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Models in Paris

© Lhuillier

Junge Frauen aus Paris im Potsdamer Treffpunkt Freizeit: So schön verloren

Gibt es sie überhaupt noch, die Pariserin? Jean-Baptiste Lhuillier begibt sich fotografisch auf die Suche.

Ist die Pariserin mittlerweile nur noch ein romantischer Mythos, bekannt aus Filmen von Jean-Luc Godard und Louis Malle – aber im Grunde doch längst verschwunden im Gewimmel der modernen Touristenmetropole? „Die Frauen, die ich fotografiert habe, sind meistens aus anderen Städten und Ländern nach Paris gekommen“, sagt Jean-Baptiste Lhuillier. Seine Schwarz-Weiß-Fotos von jungen Frauen in Paris sind derzeit in der Fotogalerie Potsdam zu sehen. Der Titel: „Parisienne“.

Ein Pendler zwischen Potsdam und Paris

Dass der junge Franzose in Potsdam ausstellt, ist kein Zufall. Hier hat er bis 2015 gelebt, nachdem er unmittelbar nach dem Abitur in Potsdam zu studieren begonnen hatte. Seine Freundin lebt in Berlin, was ihn regelmäßig in die Hauptstadt führt. Als promovierter Rechtswissenschaftler ist Lhuillier gegenwärtig in einer Kanzlei in Luxemburg tätig. „Aber mit meinem ganzen Herzen bin ich bei der Fotografie“, sagt der Jurist.

„Lhuillier hat einen ganz eigenen Stil gefunden“, sagt Ralph Gräf, der für die Galerie die Ausstellung mit organisiert hat. Lhuillier fotografiert mit einer analogen Mittelformatkamera, einer Rolleiflex, und einer ebenfalls analogen Nikon. Die Vergrößerungen der Bilder hat er in seiner Dunkelkammer belichtet und abgezogen: „Ich experimentiere da gerade sehr viel und habe mir einige Meter von dem entsprechenden Papier besorgt, auf dem ich die schwarz-weißen Fotos herstellen kann.“ Einige der Fotos sind nicht vollständig belichtet, wirken verwischt, die meisten sind eher grobkörnig.

Jean-Baptiste Lhuillier, eigentlich Jurist, fotografiert gern analog. Vor allem angehende Models auf Gängen durch Paris. In Potsdam hat er studiert.
Jean-Baptiste Lhuillier, eigentlich Jurist, fotografiert gern analog. Vor allem angehende Models auf Gängen durch Paris. In Potsdam hat er studiert.

© J.-B. Lhuillier/R. Gräf

Der analoge Zufall

Die Idee, analog zu fotografieren, ergab sich aus einem Zufall. Mit seiner Freundin stöberte Lhuillier auf dem Dachboden, entdeckte die Kamera und wollte schauen, ob sich damit etwas ganz anderes als die schnell und massenhaft geklickten Bilder moderner Digitalkameras machen lässt. Nicht nur das Sujet und die Art und Weise der altmodischen analogen Reproduktion kennzeichnet die Bilder. Es sind sensible Eindrücke von Frauen in einer Metropole, die meist nicht ganz zufällig wirken, aber auch kein gezieltes Fotoposing sind.

„Die Frauen kommen von Agenturen und wollen in Paris als Model für Firmen arbeiten“, erklärt Lhuillier. Er zahlt den Frauen kein Honorar, aber sie erhalten die Abzüge und freuen sich, wenn ihr Foto in einer Ausstellung erscheint, sagt er. Dementsprechend findet sich auf den Karten zu den Fotos auch die jeweilige Instagram-Adresse der Frauen für mögliche Auftraggeber.

Nur wenige der Frauen wurden in der Metropole geboren. „Mir sind die Begegnungen wichtig, die Atmosphäre“, sagt Lhuillier. Es sei zunächst gar nicht so einfach gewesen, das Vertrauen der Agenturen zu gewinnen, denn er weiß: Häufig gehen dort auch zwielichtige Angebote ein. Einige der Models arbeiten bereits für Fotoagenturen, andere suchen noch nach Verträgen und Auftraggebern. Es ist diese Unsicherheit, das Leben in einer Situation, die sich in eine noch nicht vorhersehbare Richtung entwickeln wird, die den Blick und die Haltung der jungen Frauen prägt.

Die Chance auf den Traumberuf

Polly zum Beispiel stützt sich auf einen Kaffeetisch, ihr langes Haar fällt herab, sie scheint in einem weiten Mantel zu versinken. Der Blick der jungen Frau ist offen, fragend, sie lächelt ein wenig. „Sie arbeitet für Chanel“, erinnert sich Lhuillier. Wenigstens fünf Sprachen spreche das Model, sie stamme aus Weißrussland, sei in Deutschland aufgewachsen, lebe mit einem Franzosen zusammen in Paris. Das sei gar kein so ungewöhnlicher Lebenslauf, er ähnele denen vieler anderer Frauen, mit denen er gesprochen habe.

Die französische Metropole zieht offenbar viele schöne Frauen an und scheint manchen eine Chance zu bieten, in einem häufig zum Traumberuf verklärten Metier zu arbeiten. Lhuilliers Fotos entstehen auf Spaziergängen durch die Stadt, im Verlauf von Plaudereien und Gesprächen. Das Vertrauen, das die Abgebildeten dem Fotografen entgegenbringen, ist auf den Bildern zu sehen.

Aber Lhuillier hat auch ein gutes Auge für Komposition und Stimmung. Inés reißt das Bein hoch in die Luft, im weit aufgerissenen Winkel fährt ein alter Citroën 2CV, eine „Ente“, vorbei. Der Winkel des Beines wiederholt sich in einer Reiterfigur, die schemenhaft im Hintergrund zu sehen ist. Er habe viele Variationen von dem Bild gemacht, bis er das Motiv fand, das nun in der Ausstellung zu sehen ist, sagt Lhuillier. Manchmal entstünden aus den Fotos auch Bekanntschaften, die über das Ereignis andauern würden, so der Fotograf. Es ist das Interesse an den Menschen und den Geschichten, das ihn bei seiner Fotografie antreibt. So entstehen sensible Einblicke in moderne Großstadtleben, die für einen Moment zusammentreffen und dann wieder im Strom der Vorbeihastenden verschwinden.

„Parisienne“, Galerie im Treffpunkt Freizeit, Am Neuen Garten 64, Montag bis Freitag 8 bis 21.30 Uhr und zu Veranstaltungen im Treffpunkt Freizeit. Bis 9. Oktober

Richard Rabensaat

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