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Kaiserdämmerung in Potsdam: Der Kostümtick

Wilhelm II. wechselte bis zu sechs Mal am Tag seine Uniformen In der Ausstellung „Kaiserdämmerung“ hängen drei davon fast unbemerkt.

POtsdam - Er wollte gesehen werden. Aber nur in bestem Outfit. Seine Lieblingskleidung war stets die Uniform. In dieser Aufmachung inszenierte Kaiser Wilhelm II. sich selbst. Als schneidiger Kriegsherr mit geschmückter Pickelhaube, als umjubelter Herrscher bei einer Denkmalsenthüllung, als treusorgende Familienvater im Kreise seiner Lieben – fast immer trug er dabei Uniform. Ob er mit ihr ins Bett ging, wie man es seinem Ahnherren Friedrich II. gern nachsagte, scheint unwahrscheinlich. Seine Frau, Kaiserin Auguste Victoria, hätte mit Sicherheit Einspruch erhoben.

Der Kultursoziologe Nicolaus Sombart meinte, dass er ein wunderbarer Ausstattungskünstler war: „Vom Design seiner Uniformen und Kostüme (und derer seines Gefolges) das Arrangement großer Feste, wie zum Beispiel das Fest der friderizianischen Kostüme in Sanssouci zu Ehren von Adolf Menzel, glanzvoller Paraden und Kavallerieattacken bot er seinem Volk und der Welt ein einzigartiges Schauspiel der permanenten künstlerischen Selbststilisierung.“ In Sachen Öffentlichkeitsarbeit verstand der Kaiser jedenfalls sein Handwerk. Sie wurde im großen Stil betrieben.

Als ob sie ahnen, dass sie nur noch museal ihr Dasein fristen, hängen drei Uniformen verschämt und fast unscheinbar an einem originalen Ort, in einem Schrank in der Ausstellung „Kaiserdämmerung“ im Neuen Palais. Eine davon wurde sogar der Platz an dem ihr einst zugedachten Haken wieder zugewiesen. In dem Wandschrank sind die alten Beschriftungen für die Uniformen noch vorhanden. Doch fast geht man an ihm vorbei. Das Interesse an der operettenhaften Kostümierung Wilhelms mit Uniformen findet eigentlich nur noch Spott. Ja, der Glanz früherer Zeiten ist Vergangenheit. Doch eine Gruppe von männlichen Besuchern macht Halt vor den Uniformen. Ausgiebig werden sie ins Visier genommen und darüber diskutiert, wie viel Uniformen „unser Kaiser“ wohl in seinem Leben getragen habe. Die älteren Herren kommen zu keinem Ergebnis und gehen resigniert weiter.

Als Kaiser durfte Wilhelm die Uniform jedes Truppenteils tragen. Bis zu sechs Mal am Tag zeigte er sich in einer neuen Uniform. Alle verfügbaren Uniformen schien der Kaiser anprobiert zu haben, außer die französischen. Schließlich sah der Hohenzollern-Herrscher in Frankreich den Erbfeind Preußens. Unter Monarchen war es vor mehr als 100 Jahren üblich, bei Treffen die Uniform des Besuchers oder des zu Besuchenden zu tragen. Bei Wilhelm II. wuchs sich der Hang zur Militärkleidung regelrecht zum Tick aus. Er sah sich gern als hoher englischer Offizier, auch in schwedischer oder österreichischer Uniform, in Admirals-, in Schützen- und Kürassieruniform oder in der Robe des Großmeisters des Johanniterordens. Während des Ersten Weltkrieges trug der Kaiser aber meist eine stein- oder feldgraue Uniform des deutschen Heeres.

Über seine Kostümierung schrieb Fürstin Nora Fugger 1932 in ihren Erinnerungen aus früheren Tagen vor 1918: „Und wieder war es seine Kleidung, die mir einen ganz ungewöhnlichen Eindruck machte. Der Kaiser trug den grünen Fürstenbergischen Jagdrock, dazu eine kurze schwarze Hose, angeschnittene Schuhe und lange Strümpfe, unterm Knie den englischen Hosenbandorden quer über die Brust das Band des Schwarzen-Adler-Ordens, um den Hals das spanische Goldene Vlies. An der Brust glitzerten reich mit Diamanten besetzte Brustknöpfe, ähnliche Knöpfe an den Manschetten. An den Fingern trug er eine Unmenge schöner Ringe.“ Wilhelms zweite Frau, Hermine von Reuß, schwärmte ganz entzückt, dass er wie ein Märchenprinz aussähe.

Doch mit einem Handicap musste der Monarch sein Leben lang umgehen. Der linke Arm war verkürzt. Während der Geburt schlich sich ein schwerer Fehler ein. Wilhelm wusste ihn aber optisch zu überspielen. Bei allen Uniformen wurde der linke Arm um 15 Zentimeter kürzer als der rechte geschneidert.

Der Helmbusch tragende Wilhelm lebte also seinen Tick weidlich aus. Bis 1918. Im Exil in Doorn war er dann eher in ziviler Kleidung zu erleben. Die Uniformen wurden nur noch zu besonderen Anlässen aus dem Schrank geholt.

Bei seiner Trauung mit Hermine im November 1922 in Doorn erschien er noch einmal in Galauniform. „Er trug das Eiserne Kreuz. Die vornehmsten seiner zahlreichen Orden bildeten ein farbiges Band auf seiner Brust“, notierte Hermine in ihren Erinnerungen.

Der kaiserliche Glanz blieb aufs Private beschränkt. Er blieb in der großen Öffentlichkeit ohne Wirkung. Die monarchistisch Gesinnten in Deutschland schauten jedoch voller Wehmut nach Holland.

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„Kaiserdämmerung - das Neue Palais 1918 zwischen Monarchie und Demokratie“, Sonderausstellung im Neuen Palais. Bis 12. November 2018. Mittwoch bis Montag von 10 bis 17.30 Uhr

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