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Jüdisches Filmfest in Potsdam: Die Liebe und der Holocaust

Der israelische Starregisseur Eran Riklis war beim Jüdischen Filmfestival zu Gast. Sein Film "Playoff" ist eine emotionale Suche nach den Wurzeln des Protagonisten Max Stoller, der den legendären Basketablltrainer Ralph Klein verkörpert.

Er greift mitten in die immer noch schmerzenden Wunden. Der Film „Playoff“ des israelischen Starregisseurs Eran Riklis, der im Rahmen des diesjährigen 19. Jüdischen Filmfestivals am Dienstagabend im Thalia-Kino in Babelsberg gezeigt wurde, basiert auf der Lebensgeschichte des legendären Basketballtrainers Ralph Klein. Der trainierte von 1983 bis 1986 die deutsche Nationalmannschaft, was ihm seine israelischen Landsleute übel nahmen und als Verrat ansahen. Diesen Aspekt der Lebensgeschichte Kleins und des deutsch-jüdischen Verhältnisses vertieft der Film von Eran Riklis, der international bekannt wurde mit Streifen wie „Die syrische Braut“ oder „Lemon Tree“ und von dem zur Eröffnung des Festivals am Montagabend im Hans Otto Theater der leise aufwühlende Film „Zaytun“ gezeigt wurde: über die Annäherung zwischen einem israelischen Kampfpiloten und eines 12-jährigen palästinenischen Jungen während des Libanonkriegs im Jahr 1982.

In „Playoff“ schickt Regisseur Riklis den Trainer Max Stoller (Danny Huston) auf eine Reise in seine Vergangenheit. Vor vier Jahrzehnten musste er als Kind mit seiner Mutter aus Frankfurt am Main fliehen und von seinem Vater, einem jüdischen Möbelfabrikanten fehlt seitdem jede Spur. Stoller kehrt vier Jahrzehnte später als israelischer Erfolgscoach an den Ort des Geschehens zurück und als Zuschauer wird man Zeuge seiner sehr emotionalen Suche nach seinen Wurzeln und einer angenommenen Schuld. Denn Stoller glaubt bis dahin, dass er schuld am Tod seines Vaters sei. Als Kind hatte er mitten in den Judenverfolgungen in einer Konditorei ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte gestohlen. Sein Vater habe diesen Diebstahl bei der deutschen Besitzerin begleichen wollen und sei daraufhin für immer verschwunden.

Doch bevor Max Stoller erfährt, was damals, mitten im Holocaust, wirklich geschehen ist, muss er sich mit ganz anderen Problemen herumschlagen. Der junge Kapitän der deutschen Basketballmannschaft, Thomas, der von Max Riemelt gespielt wird, ist der Sohn eines deutschen Frontsoldaten, der bis zum bitteren Ende gekämpft und danach keinen Platz mehr in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft gefunden hat. Sein Sohn leidet unter dem Schicksal seines Täter-Opfer-Vaters, der sich zu Tode trank, und setzt dem erfolgreichen israelischen Trainer sehr viel Widerstand entgegen. Hier greift Eran Riklis Film, der 2011 entstand und Ende Mai auch in die deutschen Kinos kommt, ein Thema auf, das auch die heutige bundesdeutsche Gesellschaft sehr viel differenzierter als in den 80er-Jahren umtreibt.

Es geht um die (Spät-)Folgen von Krieg und Holocaust auf die nachfolgenden Generationen der ehemaligen Täter und Opfer. Die Journalistin Sabine Bode hat viele sogenannte Kriegskinder und -enkel dazu befragt. In Eran Riklis Film, der die deutsch-jüdische Problematik noch mit der Geschichte der türkischen Arbeitsmigrantin Eniz und ihrer Tochter Sema verknüpft, die in Deutschland ihren ebenfalls verschwundenen Mann Ibrahim sucht, brechen Schuld und Scham, Wut und Verdrängung sehr schnell hinter den freundlich „gestrichenen Fassaden“ hervor. Der junge Basketballspieler misstraut dem ehemaligen Opfer und neidet ihm den heutigen Erfolg, und der früh traumatisierte Trainer hat seine Geschichte so lange verdrängt, dass sie jetzt mit Vehemenz hervorbricht und zeigt, wie viel Vergebungsunwilligkeit er im Gepäck hat.

Und obwohl „Playoff“ aus insgesamt drei Hauptplots besteht, und es einem damit nicht leicht macht, die ungemein vielschichtige Problematik zu verdauen, ist es ein Film, der berührt. Schön war es im lockeren, von Knut Elstermann moderierten Filmgespräch zu erleben, wie der junge Schauspieler Max Riemelt und die Jugenddarstellerin Selen Savas mit dem Thema wissend, aber emotional unbefangen umgehen können. Und Eran Riklis zeigt mit „Playoff“ – am Ende doch einigermaßen unerwartet – , dass die Liebe in diesem Falle mehr Macht hatte als der Holocaust.

Auch sein wunderbarer, nie sentimentaler Film „Zaytun“, der zur Eröffnungsgala gefeiert wurde, erzählte von diesem Unerwarteten, fast Undenkbaren: von der Möglichkeit der menschlichen Annäherung über die Gräben des Schlachtfeldes hinweg. In dem Roadmovie durch den zerbombten Libanon werden auf den Minenfeldern der Politik aus zwei Feinden Freunde. „Ich habe ihn mit ganz viel Herz und nur mit ein bisschen Verstand gedreht“, sagte der israelische Regisseur nach der bewegenden Aufführung.

Georgia Tornow, die die mit Reden etwas überstrapazierte Gala schwungvoll moderierte, sagte in einem kurzen philosophischen Exkurs, dass sie sich durch das diesjährige Festivalmotto „We come in Peace“ irritiert gefühlt habe. Denn die politische Botschaft laute eben oft: Hier sind wir, und da seid ihr. „Das ist gefährlich. Man bleibt in der Konfrontation gefangen.“ Riklis Film habe einen anderen Ansatz gefunden: „Es geht um die Kategorie Freund und Feind und die ist beweglich. Da kann man handeln.“

Ein Ausdruck des Handelns im Sinne von Verständigung ist gerade auch dieses Festival, das seit vielen Jahren mit Bundesmitteln gefördert wird und seit zehn Jahren mit in Potsdam stattfindet. Bisher wurde die Finanzierung immer nur für ein Jahr bewilligt. Wie Kulturstaatsminister Bernd Neumann zur Eröffnung sagte, erhalte das Festival künftig mehrjährige Planungssicherheit. „Der Bund fördert es jetzt aus dem Hauptstadtkulturfond mit jährlich 100 000 Euro. Das ist zumindest eine gute Basis“, so Neumann.

Für ihn sei das Festival eine wichtige Facette des jüdischen Lebens, das in Deutschland wieder sichtbar werde. Jüdische Filme, Filmemacher und Themen wieder in die deutsche Filmlandschaft zu holen und nach dem Zivilisationsbruch des Holocaust zu neuen Formen des Miteinanders zu finden, dazu leiste dieses Filmfestival einen wichtigen Beitrag, betonte er. (mit Jä)

Das jüdische Filmfestival ist bis heute im Thalia-Kino zu Gast, danach sind noch bis zum 12. Mai die insgesamt über 30 Streifen im Berliner Kino Arsenal zu sehen

Astrid Priebs-Tröger

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