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Kaiserdämmerung in Potsdam: „Der Kaiserin hat der Umsturz das Herz gebrochen“

Auch Auguste Victoria musste 1918 das Neue Palais verlassen. Sie starb in den Niederlanden nach drei Jahren im Exil.

Potsdam - Herbst 1918. Seit mehr als vier Jahren tobt der Erste Weltkrieg. Millionen von Soldaten sind gestorben. Die deutsche Niederlage ist unabwendbar. In dieser Krise wird ein politisch unerfahrener Mann zum Reichskanzler ernannt: Prinz Max von Baden. Er soll einen Waffenstillstand aushandeln und die Monarchie in Deutschland retten. Die Amtszeit von Prinz Max endet jedoch schon nach fünf Wochen. Angesichts des wachsenden Drucks von der Straße kann er die Monarchie nicht mehr retten, am 9. November 1918 verkündet er die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und übergibt das Amt des Reichskanzlers an den Sozialdemokraten Friedrich Ebert. Damit macht Prinz Max den Weg frei für die erste Demokratie in Deutschland.

Vor dem Neuen Palais hängen derzeit Plakate, die den Thronverzicht Wilhelms II. verkünden, unterzeichnet hat Max von Baden. Die am 9. November 1918 im Extrablatt des „Vorwärts“ veröffentlichte Bekanntmachung macht in diesen Wochen als Werbeposter neugierig auf die Ausstellung „Kaiserdämmerung – zwischen Monarchie und Demokratie“ im Neuen Palais, dem bevorzugten Residenzschloss der kaiserlichen Familie.

Kaiser Wilhelm II. reiste am 29. Oktober 1918 in das Große Militär-Hauptquartier im belgischen Spa, ohne Potsdam jemals wieder zu sehen. „Es kommt uns niemand zu Hilfe“, soll der Kaiser kurz zuvor gesagt haben. „Wir stehen ganz allein und müssen eben mit Anstand untergehen.“ Im Neuen Palais kämpft Kaiserin Auguste Victoria verzweifelt gegen den Untergang des Kaiserreiches. In diesen für sie und ihrer Familie schicksalsschweren Tagen wird sie die Hauptakteurin gegen Prinz Max von Baden – und verliert. Der Reichskanzler bringt ohne Rücksprache mit dem Kaiser dessen Thronverzicht in die Öffentlichkeit. Voller Wut stellt die Kaiserin ihn zur Rede. Der Reichskanzler sei „nach dem Telefongespräch ,total zusammengeklapp’, so dass er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste“, schreibt Kurator Jörg Kirschstein.

Die Ex-Kaiserin scharrte im Neuen Palais ihre Kinder, Schwieger- und Enkelkinder um sich. Am 10. November wurde ihre Standarte von der Kuppel der Kolonnaden eingeholt. Doch Mannschaften der Potsdamer Garnison sicherten die Residenz ab. Auguste Victoria verstand den Aufstand der Matrosen und der Arbeiter nicht, denn schließlich, so glaubte die Kaiserin, hatte sie ein Herz für das Volk. Sie baute Kirchen und engagierte sich für das Lazarettwesen. Als junge Frau schrieb sie: „Ich halte es für ungerecht, dass die armen Leute so wenig Resultate ihrer Arbeit sehen und genießen. Wie können wir Höhergestellten, wenngleich wir Sympathien für diese Frage haben, ihnen helfen? Ich meine, dass es unsere heilige Pflicht ist, nicht nur nach der eigenen Behaglichkeit zu streben, sondern das Glück anderer zu fördern.“ Mit solcher Bescheidenheit und Demut war es bald zu Ende. Auguste Victoria entdeckte wie ihr Mann den Pomp, den Luxus und die großen Auftritte, die sie sehr genoss. Am 27. November 1918 verließ Auguste Victoria das Neue Palais, was ihr nach eigener Aussage sehr schwer fiel. Seit Juni 1888 war es ihr Lieblingsschloss gewesen. Bis dahin hatten ihre Schwiegereltern, der liberale 99-Tage-Kaiser Friedrich III. und seine Frau Victoria, im Palais residiert. Kaiser Friedrich starb dort nach schwerer Krankheit am 15. Juni 1888.

Auguste Victoria folgt 1918 ihrem Mann ins Exil in die Niederlande, zunächst auf Schloss Amerongen, dann nach Doorn, wo sie am 11. April 1921 stirbt. Wilhelm schreibt: „Der Kaiserin hat der Umsturz das Herz gebrochen. Sie alterte vom November 1918 an zusehends und konnte den körperlichen Leiden nicht mehr die frühere Widerstandskraft entgegenstellen. So begann bald ihr Siechtum. Am schwersten trug sie das Heimweh nach der deutschen Erde, nach dem deutschen Lande “ 

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„Kaiserdämmerung: Das Neue Palais zwischen Monarchie und Republik 1918–1927, zu sehen bis 12. November im Neuen Palais

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