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Kultur: Konzept Kunst

Die neuen kulturpolitischen Konzepte scheinen, kaum beschlossen, punktuell schon obsolet

Der Name lässt nicht gerade aufhorchen – und die Inhalte taten es bislang auch nicht wirklich. Kulturpolitische Konzepte, das klingt nach einem langem Prozedere und trocknem, geduldigem Papier, vollgeschrieben mit Verwaltungsdeutsch. Doch was letztlich zählt: Sie werden die Messlatte sein, die angelegt wird, um die Kulturpolitik in den kommenden Jahren zu bewerten.

Die Potsdamer Stadtverordneten haben vor Kurzem nach einem monatelangen Prozess die kulturpolitischen Konzepte der Stadt verabschiedet und geben damit nun einen Rahmen vor. Vor zehn Jahren noch umfassten die Konzepte einen Zeitraum von bis zu vier Jahren, waren ein dickes Bündel Lesestoff, inzwischen werden sie alle zwei Jahre fortgeschrieben. Das aktuelle gilt also ab dem kommenden Jahr bis 2020. Dem vorausgegangen ist ein Dialogprozess mit mehr als hundert Beteiligten der städtischen Kulturszene. Allein dadurch gewinnt so ein Papier an Gewicht, denn wann, wenn nicht für die kulturpolitischen Konzepte, sitzen alle an einem Tisch?

Gerade mal zwölf Seiten umfasst das Ergebnis. Gut lesbar immerhin, aber ob sich da alle Akteure wiederfinden, bleibt fraglich. So gab es auch im Vorfeld deutliche Kritik im Kulturausschuss an dem schlanken Text: Potsdams kulturpolitische Konzepte könnten für jede beliebige Stadt gelten, hieß es. Nachdem die Verwaltung nachbesserte, sind nun deutliche Konturen, sprich Prioritäten zu erkennen.

An oberster Stelle steht die kulturelle Bildung. Jenes Schlagwort, das für alles herhalten muss, was irgendwie Kultur vermittelt. So fordern auch die Verfasser, den Begriff zu klären und abzugrenzen. Ein Großteil der Kulturakteure, konstatiert das Paper, sei auf dem Gebiet der kulturellen Bildung aktiv. Wer was in dem Bereich macht, auf welche Angebote Schulen zurückgreifen könnten, darüber gibt es in Potsdam bislang keine Übersicht, geschweige denn ein Qualitätsstandard oder ein Siegel für die Angebote. Bislang, so heißt es in dem Papier, werde kulturelle Bildung häufig als zusätzliche Aufgabe ohne gesondertes Budget umgesetzt. Mit der Folge, dass Personal damit überlastet sei. Was fehlt, ist also eine strukturelle Verankerung. Die Stadt, so steht es kurioserweise im Konzept, will deshalb in Auftrag geben, dass ein Konzept erarbeitet wird. 60 000 Euro würden für die kulturelle Bildung benötigt, heißt es.

Hermann Voesgen, Professor für Kultur, Projekt- und Kulturarbeit an der Fachhochschule Potsdam und als sachkundiger Einwohner für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen Mitglied im Kulturausschuss, lobt den Ansatz, die kulturelle Bildung zu stärken. Doch sollte die Stadt vor allem auf die eigene Expertise zurückgreifen. Zumal es bereits Beispiele für gelungene Kulturarbeit innerhalb der Stadt gibt. „Wir müssen von Drewitz lernen.“ Die Arbeit der Kammerakademie Potsdam im Ortsteil und des Stadtteilzentrums Oskar sei vorbildlich. Die Verankerung von kultureller Bildung wünscht er sich auch in anderen, vor allem den neu gebauten Stadtteilen. „Die Schulen werden jetzt gebaut, wenn wir die kulturelle Bildung nicht bereits beim Bau der Schulen berücksichtigen, ist es zu spät.“

Oberste Priorität gilt in den kulturpolitischen Konzepten, wie auch bereits in den Jahren zuvor, auch der Schiffbauergasse. Sie soll zu einem internationalen Kunst- und Kulturquartier weiterentwickelt werden. Zwar erscheint das Ziel inzwischen fast obsolet, spätestens seit dem Vorstoß der Künstlergruppe Ars Armendi, die den Langen Stall in der historischen Mitte als Kunst- und Kreativort bevorzugt. Kulturamtsleiterin Birgit Katherine Seemann sieht darin aber keinen Widerspruch, denn die Konzepte seien nur der Rahmen, „keine starre Konstruktion“. Aktuelle Entwicklungen würden unabhängig davon aufgegriffen, sagt sie.

Für viele, meist bildende Künstler, ist dennoch die Schiffbauergasse keine Alternative zum Rechenzentrum. „Die Kunst gehört in die Mitte der Stadt, nicht an den Rand“, sagt der Fotograf Peter Jaworskyi, der bei Ars Armendi mitwirkt. Und der Maler Olaf Thiede schlägt eine Trennung der Sparten vor: die Kreativarbeiter, „die, die Lärm machen“ an die Schiffbauergasse, die bildenden Künstler, wegen des größeren und dringend benötigten Publikumsverkehrs, an den Langen Stall.

Auch Hermann Voesgen kann sich vorstellen, dass ein Teil der Künstler des Rechenzentrums am Tiefen See Quartier erhält. Was aber zuvorderst fehlt und darum weiß auch die Verwaltung in ihrem Konzept, ist ein professionelles Kulturmanagement an dem Standort. Derzeit wird die Schiffbauergasse vom Fachbereich Kultur und Museum der Landeshauptstadt betreut. Keine gute Lösung, findet Voesgen. Denn die Kapazitäten reichten angesichts der fachlichen Herausforderung Schiffbauergasse einfach nicht aus. Immerhin, räumt er ein, der Standort habe Fortschritte gemacht. Doch könnte er noch vielfältiger und lebendiger sein. Doch Räume für Kreativindustrie, Co-Working Space fehlten. Fest steht aber für Hermann Voesgen wie auch für die Stadt: Freischaffende Künstler tun der Stadt gut, brauchen aber günstige Arbeitsbedingungen – und müssen subventioniert werden. Für dieses und kommendes Jahr wurde das Budget der Schiffbauergasse, insbesondere für das Kulturmanagement, um 300 000 Euro erhöht.

Interessant und durchaus lobenswert ist, wenn auch nicht oberste Priorität, dass die Kulturverwaltung selbst Veränderungsbedarf im eigenen Haus sieht. Förderzusagen sollen früher getroffen werden, die Fördermittelentscheide sollen transparent und nachvollziehbar gemacht werden. Etwa mit dem Open Government Data, einem Konzept, das der Stadt seit einem Jahr vorliegt und sich im Aufbau befinde. Hier hat sich die Verwaltung sozusagen fast selbst überholt: Bereits in diesem Jahr hat sie ihr künftiges Soll schon erfüllt.

Wohl am interessantesten ist an einem Konzeptpapier allerdings das, was nicht drinsteht. Der Umgang mit den großen Häusern etwa: Das Hans Otto Theater und der Nikolaisaal – sie kommen, wie in den vergangenen Jahren, nicht vor. Eine sehr strukturkonservative Haltung, die die Diskussion scheut, meint Voesgen. Genau damit aber werde sich Potsdam beschäftigen müssen: Wie sieht zeitgemäßes Stadttheater oder ein Konzerthaus in einer Stadt, die zu einer Metropolenregion gehört, eigentlich aus? G. Weirauch

G. Weirauch

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