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Über den Bilderwahn unserer Zeit. Der Potsdamer Autor John von Düffel vor der Lesung seines neuen Buches „KL – Gespräch über die Unsterblichkeit“ in der Villa Quandt. In dem Buch, laut von Düffel weder Roman noch Erzählung, lässt er die fiktive Figur KL philosphieren oder, wie er schreibt, schwadrosophieren.

©  M. Thomas

John von Düffel schreibt über Karl Lagerfeld: Ein Bild von einem Mann

Schriftsteller John von Düffel las in der Potsdamer Villa Quandt aus seinem neuen Buch "KL"– einem fiktiven Dialog mit Karl Lagerfeld.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Wo beginnt sie eigentlich, die eigene Identität? Wo hört sie auf und wann wird sie zu einer Selbstinszenierung, die nichts mehr mit der eigenen Person zu tun hat? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Potsdamer Autor John von Düffel in seinem neuen Buch „KL – Gespräch über die Unsterblichkeit“, das er am vergangenen Sonntag bei einer Buchpremiere in der Villa Quandt vorstellte.

In dem Buch, das nach Aussage des Autors weder als Roman noch als Erzählung betitelt werden kann, führt das erzählerische Ich einen Dialog mit KL, einem Modeschöpfer, dessen Identität sich dem Leser schnell enthüllt: Ganz klar ist hier Karl Lagerfeld beschrieben. Nicht nur die Kleidung weist darauf hin. Auch die Art, Sätze zu formulieren, der beschriebene näselnde Tonfall sprechen eindeutig für den Designer des Modeklassikers Chanel. Von Düffel macht aus der Identität seines Protagonisten auch gar kein Geheimnis. Schon der Umschlag des Buchs ist in seinem Layout deutlich an das Design von Chanel angelehnt, und in einem kleinen Vorwort heißt es: „Ähnlichkeiten mit lebenden Ikonen sind nicht zufällig, sondern beabsichtigt.“

Lagerfelds Stimme schimmert durch

Zweieinhalb Monate, so erzählte von Düffel am Sonntag, habe er intensiv recherchiert, viele Interviews gelesen. Auch beim Schreiben des Buchs blieb er der Figur Karl Lagerfeld nahe. Auch in der Villa Quandt glaubte man manchmal, Lagerfelds und nicht von Düffels Stimme zu erkennen, glaubte zu hören, wie der Modekünstler leicht von oben herab, fast verächtlich und doch irgendwie liebevoll die Welt beschreibt. Man glaubte den Luftzug seiner Handbewegungen spüren zu können und obwohl von Düffel natürlich weder Sonnenbrille noch Halbhandschuhe trug, sah man genau diese ständig vor sich.

Es ist also ein kleiner Zauber, den der Autor in diesem Buch vollbracht hat: Keines der dort beschriebenen Gespräche hat wirklich stattgefunden, von Düffel ist Karl Lagerfeld noch nie begegnet. Doch die philosophischen Abhandlungen, die er ihm in den Mund legt, klingen, als enstammten sie tatsächlich dem Modeschöpfer und nicht dem Potsdamer Autor selbst, der hier seine Meinung über soziale Netzwerke, Prominentenüberpräsenz und so manches mehr präsentiert.

Die Idee kam beim Zahnarzt

Die Idee, Karl Lagerfeld zum Gegenstand eines Buchs zu machen, kam von Düffel beim Zahnarzt, als er in einer Promi-Zeitschrift blätterte. Ihm schoss da durch den Kopf, dass er mit diesem Mann ein Gespräch führen müsste – zumindest gedanklich, der Rest bleibt Fiktion. „Natürlich ist das kein umfassendes, neutrales Porträt von Karl Lagerfeld, sondern einfach eine Seite von ihm, die mir interessant erschien“, so von Düffel. „Ansonsten steckt da eine Menge von mir drin.“ 

Die Annäherung an die Figur des Modeschöpfers – als reale Person bezeichnet der Autor ihn nicht – verlief laut von Düffel wie bei der Aneignung einer Rolle. „Im Theater recherchiert man sehr lange für eine Figur, bis man sie schließlich auch über die Bühne hinaus, im alltäglichen Leben spielen könnte.“ Ähnlich war es wohl auch hier. „Irgendwann glaubte ich zu wissen, was er wie sagen könnte und wie er wann reagieren würde.“

"Die eine Vollweib, die andere Witzfigur“

Interessiert hat den 1966 in Göttingen geborenen Dramatiker von Düffel – sein Stück „Das permanente Wanken und Schwanken von eigentlich allem“ läuft derzeit am Hans Otto Theater – dabei vor allem das Verhältnis von Identität und Selbstinszenierung sowie die Bedeutung des Bildes einer Person. Seiner Meinung nach befinde die Gesellschaft sich gerade in einer Zeit, in der das Bild eine stärkere Rolle einnimmt als je zuvor. „Nur wenige Menschen haben dabei eine Kontrolle über die Bilder, die sie abgeben. Karl Lagerfeld ist einer von ihnen, was ihn irgendwie zu einer modernen Figur macht. Das finde ich faszinierend.“

Die beiden Nebenfiguren des Buchs – eindeutig als Moderatorin Barbara Schöneberger und Ex-Politikerin Heide Simonis zu identifizieren – hätten hingegen jegliche Kontrolle darüber verloren, was für von Düffel ein interessanter Gegensatz war. „Die beiden sind im Prinzip Opfer der Rollen, die ihnen auferlegt wurden, die eine Vollweib, die andere Witzfigur“, so von Düffel. „Lagerfeld hingegen spielt mit seiner selbsterdachten Rolle, lässt sich alle Freiheiten.“

Und vielleicht stimmt es ja: Es gibt keine konkreten Beschreibungen seines Lebens, keine Biografie, nur Informationen, die der Modeschöpfer selbst zulässt. Bei aller Freiheit, findet von Düffel, ist er damit gleichzeitig gefangen in sich selbst und damit eine tragischen Figur. „Auf der anderen Seite hat er eine große Skurrilität, fast schon eine Komik, die auch in meinem Buch eine große Rolle spielt“, so von Düffel. Diese Ambivalenz, die sich in den vielen Facetten bei Lagerfeld widerspiegele, habe ihn beim Schreiben sehr gereizt und sie ist es letztendlich auch, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, die Lust am Lesen nicht abbrechen lässt.

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