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Kultur: Kleines großes Welttheater

Ausstellung zum 100. Geburtstag des Malers Heinz Böhm in der Galerie Samtleben

Ein Goethe-Wort zitierte Ute Samtleben, um das Leben und Werk des Potsdamer Malers und Grafikers Heinz Böhm zur Ausstellungseröffnung anlässlich seines 100. Geburtstages zu würdigen. „Greift nur hinein ins volle Menschenleben! Ein jeder lebt“s, nicht vielen ist“s bekannt, und wo ihr“s packt, da ist“s interessant.“

Und auf dieses Entdecken und Zupacken verstand sich Böhm, der seit 1963 in Potsdam-Nedlitz lebte, wie kaum ein anderer seiner Generation. Auf das damals typische Reisedreieck, einmal nach Rom, sonst in den Böhmerwald und an die Ostsee, beschränkt, musste er sich mit dem kleinen „Welttheater“ begnügen. Von seinem Balkon aus, direkt am Weißen See gelegen, entdeckte er immer wieder die Protagonistinnen für seine zahlreichen Akte, die lebensprallen Badeszenen und vitalen Tanzenden, die in der Galerie Samtleben in großer künstlerischer Formenvielfalt zu sehen sind.

Doch nicht die wirklichkeitsgetreue Abbildung, interessierte den Meisterschüler des Expressionisten Carl Hofer, der zuvor von 1924 bis 1932 an der HBK Berlin bei Emil Orlik studierte, sondern seine künstlerischen Intentionen richteten sich auf Probleme von Räumlichkeit und Plastizität auf der Fläche sowie auf neue Formen zur Darstellung von Licht und Schatten. Ruhe oder Bewegung ins Bild zu bringen, gelang ihm durch starke Umrandungen der Körper und durch die für ihn so charakteristischen Fleckenbildungen in den Flächen. Seine Figuren, zumeist große abstrahierte, nie filigran ausgearbeitete Formen, bewegen sich in atmosphärisch verdichteten Strukturen von Licht, Luft und Wasser. Auf dem namensgebenden Bild der Exposition „Tanz des Lebens" von 1980 sind das Paare in verschiedenen Phasen ihres „Lebenstanzes". Kann man ganz links noch sehen, wie eine Frau beinahe innig im Arm gehalten wird, entwickelt sich mittig eine starke Dramatik zwischen dem Paar, die am rechten Rand durch eine Dreiergruppe wiederum verändert ist. Alle tanzen barfuß, auf lila Grund, in einer blau aufgeladenen Sommernacht. Mächtige Energien sind beinahe mit den Händen zu greifen.

In der aktuellen Jubiläumsausstellung sind erstmalig auch viele frühe Arbeiten Böhms aus der Kriegs- und Nachkriegszeit zu sehen, darunter Gouachen, Aquarelle und Siebdrucke mit Sanssouci-Motiven. Und das riesige Wandbild „August Bebel spricht vor dem deutschen Reichstag 1905“, das als Leihgabe des Gymnasiums „Am Wolkenberg" Michendorf in der Brandenburger Straße ausgestellt wird. Bei der Darstellung dieses „Welttheaters“, einer Auftragsarbeit, kamen Heinz Böhm einmal mehr seine Fähigkeiten als Chefzeichner im Babelsberger Trickfilmstudio zu Gute. Obwohl die künstlerische Ausführung, es hat fast etwas von einem „Politcomic" 1973 sicher nicht den gewünschten Intentionen der Auftraggeber entsprach, bekam der Künstler 1975 den Fontane-Preis zugesprochen.

Heinz Böhm, der 1988 starb, war in Potsdam ein Vierteljahrhundert Mittelpunkt eines großen Künstlerkreises, zu dem u. a. die Maler Ronald Paris, Hubert Globisch, Wolfgang Wegener und Manfred Nitsche gehörten, und darüber hinaus berühmt für seine universelle Bildung und sein überaus gastfreundliches Haus.

Und nicht zuletzt dafür, selbst mit seiner Arbeit niemals zufrieden zu sein. Der Maler war ein rastloser Künstler, der oft selbst noch kurz vor einer Ausstellungseröffnung eigenhändig Änderungen an seinen Bildern vornahm.

Ausstellung in der Galerie Samtleben bis 28. Juli, geöffnet Mittwoch bis Freitag von 14 bis 18 Uhr, Samstag von 11 bis 14 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung.

Astrid Priebs-Tröger

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