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Kultur: Kosmosklänge

Wandelkonzert auf dem Telegraphenberg – wer zu spät kam, musste draußen bleiben

Wandelkonzert auf dem Telegraphenberg – wer zu spät kam, musste draußen bleiben Wissenschaft ist Präzision, jedoch auch Pünktlichkeit. Sogar in Sachen Kunst. Wer am Samstagabend beim „Wandelkonzert“ auf dem Telegraphenberg zu den Kurzveranstaltungen im „PIK“ oder „AWI“ nur etwas später kam, fand einen Wächter an der Tür. Kein Einlass mehr im Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung oder dem Alfred-Wegener-Institut, wie bei geschlossenen Veranstaltungen. Wollte man trotzdem warten, konnte man dem Spiel eines Akkordeonisten und eines behuteten Stehgeigers zuhören, die vom „Donauwalzer“ bis zur Titelmelodie aus „ Dr. Schiwago“ hübsche Klänge gaben: „Weißt du, wohin?“ – oder so ähnlich. Dabei waren die hehren Häuser von Geodäsie, Klimaforschung, der Große Refraktor oder das AWI dem etwa tausendköpfigen Publikum sehr wohl geöffnet, es gab gutbesuchte Führungen, glücklicherweise auch eine Freiluft-Bühne am Einstein-Turm, wo man bestenfalls geduldige und auskunftswillige Helfer fand, Wächter keine, klar. „Die haben halt ihre Philosophie, und das Publikum muss damit zurechtkommen“, hörte man unmutsvoll am Wegesrand. Wohin also? Einige Veranstaltungen wie die „Ursonate“ oder Klaus Büstrins heitere Lesung aus Saint-Exuperys „Der kleine Prinz“ wurden zwar wiederholt, aber man brauchte dennoch einiges Geschick, die Angebote so zu fädeln, dass man nichts versäumte. Wehe, wer beim Wandeln oder Hetzen versagte – kein Einlass mehr... Die Musikfestspiele hatten innerhalb des Einstein-Jahres zu einem opulenten Sonderkonzert geladen. Besuch von allen Völkern Deutschlands, auch fremde Zungen wurden gehört. Moderate Preise, eine fast dezente Versorgung mit Speis und Trank. Busse shuttelten zwischen Schwimmhalle und dem Eingang zum Wissenschaftspark hin und her, alles bestens. Man hatte mit „Sternenmusik – Klingender Kosmos“ ein sehr kluges Programm aus Tradition und Moderne zusammengestellt, das zeigte, wie sich Erkenntnisse der Wissenschaft in den Künsten spiegeln. „Kosmische Tänze und Spiele“ von Crumb, Kurtág, Messiaen und Eötvös eröffneten den Sternenreigen auf der Freiluftbühne, schöne, oft stille Klänge, von den wunderbaren Pianisten Andreas Grau und Götz Schumacher auf zwei Flügeln gegeben. Man staunte, wie diese Musik der Neuzeit das unruhvolle Wandeln der Gäste befriedete. Beide Künstler gestalteten auch das Abschlusskonzert. Bei „Ave Maris stella“, einem vom Wege her viel bewunderten Gastspiel des Ensembles Triphonia in der Rotunde des PIK war auch beim zweiten Anlauf kein Erfolg. Viel zu klein der Raum, die Leute saßen, standen, konnten weder vorwärts noch zurück, schade, man hätte diese „Musikalische Wanderung durch das Mittelalter“ zu gerne gehört. Warum keine Bühne im Freien, bei solch prachtvollem Wetter? Dafür war mit der Reise des „Kleinen Prinzen“ zu den Asteroiden auch die 100 Jahre alte Bibliothek in der Geodäsie zu bewundern, aufs Schönste dem Renaissance-Stil nachempfunden. Roland Bertelmann führte Zufrühkommer sachkundig in die Geschichte dieses Hauses ein. Sehr guter Besuch. Wie auch bei Schwitters „Ursonate“ im Atrium des Alfred-Wegener-Instituts. Meist hört man diesen kernig-launischen Text nur solo, hier hatten die „Schwindlinge“ Silke Egeler-Wittmann, Thorsten Gietz und Martin Ebelt einen szenisch-musikalischen Zugriff gewählt, originell und alles nur per Stimme. Ganz wenige wandten sich von diesem modernistischen Faszinosum kopfschüttelnd ab. Zeitlich fast parallel, drang durch Eichen und Gebüsch die „Klanglandschaft Erde“ (Wolfgang Loos) und weitere Performances von Einsteins Turm herüber. Eine Stunde vor Null gab es kein Wächterproblem mehr. Open Air erlebte man am Haupthaus des PIK „Zwischen den Welten“, eine höchst geräuschvolle Skulpturen-Schöpfung. Chris Hinze sägte zu den Klängen von Tilman Fürstenau (Cello), Lars Neugebauer (drums) und Jo Fabians Lichtprojektionen aus einem 270-Kilo-Eisblock einen Kopf hervor. Der Sound war laut und elektronisch, das Instrument des Künstlers eine martialische Kettensäge. Fluoreszierende Knickröhrchen wiesen im Dunkeln den Weg. Man sah es flimmern an Schuh oder Knopfloch, in den Haaren. Am Wege hatte man mit den grünen Dingern sogar Einsteins Wunderformel gelegt: ein Bub berichtigte den Vater: „Das heißt nicht m-c-Quadrat, sondern m mal c-Quadrat!“ Mitternachtens traf man sich zum Abschlusskonzert an der Bühne. Turm und Bäume waren farbig angestrahlt, sternklar stand ein dreiviertel Mond darüber. Mit einem „Nocturne“ von Chopin und, na klar, der „Mondscheinsonate“, klang der kosmische Abend pünktlich und stimmungsvoll aus. Retour per Shuttle dann zur Erde.

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