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Feines Blech. Nathan Plante mit seiner Piccolotrompete. Der Amerikaner ist eines der 33 Mitglieder der Kammerakademie Potsdam und somit Gesellschafter der Orchester-GmbH. In Deutschland gibt es nur sehr wenige selbstbestimmte und -verwaltete Orchester.

© A. Klaer

Köpfe der Kammerakademie Potsdam: Verliebt in die Kleine

Nathan Plante lernte in einem Highschool-Orchester in den USA Trompete. Seit 2013 gehört er zur Kammerakademie Potsdam. Am Sonntag ist er in einem Konzert mit Barockmusik zu erleben.

Seine erste Orchestererfahrung: ein Handglockenensemble in der Kirche. Nathan Plante ist fünf Jahre alt und kann noch keine Noten lesen. Die alten Damen malen mit bunten Stiften auf’s Blatt, wann er dran ist. Linke Hand, rechte Hand. „Mitglied in einem Orchester zu werden hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm“, sagt Nathan Plante über seinen Weg von damals zur Kammerakademie Potsdam. Der 35-jährige Trompeter ist seit 2013 Mitglied des Potsdamer Orchesters. Am morgigen Sonntag ist er in der Reihe „Kammermusik im Foyer“ zu erleben.

Zur Kammerakademie kam er, weil er auf einer Tournee aushalf. „Das Miteinander, diese Art, dass alle völlig dabei und engagiert sind, dass sich hier niemand bis zur Rente ausruht, das fand und finde ich toll“, sagt Plante. Damals beschäftigte er sich vor allem mit zeitgenössischer Musik. In der Kammerakademie habe er seine alte Liebe für das klassische Repertoire wiederentdeckt, sagt er. Er blieb also in Potsdam. Ein Zufall, ein Glücksfall. Musikerbiografien verlaufen selten in geordneten Bahnen, man muss flexibel sein. „Ich glaube, in ganz Europa sind zurzeit fünf Solotrompeter-Stellen ausgeschrieben“.

Plante stammt aus Kalifornien in den USA. Zu Hause im Wohnzimmer steht damals ein Klavier, die Mutter spielt Weihnachtslieder. Für amerikanische Verhältnisse sei das schon besonders gewesen, denn so wie in Deutschland Musik gefördert wird, von Angeboten in der Kita bis zu subventionierten Konzertkarten für jedermann, das gibt es nicht in den USA. „Das ist schon toll hier“, sagt Plante.

Als Elfjähriger lässt er sich für’s Schulorchester werben. Klarinette findet er gut – und entscheidet sich dann doch für Trompete. „Die hatte nur drei Tasten, das schien mir einfacher“. Er lacht. „Das war natürlich ein Irrtum.“ Er aber hat ein Talent, das raus will, schon in der ersten Probestunde hört er: Du kannst das! Überhaupt, das Orchester. Ja, es sei wie in der Cartoon-Serie „Die Simpsons“, in der das Schulorchester immer schief und schlecht spielt. „Aber man macht was zusammen. Das ist so wichtig.“ Seine Schule legt immerhin besonderen Wert auf musikalische Angebote, er erlebt guten Musikunterricht – und wie zu Hause die Eltern am Abendbrottisch regelmäßig über ihre Jobs jammern. „So unglücklich wollte ich nie sein.“ Er fragt sich: Kann man Musik machen und dafür bezahlt werden?

Er macht seinen Bachelor of Music am San Francisco Conservatory of Music, nebenbei belegt er einen Deutschkurs. Das ist später der Baustein, der ihn nach Deutschland führt. „Ich wollte die Welt sehen.“ Er geht nach Berlin an die Hochschule für Musik „Hanns Eisler” und macht dort 2007 seinen Abschluss. Bis er zur Kammerakademie kommt, ist er Solist und Ensemblemusiker in der freien Szene. Die Arbeit in Potsdam lässt ihm Freiraum, das nicht aufgeben zu müssen. Er spielt weiterhin regelmäßig als Gast in verschiedenen Ensembles mit dem Schwerpunkt Neue Musik, ist an Uraufführungen und Aufnahmen beteiligt.

Um die zeitgenössischen Komponisten zu unterstützen, gründete er 2012 seinen eigenen Verlag. „Edition Plante“ verlegt Musik des 21. Jahrhunderts, zum Beispiel von Arne Sanders und Gerhard Stäbler. Ihm gefällt die enge Zusammenarbeit mit Komponisten. Das ist hilfreich für beide Seiten. Manchmal muss er praktische Tipps geben, aus Trompetersicht. „Man kann eine Trompete nicht durchweg einsetzen und spielen lassen“, sagt er. „Irgendwann brauchen die Muskeln eine Pause.“ Die barocken Komponisten haben das berücksichtigt, sie spielten meist selbst mehrere Instrumente, Komponist und Musiker, das war eine Symbiose. Stücke wie das Zweite Brandenburgische Konzert, atemberaubend für jeden Trompeter, sind die gefürchtete Ausnahme. Hat Plante aber auch schon gespielt. „Sehr hoch und fast ohne Pausen. Das ist schwer.“

Ob überhaupt ein Ton aus der Trompete kommt und wie er klingt, hat mit der Lippenspannung zu tun, wie die Lippen vibrieren, in welcher Geschwindigkeit die Luft strömt. Man muss gut hören können und wissen, wie es klingen soll. „Wenn man Trompete lernt, klingt es anfangs sehr grottig und das sehr lange“, sagt er. Seine Eltern haben ihn damals aber immer unterstützt.

Die moderne Trompete hat einige Vorläufer. Bis um 1830 gab es nur Naturtrompeten, mit denen man zwar Akkorde aber keine chromatischen Tonreihen spielen konnte. Erst in der Obertonreihe war das möglich. Im 18. Jahrhundert baute man deshalb die ersten Klappentrompeten mit denen man Melodien spielen konnte, aber den historischen Naturton beibehielten. Die heutigen, modernen Instrumente haben Ventile und werden in der Regel durchweg für Klassikwerke eingesetzt. Im Konzert am Sonntag wird Plante die Piccolotrompete spielen. Ein Kompromiss. Die Kleine kann die hohen Triller, die Corelli einst für Naturtrompete komponiert hat, sauberer und leichtgängiger.

Grundsätzlich ist die Trompete pflegeleicht. Sie ist robust, leicht zu transportieren und vergleichsweise günstig. „Für 3000 Euro bekommt man schon ein ordentliches Instrument.“ Ab und zu wird sie auseinandergenommen und in der Badewanne gereinigt. Zur Wartung geht es zum geschätzten Trompetenbauer Martin Schmidt in Potsdam. Jedes Instrument hat seine Eigenheiten, keins ist komplett stimmig. Man lerne mit der Zeit die Macken seiner Trompete kennen und gleicht diese dann automatisch aus, sagt Plante. Was für ein Drama, als er vor Jahren eine Trompete in der S-Bahn stehen ließ. „Es war schrecklich, ich habe sie nie wieder gesehen“, sagt Plante mit Wehmut.

Corelli ist auch gefühlvoll. Schwebend, schleppend, fanfarisch oder leichtfüßig begegnen sich Violinen, Cello, Continuo und Trompete. Das Stück, mehr als 300 Jahre alt, macht Plante plötzlich ganz rührselig. „Ich sehe zwei 15-Jährige beim ersten Date in einem romantischen Garten, und keiner traut sich, was zu sagen.“

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