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Kultur in Potsdam: Regionale Kreativität

Ausstellen und Austauschen: Rund 100 Künstler sind auf der Art Brandenburg vertreten. Es könnten noch viel mehr sein, denn der Bedarf wächst.

Sehen und gesehen werden. Aufgeplatzte Kastanienschalen zu malen ist nichts Besonderes. Aber Jan Beumelburg macht aus den innen liegenden prallen, braunen Früchten Augäpfel. Schwarze Pupillen, umgeben von einer braunen Regenbogenhaut blicken fast etwas spooky durch den Schlitz zwischen den stacheligen Hälften. Das Paar – ein Crossover zwischen Pflanze, Tier und Außerirdischem – hat Beumelberg mit „Deine braunen Augen machen mich so sentimental“ betitelt. „In Anlehnung an einen Song der Band Ideal.“

Der Maler aus Brandenburg/Havel, der ein Faible für skurrile Verschmelzungen aus der Welt der Natur und Technik hegt, ist einer von etwa 100 Künstlern, die am Wochenende auf der Art Brandenburg ausstellen. Alle zwei Jahre findet die Messe statt, die vom Brandenburgischen Verbands Bildender Künstler (BVBK) ausgerichtet wird. Sie ist der wichtigste Treffpunkt der Kunstszene hierzulande. Sie bietet Besuchern einen breiten Querschnitt durch die Vielfalt der Arbeiten, Malerei und Fotografie, Grafik, Film- und Videokunst, Bildhauerei, Objektkunst und Skulpturen – in den unterschiedlichsten Formaten und Erscheinungsformen. Etwa 3500 Besucher habe man 2015 registriert, in diesem könnten es auch mehr werden, sagt Petra Schmidt-Dreyblatt, Geschäftsführerin des BVBK. „Das Interesse an Kunst mit regionaler Herkunft nimmt zu. Viele Besucher sind aufgrund kleinerer Ausstellungen und Aktionen neugierig geworden und finden es dann gut, dass man auf der Messe die Künstler persönlich treffen und kennenlernen kann.“

Auch für die Akteure ist die Messe ein wichtiger Ort zum Netzwerken und Kontakteknüpfen. Viele Künstler leben und arbeiten abseits der Metropolregion und suchen gezielt den Austausch. Für die 65 Aussteller-Kojen gebe es mehr und mehr Bewerber, sagt Schmidt-Dreyblatt, der Bedarf wachse. Hinzu kommen: akzeptable Kosten. Mit 300 bis 600 Euro pro Messestand für ein ganzes Wochenende sei die Gebühr vergleichsweise niedrig, sagt der Potsdamer Fotograf Klaus Fahlbusch. Möglich ist das durch Fördergelder, unter anderem vom Brandenburger Wirtschaftsministerium. Gerade für Nachwuchskünstler ist es unter Umständen entscheidend, ob man Messegebühren auch wieder einspielen kann.

Wie der Verband auf den steigenden Bedarf seitens der Künstler reagieren wird, ist noch nicht klar. Man sei sich aber der Problematik bewusst, so Petra Schmidt-Dreyblatt. Künftig wolle man zudem auch temporäre oder projektgebundene Kunstinitiativen auf der Messe berücksichtigen. „Auch wenn sie sich nicht in das Format einer kleinen Ausstellerkoje pressen lassen.“ Die räumliche Kapazität in Schinkelhalle und Waschhaus-Arena sei allerdings nicht zu vergrößern. Erstmalig kooperiere man in diesem Jahr aber mit dem Waschhaus-Kunstraum, hier finden während der Messe Veranstaltungen statt, Gesprächsrunden und Lesungen. In diesem Jahr wird zudem eine offene Druckwerkstatt zum Kennenlernen der verschiedenen Techniken angeboten.

Das Spektrum der Aussteller-Kunst bietet vor allem Malerei und hier vor allem Abstraktes und Materialmixe. Porträts in Pop-Art Manier zeigen Jim ter Kuile und Alexandra Weidmann. Der Potsdamer Maler Christian Heinze zeigt Radierungen, Landschafts- und Gartenszenen, Kornblumen und Seerosen, letztere „gewidmet C. M.“, Claude Monet, sagt Heinze. Dorothea Elisabeth Piper malt Aquarelle auf seidigem französischem Papier, das besonders weiche, sanfte Stimmungen erlaubt. Mike Bruchner, Maler aus Potsdam, zeigt Neues aus seinem surrealen Kosmos, Rainer Ehrt satirische Grafiken und Skulpturen.

Rainer Steußloff, dem es immer wieder gelingt, brillante Momente mit einer wunderbare Leichtigkeit einzufangen, ist neben Klaus Fahlbusch einer der wenigen Fotografen, die auf der Messe vertreten sind. Philosophisch ist der Hintergrund der Arbeiten von Beate Rothensee. Sie sammelt Plastikverpackungen, Keksdosen und Gemüseschalen aus dem Supermarkt, und benutzt sie als Gussformen für Objekte aus Gips, Marmorstaub und Epoxidharz: „Unser täglich Brot“ heißt die Zusammenstellung. Aus Milchkartons baut sie schwarze Skulpturen. Der Bezug zu Paul Celans Gedicht „Die Todesfuge“ ist erwünscht, sagt Rothensee. Ägyptische Anleihen hat die Installation von Jens Kanitz: Aus 21 schwarzen Holzteilen baute er ein kompliziertes, riesiges, strahlenförmiges Gefüge, 2,30 Meter im Durchmesser, ein Hingucker, der kaum in den Messestand passt. Die kosmische „Nachtsonne“ gehe auf eine Erscheinung der ägyptischen Mythologie zurück, sagt Kanitz. Leichter mag es Astrid Weichelt, die zerbrechliche, empfindliche Papier-Abdrücke von historischen Skulpturen fertigt.

Auch Künstlerkollektive sind in der Art vertreten, das Neue Atelierhaus Panzerhalle aus Groß Glienicke, die Gruppe Endmoräne und der Atelierhof Werenzhain. Außerdem findet man auf der Messe einen Stand „Private Künstlernachlässe Brandenburg“.

Freitag bis Sonntag in der Schiffbauergasse, Schinkelhalle und Waschhausarena. Der Galeriebereich ist geöffnet am Freitag und Samstag von 10 bis 20 Uhr, Sonntag bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 6 bis 10 Euro

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