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Kultur: Kling, Weihnachten, kling

Umfangreich und abwechslungsreich: Familienkonzert der fünf Singakademie-Chöre im Nikolaisaal

„Vorfreude, schönste Freude, Freude im Advent“, verkündet ein bekanntes Lied zur Vorweihnachtszeit. Doch nicht nur darauf allein stimmten sich die fünf Chöre der Singakademie Potsdam bei ihrem Familien-Weihnachtskonzert am Samstag im Nikolaisaal ein. Auch ihr bevorstehendes 65. Jubiläum beflügelte die vielköpfige Sängerschar zu einem Klangerlebnis der besonderen Art. Alte und neue, bekannte und weniger vertraute, sakrale und säkulare Werke zur Weihnachtszeit standen auf dem knapp dreistündigen Programm, das mit seinen farbenfrohen Klängen – a cappella oder mit instrumentaler Begleitung vorgetragen – Sängern wie Publikum hör- und sichtbare Freude bereitete. Das fröhliche Vorprogramm bestritt der aus Sechs- bis Neunjährigen bestehende Spatzenchor unter Leitung von Konstanze Lübeck. Unbekümmert und selbstsicher, frisch und munter „zwitscherten“ sie von diversen winterlichen Freuden.

Nachdem sich der Einzug des Publikums und aller Mitwirkenden in den Großen Saal vollzogen hatte, forderte Thomas Hennig, moderierender und dirigierender Künstlerischer Leiter der Singakademie, das Auditorium zum gemeinsamen Singen mit allen auf dem Podium versammelten Chorensembles auf. Und siehe, des Volkes Kehlen hatten die vertrauten Weisen wie „Alle Jahre wieder“ und „O Tannenbaum“ nicht vergessen! Eine schöne vorweihnachtliche Einstimmung, zu der man die modernistische Podiumsausstattung mit zwei mickrigen Vasengestecken aus weiß gestrichenem Astgestrüpp nicht zählen mochte. Freude kam erst wieder auf, als die ebenfalls von Konstanze Lübeck geleitete Sangesgemeinschaft aus Kinder- und Jugendchor sowie Jugendkammerchor mit südamerikanischen Weihnachtsliedern besinnliche bis temperamentvolle Stimmungen verbreitete. Begleitet wurden sie von Klavier (Kyrill Blaschkow), während drei Sängerinnen mit Chor- und Orgelunterstützung (Martin Hunger) Peter Cornelius‘ „Drei Könige“ vortrugen.

Wesentlich anspruchsvollere Kost hatte das Claudius-Ensemble, Kammerchorformation der Singakademie, unter Leitung von Claudia Jennings im Notengepäck. Zunächst sangen sie a cappella „Quatre motets pour le temps de Noël“ von Francis Poulenc. Mit ihren klaren und sauber intonierenden Stimmen meisterten sie die kunstvollen, harmonisch ganz schön verschachtelten und vertrackten Harmonien, verfügten über eine leicht herbe Deklamation, die mitunter etwas spröde wirkte. Dennoch kamen das zarte Geheimnis der Geburt Jesu, die Aufforderung an die Hirten, selbige zu verkünden, der Bericht von den Gaben der Drei Könige und der finale Jubelgesang („Hodie Christus natus est“) über die erfolgte Ankunft des ersehnten Kindes zu berührender Wirkung. Dieses „Heute wurde Christus geboren“ findet sich auch am Beginn und Ende von Benjamin Brittens Lieder-Zyklus „Ceremony of Carols“, den er 1942 auf der über einen Monat lang dauerenden Schiffsüberfahrt von Boston (USA) nach Liverpool (England) auf Texte aus dem Mittelalter und dem 16. Jahrhundert komponiert hatte. Er orientierte sich dabei an der altenglischen Tradition, verwendete einfach scheinende Formen, setzte auf frische Klangfarben und einprägsame Melodien. Auch sparte er nicht mit kontrapunktischen Elementen, kanonischen Einsätzen und reizvoll-dissonanten Bögen. Diese Hommage an die kindliche Unschuld und ein Leben vor dem Sündenfall wurde von den Claudius-Könnern glanzvoll, eindringlich und stimmungsvariabel, aber ebenso temperamentvoll und witzig vorgetragen. Ihr „Deo gracias“ (Nr. 10) hörte sich wie ein sonores Glockenschwingen an. Das Harfensolo (Interludio) zupfte Tanja Letz mit formidablem Feingefühl.

Danach übernahm Thomas Hennig die Leitung des Sinfonischen Chores und des Preußischen Kammerorchesters aus Prenzlau, um mit einem Solistenquintett weihnachtliche Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, darunter das Offertorium „Venite Populi“ KV 260, aufzuführen. Füllig und homogen tönte der Chor, klanggeschmeidig musizierten die „Preußen“, und auch die Solosänger Ulrike Meyer (Sopran), Elisabeth Starzinger (Mezzo), Karin Lasa (Alt), Julian Rohde (Tenor) und Till Schulze (Bassbariton) verhalfen dem nach der Pause erklingenden „Oratorio de Noël“ von Camille Saint-Saëns zu seiner überaus gelungenen Wiedergabe. Sie wurde von der zum Jahresende vom Claudius-Ensemble scheidenden Dirigentin Claudia Jennings geleitet. Was der 23-jährige Organist und Komponist zur Adventszeit anno 1858 nach lateinischer Weihnachtsliturgie überaus melodiös bis schmachtend, geradezu seelenbalsamisch vertont hatte, erfuhr eine geschmeidige, opernnahe und schwelgende, jedoch weitgehend wenig inspirierende Deutung. Nun also kann Weihnachten kommen.

Peter Buske

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