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Koloraturkünstlerin. Die virtuose Sopranistin Julia Lezhneva.

© Simon Fowler/Decca

Kultur in Potsdam: Agil, farbig, halsbrecherisch

Ausnahmesopranistin Julia Lezhneva im Konzert.

Im Sommer 2012 eröffnete Julia Lezhneva mit der Arie „Mi paventi“ die Musikfestspiele – und es war unglaublich, wie locker ihr die fulminanten Koloraturen dieses wahnwitzigen Bravourstücks aus der Kehle flossen. Die junge Sängerin war selbst so fasziniert von dem Barockkomponisten, dass sie mehr über ihn erfahren wollte. Carl Heinrich Graun hatte als Hofkapellmeister für seinen Dienstherrn Friedrich II. fantastische Werke geschrieben, die von den besten Sängerinnen und Kastraten gesungen wurden. Julia Lezhneva begab sich auf Entdeckungsreise in die Berliner Staatsbibliothek, wo die ungedruckten Partituren bis heute ruhen, und studierte sie mit wachsender Begeisterung. So entstand die neuste CD der russischen Sopranistin mit nie zuvor aufgenommenen Arien aus preußischen Hofopern von Carl Heinrich Graun.

Die rasanate Karriere von Julia Lezhneva, die 1989 an der östlichsten Grenze von Russland auf der Insel Sachalin geboren wurde, begann nicht erst mit ihrem kleinen Auftritt bei den Musikfestspielen. Noch als Kind zog sie mit ihren Eltern, zwei Geophysikern, nach Moskau um, setzte dort Chorgesang und Klavierunterricht fort und begann ein Studium an einer Musikfachschule. Erstes Aufsehen erregte sie mit 17 Jahren, als sie den Obratsova Wettbewerb in St. Petersburg gewann. Im Telefongespräch mit den PNN erinnert sich Julia Lezhneva, die gerade in Moskau weilt, dankbar an ihre damalige Förderin, die berühmte Mezzosopranistin Elena Obratsova. Vor dem dritten und letzten Durchgang des Wettbewerbs kam die bereits in der Sowjetunion gefeierte Sängerin zu ihr und gab ihr eine Halskette mit einem Kreuz. Mit dieser Kette gewann Julia Lezhneva tatsächlich den renommierten Wettbewerb, bei dem auch die Opernlegenden Christa Ludwig und Renata Scotto in der Jury saßen. Heute begleitet sie die Kette als unersetzlicher Talisman auf ihren Reisen. Gleich nach dem Sieg öffneten sich für die Nachwuchssängerin viele berühmte Bühnen.

Viel verdankt Julia Lezhneva auch dem Dirigenten und Spezialisten für Historische Aufführungspraxis, Marc Minkowski, der sie unter anderem nach Salzburg und Brüssel brachte. Sie stand an der Seite von Placido Domingo auf der Bühne und arbeitete mit musikalischen Größen wie René Jacobs, Sir Roger Norrington und Giovanni Antonini. Ein dreijähriger Aufenthalt in England, wo sie bei dem großen Tenor Dennis O’Neill studierte, brachte Julia Lezhneva die Bekanntschaft mit der neuseeländischen Opernsängerin Kiri Te Kanawa ein. Das wiederum führte zu einem Auftritt in der Royal Albert Hall in London, was schließlich in einen ersten Plattenvertrag mündete.

Für ihre reine, wohlklingende Stimme und den agilen, farbigen Gesang, mit dem sie die halsbrecherischsten Koloraturen scheinbar mühelos meistert, erhielt Julia Lezhneva bereits viele Preise. Und doch blieb sie eine bescheidene junge Frau, die sehr dankbar für ihre Erfolge ist: „Das Leben hat mir ein Geschenk gemacht“, sagt Lezhneva – und weiß doch, dass die Dinge sich schnell ändern können. „Doch es ist schön, sich überraschen zu lassen, denn es gibt einem Freiheit und Inspiration.“ Das Leben sei wie eine Lotterie, sagt sie. Deshalb möchte sie gar nicht so weit in die Zukunft denken, sondern sich lieber auf Dinge konzentrieren, die unmittelbar bevorstehen.

So wie ihr Solorecital am morgigen Freitag im Nikolaisaal, bei dem sie von den jungen Musikerinnen der La Voce Strumentale unter der Leitung des Violinisten Dmitry Sinkovsky begleitet wird. Das Programm hat sie mit ihrem musikalischen Freund und Mentor Michail Antonenko erarbeitet. Es werden Werke von Händel, Telemann und Vivaldi erklingen – und natürlich auch vom preußischen Hofkapellmeister Graun. B. Kaiserkern

Julia Lezhneva & La Voce Strumentale, am Freitag um 20 Uhr im Nikolaisaal Potsdam, Wilhelm-Staab-Straße 10/11

B. Kaiserkern

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