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Kultur in Potsdam: Kosmos der Unarten

Als Kostümbildner konnte er nie ganz frei arbeiten. Heute malt Gundolf Foitzik die Welt, wie er sie sieht – meistens ziemlich böse.

Potsdam - Jahrelang hat Gundolf Foitzik für die Bühnen der DDR gearbeitet, hat Kostümentwürfe für Film und Fernsehen geliefert und mit großen Regisseuren wie Harry Kupfer und Walter Felsenstein gearbeitet. Jetzt als Rentner hat er eine andere Bühne entdeckt, eine, die er nicht gestaltet, sondern wo er auf der Zuschauerseite steht. Der Alltag seiner Heimatstadt Potsdam liegt ihm täglich zu Füßen und Foitzik muss nur zugreifen – und zeichnen. Was er sieht, hört und erlebt, packt der 86-Jährige in bissige Zeichnungen: Menschen mit all ihren Schwächen und Peinlichkeiten, verbohrt, gelangweilt oder kleinkariert – ein Kosmos von Figuren, die es sich bequem gemacht haben in ihren Schubladen. So wie Dietmar Wischmeyer, die böseste Zunge der Kolumnisten, schreibt – der Vergleich drängt sich auf – so wettert Foitzik mit seinem Zeichenstift über hemmungsloses Konsumverhalten, dumme Neonazis und grenzenlosen Modewahn, über die verlogene Kirche, spießige Senioren und Mütter in der Selbstaufgabe.

„Er malt immer so böse Sachen“, sagt seine Frau, die bisher die einzige war, die die Momentaufnahmen zu sehen bekam. Jetzt hat Foitzik sein privates Archiv geöffnet und den PNN seine Bildersammlung gezeigt: Hunderte kleine Kunstwerke, Karikaturen wie gezeichnete Schnappschüsse, über skurriles Zwischenmenschliches, das Foitzik im Alltag eingefangen hat. Meistens in Potsdam, aber auch an Urlaubsorten – Entgleisungen, sagt er, finden sich überall. Wenn sie ihm begegnen, dann muss er hinschauen, muss alles aufsaugen, bis es dann zu Hause am Schreibtisch in ein Bild fließt.

„Vielleicht ist das mein wahres Ich“

„Jetzt kommt meine wahre Liebe zum Beobachten raus“, sagt Gundolf Foitzik über diese Wandlung. „Vielleicht ist das mein wahres Ich.“ Denn während seiner Arbeit als Kostümbildner in der DDR sei es oft darum gegangen, die Wirklichkeit im Sinne des Auftraggebers darzustellen und nicht durch kritische oder allzu realistische Details aufzufallen. „Alles musste ästhetisch und schön aussehen“, sagt Foitzik. Vor allem durfte keine politische Botschaft in einem Entwurf versteckt sein. Fiotzik ist immer still gesegelt im Spannungsfeld zwischen künstlerischer Anforderung und politischer Bevormundung. Nicht selten sei Politisches sogar hinein interpretiert worden, wo gar nichts war. „Da hätte ich mir andernfalls viel Ärger einhandeln können“, sagt er.

Dabei sieht er sich gar nicht als Intellektueller, damals wie heute. Eher als Handwerker. Er sei schlecht in der Schule gewesen, es habe nur zu einer Schneiderlehre gereicht, sagt er augenzwinkernd. An die sich freilich ein Studium an der Kunsthochschule Weißensee anschloss. Oft habe er sich den Themen in einer kindlichen Unbefangenheit genähert. Und sehr gerne habe er experimentiert. Für die TV-Serie „Drei reizende Schwestern“ entwarf er in den 1980er Jahren frische, moderne Kostüme, um die DDR-Muffigkeit abzuschütteln. „Die DDR war voll mit kleinkarierten Spießern, da gab es keine Moderne“, sagt Foitzik. Und manches von der Spießigkeit, so scheint es, habe sich bis heute erhalten. Der Unterschied ist, dass Foitzik es heute thematisieren und aufzeigen kann. Dabei wolle er gar nicht unbedingt bissig sein. „Es kommt halt einfach“, sagt er. „Außerdem gibt es nun mal sehr viel Komisches in der Welt.“

Mütter, die sich glücklich wähnen, obgleich eine ganze Horde Kinder auf ihnen rumtrampelt

Und so malt er dicke junge Frauen, unappetitlich bauchfrei gekleidet. Mütter, die sich glücklich wähnen, obgleich eine ganze Horde Kinder auf ihnen rumtrampeln, malt Eheleute, die sich voneinander abwenden und nur noch in Bildschirme, Bildzeitungen oder billige Romane schauen. Die Langeweile der Rentnergeneration hat es ihm angetan, Foitzik platziert die Ruheständler beispielsweise am exotischen Urlaubsstrand, wo sie vor lauter deutscher Selbstverliebtheit nur so strotzen. Oder er malt ein Klassentreffen, bei dem alle diszipliniert und vollständig an der langen Tafel sitzen – als Skelette. Meistens aber sind Foitziks Charaktere übermäßig dick, der Konsumwahn, die wortwörtliche Fressgier, ist ein weiteres Lieblingsthema des Karikaturisten. Adipöse Menschen schieben übervolle Einkaufswagen vor sich her und klammern sich daran fest. Daneben finden sich pummelige Neonazis, die nicht mal wissen, wie man „Doitscher“ schreibt. Auch die katholische Kirche bekommt ihr Fett weg. Ein Würdenträger wandelt mit fromm gefalteten Händen hinter einem jungen Mädchen, sein Gewand ausgebeult durch eine mächtige Erektion.

Zwischen all diesen Bösartigkeiten finden sich aber auch völlig ironiefreie Szenen, wie das romantische Seeufer, das der geübte Potsdamer gleich als die kleine FKK-Badestelle am Heiligen See erkennt – tröstliche Oase in Foitziks Kosmos der Unarten. 

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