? „Ich als Stadt gebe nicht vor, sondern frage: Wo ist der kreative Impuls“, redet sich Friederich raus und weist den von Moderatorin Sabine Chwalisz vom Rat für Kunst und Kultur vorgebrachten Eindruck zurück, Neues habe in Potsdam keinen Platz. Stattdessen führt er neue Start-up-Orte wie den historischen Lokschuppen in Babelsberg als Magnet für Kreative in Potsdam ins Feld. Ein Kunstverständnis, wie es sich von dem der Linken-Kandidatin nicht mehr unterscheiden könnte. Geht es uns um profitgenerierende Projekte oder nicht-profitable Kunst, fragt Trauth, und argumentiert für Letztere.

Janny Armbruster zeigt sich vermittelnd und betont: „Wenn wir weg wollen aus den Grabenkämpfen zwischen Ost und West, Barockisierern und Modernisierern, dann müssen wir wegdenken vom Thema historische Innenstadt“ – und auch hin zu mehr Teilhabe, so Armbruster weiter. Ja, an der fehle es, springt Trauth ihr da bei. Für Sätze wie „Die Spaltung in der Stadt ist doch da!“ und, in Anspielung auf den FH-Abriss, „Demokratie heißt auch: Man kann Dinge von vor 20 Jahren widerrufen!“, erhält sie viel Applaus.

Dauerthema Rechenzentrum

Betont staatsmännisch geben sich dagegen die Vertreter von CDU und SPD. Man möge doch lieber die „positiven Momente festhalten“ (Friederich) und „das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“ (Schubert). Überhaupt gaben sich die beiden aussichtsreichsten Kandidaten sichtbare Mühe einen souverän-grundoptimistischen Tonfall anzuschlagen, bei Schubert betont lässig („Wir sollten nach vorne gucken“), bei Friederich auch mal ins Oberlehrerhafte abgleitend („Mehrheiten bitte akzeptieren – kleine Mahnung“). Der Seitenhieb galt der Linken, aber der Schulterschluss mit dem Publikum will nicht gelingen, Friederichs auf das Museum Barberini gemünzte Bemerkung „600 000 Besucher können nicht irren“ entlockt den Gästen nur Geraune.

Weiter durch vermintes Gelände: Thema Rechenzentrum. „Solange das Geld für das Kirchenschiff der Garnisonkirche nicht da ist, muss der Abriss nicht diskutiert werden“, sagt Mike Schubert. Dennoch müsse man über einen alternativen Standort schon jetzt nachdenken, mit „geschützten Mieten“. „Wir werden als Stadt nie raus sein aus der Finanzierung“, sagt er zu dem Ersatzbau, der bis 2023 für die Kulturschaffenden entstehen soll – finanziert nicht von der Stadt, sondern von einem Dritten. Wer das sein könnte, ist unbekannt – Anlass für Trauth, einmal mehr für Transparenz und Bürgerbeteiligung zu werben. Während die Kandidatin der Linken vielerorts allgemein bleibt („Kultur ist Menschenrecht!“), wartet Armbruster mit kulturpolitischem Fachwissen auf – und Schubert und Boede mit konkreteren Ideen. Etwa bei der Frage, wie sich die Einkommenssituation in der freien Szene verbessern ließe. „Wir brauchen eine Kopplung der Einkommen an die Preissteigerung“, fordert Boede. Schubert wagt dann noch ein konkretes Wahlversprechen: „Wir müssen zusammen an einen Tisch, um den Etat zu diskutieren, den wir aufwenden können, um die Gehälter für die Freien anzuheben.“ Ein Gremium müsse eine Art Tarifvertrag, also konkrete Steigerungen, aushandeln – orientiert an den Gehältern des Hans Otto Theaters. Dabei müssten dann auch die unangenehmen Seiten zur Sprache kommen: Wer weniger bekommt, wenn einige mehr erhalten.

Nach so viel Realitätssinn am Schluss dann noch eine Schmeichelei an die Einladenden: Als erste Amtshandlung im Falle seiner Wahl gelobte Schubert, den Rat für Kunst und Kultur an seinen Tisch zu holen. Um da weiterzureden, wo man hier aufhören musste. Es ist die Zeit der Versprechungen. 

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