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Der Komponist Dimitrij Schostakowitsch, aufgenommen 1975 von W. Wjatkin. 

© picture-alliance / RIA Nowosti

KAPmodern startet in die Corona-Saison: Erinnern und verändern

„Moderne Traditionen“ lautet das Spielzeitmotto der Kammerakademie Potsdam. Jetzt startete auch KAPmodern in die Saison. Mit Schostakowitsch, Schlagwerk, coronabedingtem Abstand - und erstmals im großen Nikolaisaal.

Potsdam - „Das Sichere ist nicht sicher; so wie es ist, bleibt es nicht“, lehrt Brechts „Lob der Dialektik“. Und trifft höchst coronaaktuell auch auf Spielorte und geplante Programme zu. So musste die Kammerakademie Potsdam am Mittwoch ihr saisonal erstes Konzert der KAPmodern-Reihe um ein Werk einkürzen und vom traditionellen Nikolaisaal-Foyer in den großen Saal verlegen. Ungefähr sechzig Interessierte waren abstandhaltend, hygiene- und maskenversorgt breitwürfig im Parkett platziert. Um dort im Sinne des Saisonthemas „Moderne Traditionen“ den klingenden Spannungsfeldern zwischen Kontinuitäten und Wandel in der Musik zu lauschen. 

Eine Spielerei für Schlagwerke von Schostakowisch

Das pausenlos aufgeführte Programm nannte sich ein wenig irreführend „Vintage“, was man landläufig mit historischem Modedesign assoziiert. Sollten die KAPmodernisten allerdings die Verwendung von Formaten historischer Stile im Œuvre mancher Komponisten damit gemeint haben, könnte die „Vintage“-Klammer zutreffend sein.

Doch genug der Vermutungen. Zunächst erklang Dmitri Schostakowitschs zitatenreiche Sinfonie Nr. 15 op. 141bis  in der Bearbeitung für Kammerensemble von Viktor Derevianko. Was zunächst an eine originelle Spielerei denken ließ, wurde alsbald zu einer handfesten Überraschung. Anstatt in gewohnter sinfonischer Opulenz erklang des Meisters letzte Sinfonie in einer Fassung für Klaviertrio mit Schlagzeug und Celesta, die sich als ein Konzentrat des Originals erwies, von dem der Komponist sehr angetan war. 

Das Ergebnis: alle klanglichen Besonderheiten blieben erhalten, Schlagwerk und Celestastimmen unangetastet. Alle Streicherpassagen sind der Violine (Peter Rainer) und dem Cello (Hannah Eichberg) zugeteilt, während die Bläser sich im variablen Klaviersound (Vitali Kyianytsia) höchst originell wiederfinden.

Bissige Pauken, pferdetrappelnde Xylophone

Als exzellente Solisten erwiesen sich auch die Schlagzeuger Friedemann Werzlau, Daniel Tummes und Adam Weisman, die mit bissigen Paukenschlägen, pferdetrappelnden Xylophonzutaten und angstbeklemmenden Trommeleien ein klangraffiniertes Feuerwerk an dynamischer Sprengkraft entfachten. 

Hinreißend, wie alle zusammen das Kaleidoskop von Schostakowitschs Leben mit seinen Kindheitserinnerungen, nahenden Todesahnungen, seiner Lebenslust und inneren Zerrissenheit, den Demütigungen und musikalisch-grotesken Protestzuspitzungen auszubreiten verstanden. Herrlich das schwungvoll musizierte Rossinische „Wilhelm Tell“-Zitat, ergreifend das Todesverkündigungsmotiv aus Wagner „Walküre“, die gleichsam klinische Studie eines Sterbenden auf der Intensivstation.

Barocke Klangwelten, die langsam zerbröseln

Die Metaphern von Befreiung und Veränderung, von Erinnerung und Erlösung fanden sich auch in dem Stück „Ein Hauch von Unzeit“ des Schweizers Klaus Huber, das in einer Fassung für Solo-Kontrabass (Tobias Lampelzammer) erklang. Ausgangspunkt hier: das Todesarioso „Remember me“ der Dido aus Purcells Oper „Dido und Aeneas“, das barocke Klangwelten beschwört, die langsam zerbröseln. Ein Stück der Geduld und Meditation, leise und in großer Ruhe verlöschend. Und das dauert. Der intensive Beifall gerät kürzer.

Peter Buske

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