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Der Neue. Heinrich von Kleists Preußen-Stück „Prinz Friedrich von Homburg“ ist in Potsdam zu DDR-Zeiten kaum gespielt worden, jetzt kommt es zum dritten Mal seit 1989 auf die Bühne. Den zwischen militärischer Strenge und eigenen Traumwelten hin- und hergerissenen Titelhelden spielt nun Moritz von Treuenfels.

© HL Boehme

Kultur in Potsdam: Offizier mit Todesfurcht

Kleists Preußen-Stück „Prinz Friedrich von Homburg“ wurde geschmäht und instrumentalisiert – und bleibt als Kritik an staatlicher Willkür aktuell. Ein Exkurs in die Geschichte Brandenburgs.

Ein Schlossgarten. Romantisches Mondlicht. Ein Prinz, der unter einem Baum schläft. So beginnt die Geschichte des Prinzen Friedrich von Homburg bei Heinrich von Kleist. In somnambulem Zustand flicht sich Kleists Prinz einen Lorbeerkranz, das Symbol der Sieger in der Antike. Er malt sich seinen Sieg in der bevorstehenden Schlacht aus. Seine Träumereien unterbricht der Kurfürst mit seiner Nichte Natalie. Er entreißt Friedrich den Kranz. Der Prinz erwacht und lässt vor Schreck den Handschuh der Prinzessin mitgehen.

Am Hans Otto Theater war man zu DDR-Zeiten wie überall auf ostdeutschen Bühnen mit Aufführungen des Kleist’schen Stücks sparsam. Man witterte allzu große Preußen-Verehrung. Und man war allergisch gegenüber einem Prinzen, der gegen einen knirschenden Staats-Gehorsam opponierte. Nach 1990 ging das Homburg-Stück zwei Mal über die Bühne des Hans Otto Theaters, so 1999 in einer von ungebremster martialischer Wucht bedachten Inszenierung von Alexander Hawemann in der „Blechbüchse“ am Alten Markt. Robert Kuchenbuch war in der Titelrolle zu sehen. 2007 kam das Stück im Schlosstheater im Neuen Palais in einer relativ unfertigen szenischen Interpretation durch Gisbert Jäkel heraus. Moritz Führmann spielte den Homburg. Nun darf man mit Spannung die Neuinszenierung des Kleist’schen Schauspiels in der Regie des Nestroy-Preisträgers Alexander Charim am morgigen Samstag erwarten.

Kleist hat die Figur für sein letztes Stück (1811) nicht erfunden. Es gab sie tatsächlich. Auch die im Stück vorkommende Schlacht von Fehrbellin ist bedeutender Teil des preußischen Gründungsmythos: Die Schweden wurden hierin 1675 vernichtend geschlagen. Im Dezember 1674 waren schwedische Truppen in die Mark Brandenburg einmarschiert, ein Ablenkungsmanöver, um Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg zu zwingen, seine Truppen vom Oberrhein abzuziehen und dort die französischen Verbündeten zu entlasten. Der reagierte, indem er seine Truppen ins fränkische Winterquartier schickte, um dann im Sommer 1675 die Schweden in Brandenburg zu stellen. Am 28. Juni 1675 trafen bei Fehrbellin die auf dem Rückzug befindlichen Schweden auf die brandenburgischen Truppen. Die Schweden wurden vernichtend geschlagen.

König Friedrich II. machte daraus 1748 in seiner „Histoire de la Maison de Brandenbourg“ Staatspropaganda. Sie handelt von der Milde des Herrschers gegenüber einem jungen Offizier, der ohne Befehl einen Angriff gestartet und mit diesem Ungehorsam zum Sieg beigetragen hatte. Kleist hat die Geschichte wahrscheinlich im vaterländischen Lesebuch des Feldpredigers K. H. Krause gelesen: „Der Prinz Friedrich von Hessenhomburg stand, im Bewusstsein seines Dienstfehlers, in einiger Entfernung und wagte es nicht, seinen Blick zu dem streng gerechten Fürsten aufzuschlagen. Der Kurfürst winkte ihm liebreich, heranzutreten. ‚Wollte ich’, redete er ihn an, ‚nach der Strenge der Kriegsgesetze mit Ihnen verfahren, so hätten Sie den Tod verdient. Aber Gott bewahre mich, dass ich meine Hände mit dem Blute eines Mannes beflecke, der ein vorzügliches Werkzeug meines Sieges war.’“

Kleist dreht diese Szene in ihr Gegenteil und verschärft den Konflikt zwischen Gesetz und Gnade, zwischen Regel und Ausnahme bis zum Äußersten. Die Begegnung des Prinzen mit dem Kurfürsten und seiner Familie erscheint ihm wie ein Traum, von dem er aber einen realen Handschuh zurückbehält. Seinem befehlswidrigen Eingreifen in die Schlacht begegnet der Kurfürst nun nicht, wie auch der Prinz erwartet, mit Milde, sondern mit der Strenge des Gesetzes.

Homburgs Kampf um sein Leben scheint verloren – bis er zur Selbstopferung bereit ist, zur Unterwerfung im Namen des Gesetzes. Erst dann wird ihm sein Leben zurückgeschenkt. Was Kleists Drama über ein Stück nachtschwarzer Pädagogik heraushebt, sind die Reste des Anarchischen und Utopischen, die Risse, Hindernisse und Widersprüche.

Kleist schrieb sein Drama auch im Hinblick auf die Ereignisse der napoleonischen Eroberungspolitik. Er wollte es der Königin Luise widmen, der damaligen „Königin der Herzen“ – die starb jedoch 1810, bevor er sein Manuskript beendete. Nun wurde Prinzessin Amalie Marie Anna, genannte Marianne, die Frau des Prinzen Wilhelm von Preußen, Widmungsträgerin. Die Prinzessin war eine geborene Hessen-Homburg. Doch Marianne hatte ihre Probleme mit der Darstellung ihres Ahnen. Heinrich Heine schrieb 1821 aus Berlin: „Es ist jetzt bestimmt, dass das Kleistische Schauspiel ,Der Prinz von Homburg oder die Schlacht bei Fehrbellin’ nicht auf unserer Bühne erscheinen wird, und zwar, wie ich höre, weil eine edle Dame glaubt, daß ihr Ahnherr in einer unedlen Gestalt darin erscheine. Was mich betrifft, so stimme ich dafür, daß es gleichsam vom Genius der Poesie selbst geschrieben ist.“ Eine gekürzte Fassung zeigte man daraufhin im selben Jahr in Wien. Da war Kleist bereits schon zehn Jahre tot. Bismarck mochte das Schauspiel ebenfalls nicht. Ein preußischer Offizier, der angesichts seines eigenen offenen Grabes von Todesfurcht ergriffen wird, passte nicht ins männliche Soldatenbild.

Das Schauspiel Kleists war immer wieder von Ablehnung und von Begeisterung betroffen. In Berlin führte man es erst 1828 auf. Nach der dritten Vorstellung befiehlt König Friedrich Wilhelm III., dass das „gestern aufgeführte Stück niemals wiedergegeben werden soll“. Erst 1905 wurde es in Berlin wieder aufgeführt. Die Nationalsozialisten instrumentaliserten es für ihre unheilvollen Zwecke.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der „Prinz von Homburg“ auf der Bühne weitgehend entpatriosiert. Heutzutage ist die Rezeption auf den Bühnen weit gefächert. Fest steht jedoch: Die Themen Verantwortung, Schuld, Selbstfindung und die Kritik an staatlicher Willkür werden sich immer durchsetzen.

Premiere am Hans Otto Theater ist am Samstag um 19.30 Uhr. Weitere Vorstellung am Sonntag um 19.30 Uhr

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