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Draußen vor der Tür. Der Geschäftsführer der Kammerakademie, Alexander Hollensteiner, wagt ganz bewusst den Schritt vom Stammhaus in die Stadt.

© Andreas Klaer

Kammerakademie Potsdam: Auswärtsspiele

Die Kammerakademie bringt eine neue CD heraus und begibt sich in der Stadt auf Publikumsfang.

Eine neue CD wird ab heute unter die Leute gebracht. Und nicht irgendeine. Gemeinsam mit dem Starflötisten Emmanuel Pahud und dem Dirigenten Trevor Pinnock präsentiert die Kammerakademie Potsdam beim Label Warner Classics Flötenkonzerte von Carl Philipp Emanuel Bach. Der dritte Sohn Johann Sebastian Bachs war 30 Jahre Hofcembalist Friedrich des Großen und hat auch für den Flöte spielenden Monarchen Konzerte komponiert. Pahud und die Kammerakademie erweisen sich auch bei dieser Aufnahme als so kompetente wie engagierte Sachwalter für Carl Philipp Emanuel Bach, der den empfindsamen Stil in die Musikgeschichte einbrachte.

„Diese CD ist in dieser Saison bereits das zweite Album, das unser Orchester vorlegen kann“, freut sich Alexander Hollensteiner, Geschäftsführer der Kammerakademie, im Gespräch. „Ende August erschien der Auftakt unserer Mendelssohn-Reihe unter anderen mit der ,Italienischen’ Sinfonie, die 2017 mit der Reformationssinfonie und der ,Schottischen’ weitergeführt wird.“ In den vergangenen Jahren lag der sinfonische Schwerpunkt des Orchesters bei Franz Schubert. Für seine Interpretationen wurde es für 2016 mit einen Echo Klassik Preis geadelt.

Carl Philipp Emanuel Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy passen sehr gut in das Repertoire und zur Klangästhetik der Kammerakademie. Beide Komponisten haben in Potsdam kammermusikalische beziehungsweise Werke für Orchester geschaffen, die zu ihren besten musikalischen Erfindungen gehören. So brachte Mendelssohn im Schlosstheater im Neuen Palais mit seiner Musik zu Shakespeares Sommernachtstraum eine seiner populärsten Kompositionen zur Erstaufführung.

„Heimspiele“ findet man in der Dramaturgie der Konzerte immer wieder. Gerade im 15. Jubiläumsjahr des Orchesters, das gegenwärtig unter dem Motto „KAP findet Stadt“ gefeiert wird, sind Werke und Komponisten, die eine mehr oder weniger intensive zu Beziehung zu Potsdam hatten, ins Programm genommen worden. Chefdirigent Antonello Manacorda und die Kammerakademie präsentierten im Oktober Georg Anton Bendas Melodram „Medea“ in einer höchst eindrucksvollen Wiedergabe. Benda war, bevor er nach Gotha ging, einige Jahre Musiker der Hofkapelle König Friedrichs II. Mit Bendas Kompositionen hielt man nicht gerade einen Publikumsrenner parat. „Doch es hat uns sehr gefreut, dass das anspruchsvolle Werk von den Konzertbesuchern gut angenommen wurde“, sagt Hollensteiner. „Das ist ein Beweis auch dafür, dass das Publikum dem Orchester seit eineinhalb Jahrzehnten ununterbrochen großes Vertrauen schenkt.“

Es ist nicht zu übersehen, dass die Sinfoniekonzerte im Nikolaisaal, wie auch anderswo, zumeist von älteren Hörern besucht werden. Sie halten vor allem dem klassischen Repertoire die Treue. Alexander Hollensteiner und sein Team arbeiten daran, dass sie ein Publikum erreichen, das sich auf eine große Bandbreite von Kompositionen einlässt, ein Publikum, für das das Musikerlebnis noch nichts Alltägliches bedeutet und die dafür bislang noch nicht offen sind: „Wir möchten sie gern mit unseren Konzerten abholen.“

Genau darum verlassen die Musiker auch das angestammte Konzerthaus, den Nikolaisaal. Dabei werden auch gern mal Grenzen überschritten. Im Bildungsforum kann man sich zu einem Rendezvous von Literatur und Musik einladen lassen, im Palais Lichtenau wird es während eines Handwerkssalons (die nächste Veranstaltung am 10. November), rund um den Musikinstrumentenbau gehen. Die Mitglieder der Kammerakademie legen in der Programmgestaltung dabei eine große Kreativität an den Tag. „Ein Paradebeispiel dafür ist unsere sehr erfolgreiche Reihe KAPmodern, in der Tendenzen zeitgenössischer Musik vorgestellt werden“, so Hollensteiner. Mit dem Format des Klangspaziergangs etwa begeben sie sich direkt in die Stadt. Gern tauchen die Musikerinnen und Musiker auch in die Lebenswirklichkeit von Schülern ein. Seit Jahr und Tag hat die Kammerakademie erfolgreiche Angebote im Bereich der kulturellen Bildung aufgelegt. „Besonders im Stadtteil Drewitz, der ja sozial als etwas problematisch galt, sind die Instrumentalisten aktiv. Bei den Lehrerinnen und Lehrern der Grundschule Am Priesterweg finden sie für das Projekt ,Stadtteil macht Oper’ engagierte Unterstützung. Wir konnten die bekannte Ballettmeisterin und Regisseurin Marita Erxleben sowie unseren Solotrompeter Nathan Plante als musikalischen Leiter für die Musiktheateraufführung gewinnen. 380 Schüler sind eingeladen mitzuwirken.“

In diesem Jahr sind auch Eltern und Freunde dabei, denn das Stück „Georg und das Mädchen vom Planeten Phi B“ benötigt einen großen Chor. Die Inszenierung entsteht sehr frei nach Motiven von Händels Oratorium „Israel in Ägypten“, das als Potsdamer Winteroper ab 24. November in der Friedenskirche Sanssouci zur Aufführung kommt. Traditionell beschäftigen sich Kinder und Jugendliche intensiv mit den Inhalten der jeweiligen Winteroper-Aufführungen. Sie finden dabei oftmals ganz eigene Interpretationsansätze, in denen sie fragen: Was geht uns heute noch die uralte Geschichte aus dem Alten Testament an? Am 15. und 16. Dezember wird man die Ergebnisse in der Stadtteilschule Drewitz in Augenschein nehmen können.

„Emmanuel Pahud: C. P. E. Bach Flute Concertos“ mit der Kammerakademie Potsdam, dirigiert von Trevor Pinnock, erschienen bei Warner Classics

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