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Kultur in Potsdam: Plüschtiere und lüsterne Lurche

Das Kunstkontor Sehmsdorf zeigt zum zweiten Mal „Feine Kunst“. Ein Blick in sonderbare Innenwelten.

Potsdam - Eine schöne Auswahl hat die Galeristin Friederike Sehmsdorf für ihre erste Ausstellung in diesem Jahr getroffen: eher kleine Formate, mit sehr detaillierten Zeichnungen und Malereien. Zunächst scheint die vier Künstler außer der formalen Ähnlichkeit zunächst wenig zu verbinden. Christoph Löffler schwelgt in seiner Serie grimmiger Plüschtierportraits. Uwe Pfeifer zeigt sonderbare Zwitterwesen, die sich in anscheinend eher virtuellen Räumen bewegen. Heinz Zander entfaltete ein monströses Panoptikum an schönen Frauen, lüsternen Lurchen und langfingrigen Lustmolchen. Der Künstler Kerwien malt fluchtende Perspektiven und perspektivlose Tristesse Berliner Hinterhöfe, aufgelockert mit zarten weißen Blümchen.

Auch biografisch haben die Maler wenig gemeinsam. Heinz Zander, geboren 1939 in Wolfen bei Bitterfeld verbindet wenig mit Kerwien, geboren 1967 in Berlin. Was die Vier jedoch zusammenhält, hat die Galeristin erkannt und entsprechend den Titel der Ausstellung gewählt: „Fine Art“. Es ist eine feine Kunst, die sich an den Wänden des so betitelten „Forum für zeitlose Kunst“ ausbreitet. Denn die Bilder im Kunstkontor erheischen nicht den schnellen Applaus oder den spektakulären Großauftritt, sondern die stille Betrachtung, das Versenken in eine ganz eigene Bilderwelt, die abseits des zeitgeistigen Fieberpulses nach Verbindlichkeiten in der Kunstgeschichte und, ja auch, nach der virtuosen Beherrschung der künstlerischen Mittel trachtet.

Heinz Zander wuchs auf in der Nähe der Kohlereviere in Bitterfeld. „Da war die Kunst schnell ein Mittel, sich seine eigene Welt gegen die Szenarien der zerstörten Landschaften und der gequälten Natur zu bauen“, erzählt die Galeristin, die selber Bilder des Künstlers sammelt. Zander studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Bernhard Heisig. Nach dem Abschluss des Studiums illustrierte Zander zahlreiche Bücher, schrieb aber auch selbst einige Geschichten, die teils veröffentlicht wurden. Zur Ausstellungseröffnung erscheint der Künstler nicht. Seine Bilder sprächen für sich, erklärt die Galeristin. Und offensichtlich entfaltete sich mit der Zwittergestalt auf dem Bild „et in arkadia ego“ eine ganz eigene Welt, die den Betrachter fasziniert und verlockt. Das ganze Bild in einen warmen Rotton getaucht, stolziert ein ziegenfüßiger Kahlkopf über eine Steinwüste, im Hintergrund eine lockende Elfe, im Vordergrund eine zischelnde Schlange. Mit spitzem Pinsel fein gemalt, stört kein aufdringlicher malerischer Duktus die Brillianz geschickt gesetzter Höhungen und fein ausbalancierter Schatten.

Aber auch die anderen Maler der Ausstellung stehen nicht zurück, auch wenn sie nicht die dem Fantastischen zugewandte Faszination Zanders erreichen. Kerwien setzt geschickt Elemente von Stillleben in schachbrettartige Raumfluchten, gibt Hinweise, dass sich die gebauten Bildwelten an ganz realen Orten in Dessau ober Berlin befinden. Die Schatten und Spiegelungen jeder Billardkugel ordentlich poliert, die Gestalt auf der hohen Mauer vielleicht ein Mensch, zum Sprung bereit, möglicherweise Ikarus, der sich in eine andere Welt verabschiedet. So geben bei genauer Betrachtung auch die vorgeblich sachlich realistischen Bilder Kerwiens Rätsel auf.

Ebenso die Bilder Uwe Pfeifers, geboren 1947. Der Künstler studierte in Leipzig bei Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer. So recht warm seien die DDR-Funktionäre mit seinen Bildern nicht geworden, erklärt die Galeristin. Zu kalt und abweisend erschienen die Stadtlandschaften und U-Bahnschächte. Und auch in der Ausstellung in der Galerie, wo wiederum Schimären aus Mensch, Hirsch und Vogel das Bild beherrschen, wirkt die Szenerie befremdlich, surreal.

Und auch die Stofftiere, die Christoph Löffler malt, sind seltsam verfremdet. Seine immer gleich inszenierten Plüschtiere sind mit Namen benannt: Norbert, Wolfgang, Marvin, Dennis. Bis zu 19 verschiedene Schichten an Ölfarbe trage der Maler auf, so die Galeristin. Was nicht wirklich ungewöhnlich ist, sondern eher der gewählten Maltechnik entspricht. Ungewöhnlich ist allerdings der persönliche Ausdruck, den die naturgemäß eher leblosen Kinderzimmergesellen erhalten. Jedes Stofftier wird zu einer ganz eigenen Persönlichkeit, vermutlich zu einem Portrait der mit Namen bezeichneten Person. Wie aus einer anderen Welt entsprungen wirken die Spielzeuge.

So entfalten sich letztlich vier ganz verschiedene sonderbare Welten in der Galerie. Es verbindet sie allesamt der Blick ins Innere, in die unauslotbaren Seelenwelten, wie sie nur die Kunst erfassen kann.

Richard Rabensaat

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