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Künstler in Potsdam: Menno Veldhuis und die Invasion der Filzpuppen

Menno Veldhuis hat sich in einem gemeinsamen Kunstprojekt mit Simone Westphal neu entdeckt.

Potsdam - Simone Westphal und Menno Veldhuis haben einen Club gegründet, den „Post Mortem Felted Club“. Es lässt sich schwer übersetzen – vielleicht mit „Postmortaler Filzclub“ – hat aber etwas mit früh verstorbenen Künstlern zu tun, die mit Filzpuppen nachgebildet wurden und nun Potsdam besiedeln. Im Museum Barberini tauchen sie auf, auf freiem Feld in brennender Sommerhitze, im Kunstraum Waschhaus, im Kunstverein Kunsthaus. Aus einer beiläufigen Idee hat sich ein Projekt entwickelt, das den Kunstbetrieb, seine Mechanismen und Wirkungsweisen und auch das persönliche Schicksal der Künstler widerspiegelt. „Die Leute schauen schon manchmal befremdet, wenn ich in der Straßenbahn mit Nadeln auf eine Filzpuppe einsteche. Ich versichere dann, dass ich trotzdem keine Hexe bin und das kein Voodoo ist“, sagt Simone Westphal. Sie stellt die Puppen her. Meist im Atelier, manchmal auch auf dem Weg dorthin. Die 1971 in Trier geborene Künstlerin lebte nach ihrem Kunststudium einige Zeit in den USA. Dort erlernte sie verschiedene Techniken, mit Papier zu arbeiten. „Eigentlich bin ich Malerin, aber die Arbeit mit verschiedenen Materialien und jetzt auch mit Filz, reizt mich sehr“, sagt Westphal.

Als Menno Veldhuis im Rechenzentrum im Atelier von Westphal im Herbst 2017 eine Filzpuppe auf dem Boden liegen sah, hatte der Künstler eine Idee: ein Alter Ego aus Filz. Es war ein neuer Anfang. Denn im Jahre 2015 ereilte den 1974 im holländischen Groenlo geborenen Maler ein Schlaganfall. „Es fühlte sich erst an wie ein schwerer Kater, aber dann war es doch viel schlimmer“, beschreibt Veldhuis das Gefühl, mit dem er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Sein Gesichtsfeld war beschnitten, die Motorik beeinträchtigt. Einfache Bewegungsabläufe mussten wieder mühsam erlernt werden. Aber Veldhuis lächelt: „Es war auch ein Glück. Es haben sich mir so neue Möglichkeiten eröffnet.“ Möglichkeiten, an die er zuvor nicht gedacht hatte, oder die er nicht ohne weiteres mit der gleichen Intensität verfolgt hätte.

An Malen war zunächst einmal nicht zu denken. Die Künstlerexistenz, die er sich bis zu dem Zeitpunkt aufgebaut hatte, brach zusammen. Dabei war es nicht das erste Mal, dass ein künstlerischer Neuanfang gemacht werden musste. Denn der expressive Malstil, der das Bild der Werke von Veldhuis bis dahin prägte, war hart erkämpft. Nachdem er sein Studium an der Constantijn Huygens Kunsthochschule Kampen/Holland 1999 abgeschlossen hatte, kamen Zweifel auf, ob die Malerei nun wirklich das richtige für ihn sei. Also begann er ein Studium der Kunstgeschichte in Utrecht, wusste dann aber sehr bald, dass er seine Welt eher in den Bildern, als in den Wörtern finden wollte. „Ich will das meistern, einen Stil, einen Duktus entwickeln“, habe er sich damals vorgenommen, und wieder begonnen, an der Leinwand zu stehen, Bildentwürfe und Skizzen angefertigt.

Nie einfach und gefällig

2004 kam Veldhuis nach Potsdam. Die Stadt Berlin mit ihrer aufblühenden Kunstszene reizte und die Beziehung zur damaligen Freundin gab den Ausschlag. Als dann ein Freund dem Künstler ein Atelier vermittelte, stand fest, dass Veldhuis in Potsdam Fuß fassen wollte. Das gelang mit einer Malerei, die nie einfach und gefällig sein wollte, sondern schwierige Themen aufgriff und diese mit teilweise ruppigem Strich auf die Leinwand bannte. Es entstanden Bilder mit Titeln wie Thanatos, Soldaten. Leiber von Kriegern kollidieren auf den Bildern, Gerippe hingen in Drähten, ein Totenschädel dominierte das Szenario einer Atelierszene.

Und Van Gogh. Der holländische Maler, der sich 1890 im Alter von 37 Jahren das Leben nahm, wurde für Veldhuis zur Identifikationsfigur. Was nahe lag. War doch die Malerei auch Van Gogh keineswegs in den Schoß gefallen, sondern immer wieder von ihm hart erkämpft worden. Als die Salonmaler seiner Zeit mit leichtem Strich spärlich bekleidete Nymphen und Götter in bacchantischen Szenen auf der Leinwand erscheinen ließen, wollte Van Gogh ganz andere Bilder. Und wurde so zum Vorläufer der Expressionisten. Bei Van Gogh lugte der Tod häufig um die Ecke. Die Raben, die auf dem wahrscheinlich letzten Bild des Holländers über das Feld flattern, haben auch ihren Weg zu Veldhuis gefunden. Der malte sein rothaariges Vorbild ebenfalls mit einem Raben auf der Schulter. Weitere Bilderserien entstanden: von Mähdreschern, von Wäldern, von Fenstern.

Eine gescheiterte Beziehung und ein Schlaganfall

Als 2013 eine Beziehung zerbrach, sah sich der Maler im buchstäblichen Sinne zu Boden gedrückt. Es folgte eine Serie von Fotos. Schnell inszeniert und meist mit dem Smartphone geschossen: „Back to nature“. Der Körper des Künstlers liegt bei mehr als 150 Fotos auf dem Boden, der Kopf steckt in einem Kieshaufen, in einem Heuhaufen, im Loch, einer Steinwand. Es war eine Form der Rückbesinnung auf die unmittelbare Umwelt, so der Künstler. Und dann kam der Einschnitt, der Aufenthalt in Krankenhaus und Rehaklinik. Was folgte war die intensive Auseinandersetzung mit der Endlichkeit, dem möglich erscheinenden Abschied. Auf dem Foto „The unknown Painter“ ist eine Reihe von Grabsteinen zu sehen, auf denen der Schriftzug eingraviert ist. Im „Dialog“ aus dem Jahre 2016 unterhalten sich zwei Totenschädel. Und wieder Van Gogh.

Mit einem Schauspieler inszenierte Veldhuis eine Fotoserie, in der sein Alter Ego, gekleidet wie aus dem vorvorigen Jahrhundert, sich mit verinnerlichtem Blick durch Gestrüpp und Wälder bewegt. Dort kamen dann auch die Filzpuppen ins Spiel: eine der ersten Arbeiten hatte das Antlitz des verstorbenen Malers. Unmittelbar nach seinem Schlaganfall war Veldhuis das Buch einer Ausstellung in die Hände gefallen, in der früh verstorbene Künstler portraitiert wurden. Der Gedanke daran tauchte wieder auf. So entstanden in Zusammenarbeit mit Simone Westphal Filzpuppen von Frida Kahlo, Jackson Pollock, Anna Mendieta und vielen anderen Künstlern, die keine 50 Jahre alt wurden. Fotos der Puppen und zeichnerische Vorstudien sind nun im Kunstraum zu sehen.

Auf den Fotos bewegt sich der Postmortale Filzclub durch Stadt und Landschaft. Und der Club zieht weiter. „Wir wollen weiter als Potsdam und Berlin“, sagt Veldhuis. Auch an die Malerei wolle er sich bald wieder heran wagen.

» Werke von Menno Veldhuis sind bis Sonntag, 17. Februar 2019, im Kunstraum, Schiffbauergasse, zu sehen. Am Samstag ab 19 Uhr gibt es dort eine Abschiedsfeier von den Künstlern aus dem Rechenzentrum.

Morgen eröffnet im Kunsthaus, Ulanenweg 9, die Ausstellung „Kein Thema 3|2“ auch mit Werken von Veldhuis

Richard Rabensaat

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