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Konzertkritik: Die Geister, die sie riefen

Ausverkaufes Haus in Potsdam: Das Hamburger Duo Schnipo Schranke spielte im Waschhaus.

Potsdam - Es gibt Songs, die bleiben einfach hängen – weil sie schräg sind, einen Ohrwurm-Charakter haben und einfach aus dem Rahmen der üblichen Popmusik purzeln. Ganz genau so wie beim Hamburger Duo Schnipo Schranke, das am Freitag im Waschhaus spielte: ein ausverkauftes Haus dank der beiden Songs „Cluburlaub“ und „Pisse“, die sich in den vergangenen beiden Jahren ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben.

Man kann sich ja kaum vorstellen, wie anstrengend das für die Band sein muss, wenn in jeder Pause zwischen den Titeln ein Chor anhebt und brüllt: „Flatrate an der Cocktailbar“ – eine dumpf wabernde Ballermann-Stimmung quasi, die sich den perfekten Saufsoundtrack herbeisehnt. Dabei ist „Cluburlaub“ ziemlich genau das Gegenteil eines hedonistischen Singalongs: Doch die Metapher aus Flucht und Verzweiflung bleibt unerkannt, wenn der Fokus auf dem Refrain ruht. Das ist aber auch der Band selbst geschuldet, die sich stilistisch eines Rückgriffes auf die Neue Deutsche Welle bedient, einer Inszenierung der Biederkeit mit feministischen Idealen – optisch irgendwo zwischen Pyjama und Zwangsjacke, seichtes Keyboard-Geplänkel trifft auf profunde lyrische Schwere.

Der Bass dröhnt zu viel weg

Und leider dröhnt der Bass an diesem Abend viel zu viel weg – die Kokettierung mit dem Dorfdisko-Krawall geht nach hinten los. Was nützen die besten Texte, wenn man sie in ein Korsett aus dadaistischer Bierzeltmusik presst. Genauso überfordert präsentieren sich dann letztlich Schnipo Schranke selbst, wenn der angetrunkene Chor in jeder Verschnaufpause wieder anhebt, den Refrain von „Cluburlaub“ zu grölen: Rauswerfen kann man die Nervbacken nicht, schließlich haben sie Eintritt bezahlt, Interpretationshilfen kann man aber auch schwerlich anbieten. Das Konzert zu einer dieser absurden Schlagerpartys werden zu lassen, das hat Schnipo Schranke auch nicht vor. „Irgendwie seid ihr ja süß“, bleibt da als Charme-Offensive – doch der Spaß ist vorbei, als ein Song abgebrochen wird, um eine Streiterei im Cluburlaub-Chor zu schlichten. Keine Frage: So hatte man sich diesen Abend bestimmt nicht vorgestellt.

Blöd halt, wenn man so viel Energie investiert, sich dem popkulturellen Habitus zu verweigern, um letztlich genau ein Opfer desselben zu werden. Vielleicht sollte Schnipo Schranke aber auch ein wenig vor der subjektiven Monotonie zurücktreten, vor der schlagerhaften Seichtigkeit, die eben auch dazu führt, dass die Inhalte vernebelt werden. Und gerade die sollten sich mehr in den Vordergrund drängen. So bleibt an diesem Freitagabend eben nicht mehr als ein schaler Beigeschmack eines beliebigen Popkonzertes zurück. Verdient hat die Band das jedenfalls nicht.

Oliver Dietrich

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