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Kultur: Kleine Hausgeschichten

Fotografien von Kathrin Ollroge im „Wohnzimmer“ der Lindenstraße 15

Kathrin Ollroge hat gerade eine fiebrige Erkältung. Und öffnet dennoch jeden Tag die Tür zu „ihrem“ Wohnzimmer. Das befindet sich seit Anfang Januar in der Lindenstraße 15. Einem ehemaligen stadtbekannten Schreibwarenladen, der bereits im Herbst des vergangenen Jahres eine kulturelle Zwischennutzung durch das „Lokalize Heimatfestival“ erfuhr.

Jetzt hat sich die Potsdamer Fotografin dort für einige Wochen eingemietet und den Laden diesmal in ein Wohnzimmer verwandelt. Samtbezogene rote und braune Sofas, das Vitrinenoberteil von einem alten Wohnzimmerbüffet und mehrere Puppenhäuser befinden sich im vorderen großen Raum.

Zentral steht ein dreistöckiges Prachtstück, das vor ein paar Tagen als Leihgabe für ihre Fotoausstellung von einer Stahnsdorfer Familie zur Verfügung gestellt wurde. „Käthe Smolka, erbaut 1934“, steht an dessen, mit einer funktionstüchtigen Klingel versehenen, Eingangstür. Der Vater von Käthe soll es gebaut haben und der Besucher staunt über den Einfallsreichtum und die Detailtreue des beseelten Bastlers.

Das Holzhaus verfügt über mehrere Treppenaufgänge, eine Dachterrasse und fünf Zimmer, die liebe- und geschmackvoll eingerichtet wurden. Im Wohnzimmer gibt es einen offenen Kamin, ein beleuchtetes Aquarium, in der geräumigen Wohnküche eine flackernde Feuerstelle und selbst an die hygienischen Standards ist mit zwei Toiletten gedacht worden.

Kathrin Ollroge ist fasziniert von solchen Zeugnissen der Alltagskultur. Im April des vergangenen Jahres sah sie im Glindower Heimatmuseum eine Ausstellung über „Puppen und Puppenhäuser“. Spontan begann sie diese zu fotografieren. Jedoch nicht eins zu eins. Die Fotografin, die 1969 in Potsdam geboren wurde und fast zwölf Jahre in England lebte, inszeniert die Räume für ihre Zwecke neu. Wichtig ist ihr nicht, alle Details zu erfassen, sondern bestimmte Alltagsgegenstände ins rechte Licht zu rücken. Das können besondere Tapetenmuster, Lampen oder die Maserungen des Fußbodens sein. Oder einzelne der Miniatur-Möbelstücke, die verschiedenen Stilen und Zeitepochen zugehörig, an unser kollektives Alltagsgedächtnis rühren.

So entstehen auf ihren großformatigen Farbfotos fiktive Räume, die sich nicht eindeutig als Puppen- oder „normale“ Wohnzimmer zuordnen lassen. Sondern vor allem schon bald die eigenen Erinnerungsräume zum Schwingen bringen. Denn man kommt schnell ins Gespräch mit der sympathischen Gastgeberin, die inzwischen schon mehr als zwanzig verschiedene Puppenhäuser und ihr umfangreiches Interieur von Besuchern aus Potsdam und der näheren Umgebung vorbeigebracht bekommen hat. Da gibt es an der Bauhausästhetik orientierte Modelle aus den 30er Jahren oder auch eines aus der DDR vom Typ „Diana“, das an die damals beliebten finnischen Ferienhäuser erinnert.

Kathrin Ollroge wird sie alle in Szene setzen. Doch mindestens ebenso wichtig ist ihr die Kommunikation mit den Besuchern. Denn die kommen und staunen, trinken Kaffee oder haben den „Wohnladen“ inzwischen als Oase im hektischen Alltagsbetrieb entdeckt.

Eine benachbarte Ärztin kommt zwischen den Hausbesuchen immer mal für ein paar Minuten zum Stricken vorbei, an den Sonntagen finden lange Frühstücksgespräche und an einzelnen Wochentagen gestaltete Abende befreundeter Künstler statt. Dafür gibt es jedoch keinen festen Plan, sondern man kann jeden Tag, auch am Wochenende bei der gastfreundlichen Fotografin vorbeischauen und wird auch trotz Erkältung nicht abgewiesen. Astrid Priebs-Tröger

Fotoausstellung und Installation bis 28. Februar täglich ab 11 Uhr in der Lindenstraße 15 geöffnet.

Astrid Priebs-TrögerD

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