zum Hauptinhalt

Katrin Hauptmann am Hans Otto Theater Potsdam: Die Pendlerin

Katrin Hauptmann ist neu im Ensemble des Potsdamer Hans Otto Theaters. Ab heute spielt sie in Ariel Dorfmans Demokratiefindungsstück „Der Tod und das Mädchen“ das Mädchen – und ein bisschen auch den Tod.

Potsdam - Fragt man Katrin Hauptmann nach dem Moment, an dem sie wusste: Theater ist das, was sie machen will, dann erzählt sie von einem Kriegsheimkehrer. Von Danny, einem 25-Jährigen, der als Soldat in Basra gekämpft hat und nach seiner Heimkehr mit dem englischen Alltag nicht mehr zurechtkommt. Ein Traumatisierter. Danny ist der Protagonist aus dem Stück „Motortown“ des englischen Erfolgsautors Simon Stephens. Katrin Hauptmann hat es in Wien gesehen, in einer Inszenierung von Andrea Breth.

Danach sah sie sich und die Welt, in der sie sich bewegte, mit anderen Augen. „Und mir war klar, Theater kann ganz neue Erfahrungswelten öffnen. Das ist ungemein wertvoll. Darin ist das Theater unvergleichbar.“ Das Auftun neuer Welten, neuer Blickwinkel auf eine Welt, die man glaubt zu kennen, das treibt Katrin Hauptmann an. Dieses Etwas, das sich nur über das Theatererlebnis vermittelt und das Katrin Hauptmann „Mehrwert“ nennt.

Katrin Hauptmann ist eine der drei Neuzugänge am HOT

Ab der kommenden Spielzeit gehört Katrin Hauptmann zum Ensemble des Hans Otto Theaters (HOT), sie wird als einer von drei Neuzugängen das Haus auf der Schlussgeraden von Tobias Wellemeyer stärken. Und auch darüber hinaus: Katrin Hauptmann kommt mit einem Zweijahresvertrag nach Potsdam. Sie wird also auch das erste Jahr von Bettina Jahnkes Intendanz mitgestalten. Schon heute stellt sie sich hier erstmals auf der Bühne vor, in „Der Tod und das Mädchen“ des argentinischen Dramatikers Ariel Dorfman. 1991 wurde es uraufgeführt, der Autor hat 1973 selbst den Militärputsch in Chile erlebt und musste das Land verlassen. Regie führt, erstmals in Potsdam, Christian von Treskow. Katrin Hauptmann spielt das Mädchen. Und ein bisschen auch den Tod.

Es ist eine ziemliche Gemeinheit, Schauspieler zwei Tage vor der Premiere mit Fragen zu der Rolle zu quälen, die sie drüben auf der Bühne gleich verkörpern sollen. Am frühen Morgen zumal, denn ab 10 ist Vormittagsprobe. Katrin Hauptmann aber fügt sich dem, gelassen, tastend, aber zugewandt. Sie ist keine, die viele Worte macht, und die gemachten wägt sie gut ab. Manchmal klingt ihr österreichischer Zungenschlag durch, in der Kantine zumindest, beim Erzählen von Herkunft und Familie.

Zunächst probiert sie ein Jurastudium - und scheitert

Geboren wurde sie 1985 südlich von Graz – „fast in Slowenien“. Die Mutter hat einen Schmuckladen, der Vater war Geschäftsmann. Nicht die Familie bringt sie zum Theater, sondern die Schule. Genauer eine ambitionierte Musiklehrerin, die auf die Idee kommt, ihre Schüler ein Musical aufführen zu lassen. Katrin Hauptmann ist dabei und merkt, dass ihr das Spaß macht, das Singen, Tanzen, Auf-der-Bühne-Sein. Trotzdem probiert sie zunächst ein Jahr „etwas Vernünftiges“, ein Jurastudium. Scheitert. Studiert dann doch Schauspiel in Klagenfurt. Es folgen erste Engagements, erst am Vorarlberger Landestheater in Bregenz, dann – ein großer Sprung – in Düsseldorf.

Schon in Bregenz fällt die große, schmale Schauspielerin auf, wird mit Förderpreisen ausgezeichnet. Einen bekommt sie für ihre Rolle als Gretchen. Im größeren Düsseldorf spielt sie dann wieder im „Faust“ mit – diesmal aber als Mephisto. Sie ist eine von vier Mephistos, eine teuflische Bande aus Männern und Frauen, „eher spielerische Joker“, sagt sie, alle abgrundtief böse. Katrin Hauptmann wird in Rezensionen als der Vamp unter den Mephistos beschrieben.

Vamp und Unschuld, Mephisto und Gretchen: Dass Katrin Hauptmann beides sein kann, sagt viel aus. Später, beim Besuch der Proben von „Der Tod und das Mädchen“ in der Reithalle, wird man ahnen, wie sie – rein körperlich – zwischen kraftvoller Verführung und Zartheit, Zerbrechlichkeit pendeln kann. Wie ihre Stimme, im Gespräch leise, zurückgenommen, plötzlich ins sehr Dunkle, Spöttische, auch Bedrohliche kippt.

Täter und Opfer zugleich

In Ariel Dorfmans nach dem berühmten Kunstlied von Franz Schubert benannten Stück spielt Katrin Hauptmann Paulina Salas. Paulina ist auch so eine, die zwischen zwei Polen, zwei Schubladen pendelt: Sie ist Täter und Opfer zugleich. Das Stück spielt in einem nicht näher bezeichneten Land, das sich nach einer langen, blutigen Phase der Diktatur am Aufbau einer demokratischen Struktur versucht. Einziger Spielort ist die Strandvilla eines Mannes, der die neue, demokratische Welt mit aufbauen will. Katrin Hauptmann spielt dessen Frau. Man lernt sie zunächst als sorgende Hausfrau kennen, lernt aber bald, dass sie während der Gewaltherrschaft am eigenen Körper Gewalt erfahren hat. Dass die Wunden alles andere als verheilt sind. Und dass sie, als sie in einem zufälligen Gast ihren Folterer zu erkennen glaubt, selbst zu großer Gewalt fähig ist. Vom Tod infiziert.

„Das Anspruchvollste an der Rolle ist für mich, Paulina nicht nur als Täterin zu zeigen. Denn ich denke, man nimmt sie sehr stark so wahr“, sagt Katrin Hauptmann. Die Klischeefalle der rachsüchtigen Furie will sie unbedingt umgehen. Berühren soll ihre Figur, nicht abstoßen. So wie sie auch in sich selber immer zuerst die Nähe zu der Figur sucht, mögliche Ansatzpunkte im Eigenen. Ja, die hat sie auch bei Paulina gefunden. Der Schauspielberuf ist nichts für Feiglinge.

Vieles wird in Potsdam offen sein

Und Potsdam? Natürlich: „Herrlich, das Wasser.“ Viel mehr hat sie noch nicht sehen können, seit April hat sie meistens geprobt. Zudem hatte sie zwischendrin Auftritte an den Theatern in Lübeck und Frankfurt am Main – auch hierin ist sie Pendlerin. Überbleibsel ihrer einjährigen Tätigkeit als freie Schauspielerin. Jetzt freut sie sich, wieder in einem Ensemble zu sein, auch wenn in Potsdam nach dem Weggang von Tobias Wellemeyer im Sommer 2018 vieles offen ist. Aus der Ruhe bringt sie das nicht. „Man weiß ja nie, was kommt“, sagt sie. „Aber irgendwie geht es immer weiter, bisher hat mich die Arbeit immer irgendwie gefunden.“ Optimistin? Lachen. „Notwendigerweise.“

„Der Tod und das Mädchen“ hat heute um 19.30 Uhr in der Reithalle Premiere.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false