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Kleiner Ort mit großer Wirkung: Der Stechlinsee im Norden Berlins.

© dpa

Kultur: Knotenpunkte der Geschichte Das Lepsiushaus zeigt den Film „Der Stechlin“

Von manchen Orten geht ein merkwürdiger Mythos aus. Nicht immer sind das die weltberühmten, die, die zu Touristenattraktionen werden.

Von manchen Orten geht ein merkwürdiger Mythos aus. Nicht immer sind das die weltberühmten, die, die zu Touristenattraktionen werden. Das Dorf Neuglobsow im Norden von Berlin ist so ein Ort. Dort liegt der kleine Stechlinsee, der eine „intime Beziehung zu den großen Ereignissen der Weltgeschichte“ hält – so zumindest hat es Theodor Fontane in seinem letzten Roman formuliert. Über diesen See, diesen mythischen Ort, hat Rolf Hosfeld, Autor, Filmemacher und wissenschaftlicher Leiter des Potsdamer Lepsiushauses, 1997 einen Film gedreht. Jetzt ist er auf DVD erschienen und wird aus diesem Anlass am heutigen Freitag im Lepsiushaus gezeigt.

„Tatsächlich trafen am Stechlin in den 1920er-Jahren zwei ganz konträre Chararktere aufeinander“, sagt Hosfeld. Für ihn sind die wie zwei Pole der deutschen Geschichte: Der Pazifist Armin Wegner und der preußische Offizier und spätere Nazi Karl Litzmann. Der eine – Wegner – Gründer des Bundes der Kriegsdienstgegner, engagierte sich öffentlich gegen die Judenverfolgung und den Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs. Der andere, Offizier in eben diesem Krieg, begann als 80-Jähriger, die NSDAP und Hitler zu unterstützen, nach dem Polenfeldzug von 1939 benannten die Nazis Lódz in Litzmannstadt um. Nach seinem Tod hielt man für ihn ein Staatsbegräbnis in Neuglobsow ab – zu dem die gesamte Führungsriege des Dritten Reiches an den Stechlin kam. Eine ähnliche Ehrung gab es Jahre später auch für Wegner – am Genoziddenkmal in der armenischen Hauptstadt Eriwan. „Ich bin 1996 während der Dreharbeiten mit seinem Sohn Michael dorthin gereist“, sagt Hosfeld.

Bei den Recherchen erlebte er aber noch weitere Überraschungen: So fand er etwa heraus, dass Litzmanns Enkel am Aufbau der NVA-Luftwaffe beteiligt war. Mit dem Thema hat sich Hosfeld nicht erst Mitte der 1990er-Jahre beschäftigt – aber „zu DDR-Zeiten wusste niemand in Neuglobsow etwas von Litzmann – und auch nicht über Wegner.“ Dabei hatte zumindest die Familie Litzmann – Karls Vater war einer der Großgrundbesitzer im Ort – dort seit Jahren große Familiengräber. „Das war nie ein Bauerndorf, sondern eine Gemeinde, in der reiche Berliner ihre Anwesen hatten“, sagt Hosfeld. Dass aus einem so kleinen, eher beschaulichen Ort so große Impulse für die Geschichte des 20. Jahrhunderts ausgingen, findet er bis heute spannend. Ariane Lemme

„Der Stechlin“ wird am heutigen Freitag um 19 Uhr im Lepsiushaus, Große Weinmeisterstraße 45, gezeigt

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