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Ganz grün. Grita Götze stellt in der Galerie Kunstkontor Malereien auf Keramik aus – Teller zum Beispiel. Was zunächst wie reines Kunsthandwerk wirken kann, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als erstaunlich kunstfertig, vielschichtig und anspielungsreich. Da kann einem schonmal Dürers „Das große Rasenstück“ einfallen.

© A. Klaer

Kultur in Potsdam: Die Posen des Klassizismus

Die Galerie Sehmsdorf präsentiert die vielschichtigen Keramikarbeiten von Grita Götze.

Potsdam - Auf den Vasen und Tellern von Grita Götze grünt es. Fein ziselierte Gräser, Blumen und Käfer sind hier dargestellt. Im Kunstkontor Sehmsdorf, das sich im Beinamen als „Forum für zeitlose Kunst“ versteht, zeigt die Keramikerin eine Ausstellung, die sich bestens in das Konzept der Galerie einfügt: Kunsthandwerk von künstlerisch und ästhetisch höchstem Rang. Die Objekte von Grita Götze reichen deutlich über das Handwerk hinaus und öffnen einen Blick darauf, wie schön die Welt, die unberührte Natur ist.

„Staunen“ ist der Titel dieser Schau. Zu sehen sind schlanke, glasierte Vasen, von Hand bemalte Teller, aus dem Holz geschlagene Figuren. Im Eingang der malerisch am See gelegenen Galerie finden sich weitere Skulpturen der Bildhauerin: weitere Holzskulpturen und zwei vielblättrige Skulpturen, die einem Baum ähneln. „Parkskulptur mit weißen/roten Blüten“ lautet der Titel. An ihrem Fundament schlängeln sich zwei Eidechsen, die Blüten leuchten aus einem grünen Blätterwald. Die in Vanitas-Stillleben symbolhaft verwendete Echse verknüpft Götze mit dem Lebenssymbol der leuchtenden Blüten und des blühenden Grüns. So bezieht sich die Keramikerin auf die kunstgeschichtliche Tradition des Stilllebens. Ähnliche Bezüge finden sich auch in anderen ihrer Objekte.

Die 1959 geborene und bei Halle aufgewachsene Künstlerin absolvierte zwar zunächst eine Töpferlehre, schloss dann aber ein Keramikstudium bei Gertraud Möhwald an der Hochschule für Industrielle Formgestaltung auf Burg Giebichenstein in Halle ab. Seit 1986 ist sie in einem eigenen Atelier in Halle tätig. Die Verbindung zu anderen Kunstsparten und historischen Werken findet sich an nicht wenigen Stellen im Werk von Grita Götze. So bespielte sie zusammen mit ihrem Mann Moritz Götze im Jahre 2016 das Schloss Wörlitz in Sachsen-Anhalt. „Lady Hamilton“ war der Titel der Ausstellung, „Eros und Attitüde“ das Thema. Die Parkskulpturen waren auch dort zu sehen. Die englische Lady Hamilton galt als schönste Dame ihres Zeitalters, ein Supermodel des Klassizismus, der sich um 1800 auf die griechische Antike zurückbesann. Lady Hamilton, Tochter eines Hufschmieds, schaffte mittels verschiedener Liebschaften den Aufstieg in höchste Adelskreise und arrangierte von ihr konzipierte historische Genrezsenen, mit denen sie frühe Performance-Kunstgeschichte schrieb.

Nun sind einige der Wörlitzer Skulpturen in der Galerie Sehmsdorf zu sehen. Und auch hier wird der Bezug zwischen der Arbeit von Götze und dem historischen Arrangement der Lady erkennbar. „Häufig finden sich Figuren und Posen des Klassizismus in den Arbeiten von Götze“, erklärt auch Galeristin Friederike Sehmsdorf. Ebenso wie bei Lady Hamilton sind auf den Vasen von Götze die Frauen und Mädchen häufig von Schleiern umweht, bewegen sich elegant vor einem nicht näher definierten, unifarbenen Hintergrund und ähneln manchmal dunklen Schattenschnitten.

Was so leichthändig und elegant daherkommt, ist allerdings das Ergebnis intensiver Detail- und Naturstudien und auch genauester Materialkenntnis. Denn die Vasen und Teller werden in mehreren Schichten bemalt, glasiert, gebrannt, wieder bemalt und wieder gebrannt. Wie das Ergebnis am Schluss aussehen wird, lässt sich nicht immer vorhersagen, denn im Brennprozess verändern sich die Farben und Schichtungen. Es bedarf daher erheblicher Kunstfertigkeit. Die Keramik will beherrscht sein. Schön geformte Unikate entstehen, die auch von praktischem Nutzen sein können. „Das sind vorwiegend Schmuckobjekte, aber wir verwenden sie in unserer Wohnung gelegentlich als Obstschalen“, sagt Sehmsdorf. Das schade den Objekten nicht, denn schließlich seien sie härter als manches Porzellan. Die gleiche Kunstfertigkeit der Vasen findet sich auch bei der Bemalung- und Gestaltung der Teller, die Sehmsdorf als Wandobjekte präsentiert. Fein gemalte Gras- und Blumenstücke, Schlafende auf ornamentalen und blumigen Mustern, Schmetterlinge, die sich über einer Blumenwiese erheben. „Das sind Motive, die Grita Götze vor der Haustür findet“, sagt die Galeristin. Mit ihrem Mann und ihren Kindern wohne die Künstlerin außerhalb der Großstadt nahe ländlicher Natur. Diese gebe ihr auch die Ruhe, sich auf ihre Kunst zu konzentrieren.

Bevor eine Serie von Tellern und Vasen entsteht, fertigt Götze genaue Studien von Gräsern und Büschen, Schmetterlingen und Eidechsen. Eine solche Skizze findet sich in der Ausstellung. Bei aller Hingabe zum Detail verliert die Künstlerin aber nicht den Blick fürs Ganze. Denn auch was vordergründig wie eine simpel der Natur abgeschaute Grasnarbe aussieht, erweist sich bei näherem Hinsehen als geschickte künstlerische Konstruktion. Tiefenschärfe, die Betonung einzelner Farbtupfer, der perspektivische Aufbau der einzelnen Halme und Blätter – all das findet sich auf dem so natürlich wirkenden Arrangement. Und es lässt einen unwillkürlich nicht nur an die arrangierten Naturpanoramen der schönen Lady Hamilton denken, sondern an das Meisterwerk dieses Genres schlechthin, „Das große Rasenstück“ von Albrecht Dürer.

Grita Götze, „Staunen“, bis 23. Juni im Kunstkontor Sehmsdorf, Bertiniweg 1 a.

Richard Rabensaat

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