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Konzertbesprechung: Spaßige Pausen, spielerisches Haschen

Beglückender Telemann im Havelschlösschen

„Die Geige mit den Knochenwirbeln ist auch da!“, ruft Tilman Muthesius wohlgemut in die dichten Zuhörerreihen im kleinen Saal des Havelschlösschens. „Telemann in Paris“ lautet der Titel des Konzerts mit dem ensemble fiorentina in der Besetzung Flöte, Geige, Cello und Cembalo. Gespielt wird – wie üblich an diesem stimmungsvollen Ort in Klein Glienicke – auf historischen Instrumenten.

Dazu gehören auch die weißlichen Wirbel an der bejahrten Violine, die von Tilman Muthesius, einem Spezialisten für historische Saiteninstrumente, angefertigt wurden. Wenn sich die Ohren darauf eingestellt haben, kann die historisch informierte Musizierpraxis durchaus überzeugen – bei diesem kurzweiligen Konzert passiert das ganz schnell. Georg Philipp Telemanns ingeniöse Quartette ziehen auch heute noch in ihren Bann und man fragt sich, warum dieser Komponist viele Jahre lang nicht einfach nur vergessen, sondern auch verschmäht wurde.

Dabei war er – anders als sein Zeitgenosse Johann Sebastian Bach – schon zu Lebzeiten europaweit berühmt. Bei einem acht Monate währenden Aufenthalt in Paris im Jahr 1737, spielte Telemann in den berühmten Concerts spirituels und erhielt sogar ein Privileg des Königs, das ihm erlaubte seine Kompositionen in Paris zu publizieren. Kaum ein anderer Komponist prägte den sogenannten Vermischten Geschmack, eine musikalische Melange aus italienischem, französischem und anderen Nationalstilen so sehr wie Telemann.

Seine zu Beginn erklingende Sonate A-Dur erweist sich formal als italienische Kirchensonate, besitzt aber schon die harmonischen Freiheiten und lockeren Wendungen der galanten Musik. Wie originell, kraftvoll und hochmodern Telemann zu komponieren wusste, zeigt sich besonders an der zum Abschluss gespielten Quartett-Suite e-Moll. Ihre sechs Sätze enthalten in Miniaturform die musikalische Avantgarde ihrer Zeit ebenso wie die Essenz von Telemanns Kunst. Spaßige Pausen im ersten Satz, spielerisches Haschen und Jagen, graziöse Gesten und tänzelnde Sprünge prägen die folgenden Sätze, die an französische Rokokogemälde von galanten Festen erinnern. Kurioser Humor färbt wiederum den vorletzten Satz, während das Finale im Stil einer feierlichen Chaconne mit sinfonischen Klängen aufwartet und alle Instrumente gleichberechtigt auftreten lässt.

Berühmte Musiker wie der Flötenvirtuose Michel Blavet hatten Telemann nach Paris eingeladen. Blavets Flötensonate D-Dur op. 1 erweist sich als luftig-leichte, von zierlichen Tongirlanden umrankte, charmante Petitesse. Dem gibt die Flötistin Amanda Markwick auf ihrer wundervoll weich und warm klingenden Traverso kongenialen Ausdruck, während Wolfgang von Kessinger auf der Violine dezent und klangschön sekundiert.

In Paris pflegte man auch bereits das Spiel auf dem Violoncello. Daran erinnert die Sonate II in fis-Moll von Jean-Baptiste Barrière, ein vollreifes, hochvirtuoses Schwergewicht. Was bei Blavet als niedliches Larghetto erscheint, wird hier zum ergreifenden Largo entschleunigt, mit durchgehendem Bass und zweistimmigem Spiel in Doppelgriffen. Auf ihrem sonoren Barockcello meistert Petra Kiessling die hohen Ansprüche dieser Sonate bravourös. Die facettenreichen Klangspiele federt Sabina Chukurova auf dem Cembalo mit soliden, filigran gewirkten Netzen ab. Begeisterter Applaus dankt dem Ensemble für ein formidables Konzert. 

Babette Kaiserkern

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