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Kultur: „Kastellan ein Flegel“

Ausstellung in den Römischen Bädern beleuchtet „Goethe und die Mark Brandenburg“

Der Zeichenlehrer des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.), Samuel Rösel, war ein glühender Goethe-Verehrer. Der Dichterfürst in Weimar hätte es ahnen können, denn zu mehreren Geburtstagen schickte der Potsdamer von ihm selbst gefertigte Zeichnungen an den Frauenplan in der Ilmstadt. Doch Goethe machte keine Anstalten, ein Wort des Dankes an ihn zu richten. Erst Duz-Freund Carl Friedrich Zelter erinnerte ihn an die Geschenke. Dann überschwänglich, ohne eigentlich die Kunst Rösels zu kennen, widmete Goethe ihm ein Gedicht, in dem es heißt „Rösels Pinsel, Rösels Kiel sollte man mit Lorbeer kränzen ...“

Diese liebevolle Geschichte mit einer vermutlich ironischen Würdigung fand leider keinen Eingang in die Ausstellung „Goethe und die Mark Brandenburg“ in den Römischen Bädern im Park Sanssouci, die morgen eröffnet wird. Dafür natürlich Carl Friedrich Zelter. Der Berliner Komponist und Musikorganisator hatte wegen seines künstlerischen und menschlichen Formats einen bedeutenden Einfluss auf den alternden Goethe. Der Dichter sagte über den Musiker: „Er ist wie ein Wein von vortrefflichem Jahrgang, der mit jeder Olympiade besser wird.“ Als Goethe am 22. März 1832 starb, schrieb Zelter an einen Freund, dessen Frau gerade verstorben war: „Sie haben Ihre Frau verloren, und mir ist mein Mann gestorben. So hat jeder seinen Schmerz ...“ Zelter besuchte seinen Freund in Weimar des öfteren, Goethe war nicht ein einziges Mal Gast des Komponisten.

Er unternahm sowieso nur eine Reise nach Berlin und Potsdam – im Mai 1778. Davon und von den Beziehungen des Dichters und Politikers erzählt die treffliche Exposition, deren Konzeption von Peter Walther stammt. Der Veranstalter, das Brandenburgische Literaturbüro, hat gemeinsam mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg mit Recht das Hofgärtnerhaus der Römischen Bäder als Ausstellungsort gewählt, denn ihre Dimensionen kommen dem Thema und den fein ausgewählten Exponaten, die sich nicht in Hülle und Fülle ausbreiten, sehr entgegen. Das Literaturbüro konnte sich auf die Mitarbeit der ausleihenden Institutionen verlassen, u.a. auf die Stiftung Weimarer Klassik, das Goethe-Haus Frankfurt am Main sowie auf das Muzeum Lubuskie in Gorzow (einst Landsberg). Die Museumsleute in Gorzow verwalten die Goethe-Sammlung des ehemaligen Landsberger Apothekers Wilhelm Ogoleit. Die einst zweitgrößte Privatsammlung über den Weimarer Dichter ist in den Wirren des Zweiten Weltkrieges zerstoben, einiges ist gerettet worden. Für die Ausstellung in Potsdam wurden zehn Exponate ausgeliehen, unter anderen Gemälde, ein Kupferstich und eine Schadow-Medaille.

Bilder, Autografen, Drucke, Alltags-Gegenstände Goethes sowie Lesetafeln auf farbig leuchtenden Säulen machen mit den Beziehungen Goethes zu Brandenburg-Preußen bekannt, die mehr sind als die Freundschaft zwischen dem Dichter und Zelter, die von einem sehr bewegenden Briefwechsel gekrönt wurde. Entstanden ist in der stimmungsvollen Umgebung der Römischen Bäder eine kleine, jedoch feine und informative Ausstellung.

Die Reise in die beiden preußischen Residenzstädte 1778, die Goethe, der sich politisch in dem kleinen thüringischen Land Sachsen-Weimar engagierte, war mit einem handfesten Anliegen verbunden. Er begleitete seinen Herzog Carl August und den Dessauer Fürsten Franz. Sie wollten bei Friedrich II. erwirken, dass dieser im Bayrischen Erbfolgekrieg gegen Österreich die sächsischen Herrscher auf seine Seite ziehe und die Neutralität ihrer Länder nicht antaste. Carl August, der sich gern als Held in einem Krieg gesehen hätte, musste von Goethe und von dem Fürsten Franz „überredet“ werden“, dass dieser nicht der „Aufforderung Preußens zu gemeinsamen Schritten in der Regelung der bayrischen Erbfolgekriege“ gegen Österreich folge.

Nicht viel berichtet der Dichter und Geheimrat Goethe aus Potsdam und Berlin. In Potsdam wollte er am 15. Mai den damals schon berühmten Sommersitz Friedrich des Großen, Schloss Sanssouci, besuchen. Als er vermutlich einen Blick in dessen Räume tun wollte, traf er einen ungnädigen Kastellan an. Und so schrieb er in sein Tagebuch lediglich „Kastellan ein Flegel“. Dass er sich den Exerzierstall und das Waisenhaus ansah, darüber verlor er nur drei bis vier Worte.

Goethe, der die Großmachtpolitik des preußischen Königs ablehnte, war aber schon in jungen Jahren, wie sein Vater, „fritzisch gesinnt“. Es war die Persönlichkeit, wie er in „Dichtung und Wahrheit“ schrieb, die ihn begeisterte, die „auf alle Gemüter wirkte“. Und doch warfen Friedrichs Äußerungen zur deutschen Literatur, die dieser ablehnte, ein Schatten auf Goethes Bewunderung. Der König tadelte die deutsche Sprache, mit der man die Theaterstücke – außer bei Hofe – zum Besten gab. Von einem „ekelhaften Gewäsche“ sprach er inbesondere bei Goethes „Götz von Berlichingen“.

Die Beziehungen des Weimarer Dichters zum preußischen Hof gestalteten sich in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts dann recht innig. Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar wurde durch die Heirat mit dem Prinzen Wilhelm (l.) preußische Königin und deutsche Kaiserin. Die gebildete Monarchin ging in Weimar bei Goethe „in die Schule“.

Die Ausstellung beleuchtet auch das Verhältnis Goethes zur jungen Bettina von Arnim, zu dem aus Prenzlau stammenden Maler Johann Philipp Hackert, zu dem Agrarökonomen Albrecht Daniel Thaer, zu seiner Freundin Wilhelmine Herzlieb. Sie berichtet auch über das nicht spannungslose Verhältnis Goethes zu Kleist. Natürlich findet man die publizistischen Attacken gegen den dichtenden Pfarrer Schmidt von Werneuchen und seinem „Calender der Musen und Grazien“. Sein hartes Urteil relativierte Goethe später: „ ... und doch hätte man sich über ihn nicht lustig machen können, wenn er nicht als Poet wirkliches Verdienst hätte, das wir an ihm haben.“

14.5.-30.7., Römische Bäder, Begleitbuch und Hör-CD (Briefwechsel Goethe und Zelter)

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