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Jörg-Peter Weigle, gibt heute seinen offiziellen Potsdamer "Einstand".

© promo

Jörg-Peter Weigle in Potsdam: Der Klang der Zeit

Jörg-Peter Weigle, Generalmusikdirektor des Brandenburgischen Staatsorchesters, gibt heute seinen Einstand in Potsdam.

Neue Besen kehren gut, sagt man. Was hat sich Jörg-Peter Weigle, der als Nachfolger von Howard Griffiths seit 1. September als Generalmusikdirektor die musikalischen Geschicke des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt lenkt, für seine fünfjährige Amtszeit vorgenommen? „Auf jeden Fall nicht kehren!“

Stattdessen will er an Vorgefundenes anknüpfen: an das Können der begeisterungsfähigen Musiker, ihre Flexibilität, ihren unbedingten Willen zur Klanggestaltung, ihre Bereitschaft, des Dirigenten Ideen anzunehmen, Neues auszuprobieren. „Mir liegt daran, dass wir Programme machen, die in sich konsistent sind“, so der Maestro im Gespräch. „Für jede der kommenden Spielzeiten gibt es ein bestimmtes Motto, das in diesem Jahr ,SeineOderMoskwa’ lautet und Peter Tschaikowsky sowie Claude Debussy anlässlich ihrer Todestage gewidmet ist.“ Was aber gleichzeitig auch ein politisches Statement bedeutet, denn „Europa hat künstlerisch schon immer von grenzüberschreitender Zusammenarbeit gelebt, von Neugier, die sich gegenseitig befruchtet hat.“

Violinkonzert des Amerikaners Samuel Adler

Daher sei es kein Zufall gewesen, am 9. November, dem Todestag von Tschaikowsky, dessen 6. Sinfonie „Pathétique“ zu spielen und mit Gustav Mahlers Adagio aus der 10. Sinfonie der Überlegung zu folgen, „welche Auswirkungen der russische Komponist auf andere hatte“, so Weigle. „Gibt es Linien, die man verfolgen kann, die historisches Gewicht haben?“ Dazu gesellt sich noch das Violinkonzert des Amerikaners Samuel Adler. Was am gestrigen Freitag in der Frankfurter Konzerthalle erklang, ist heute im Nikolaisaal als 3. Sinfoniekonzert zu hören, mit dem Jörg-Peter Weigle seine dirigentische Antrittsvisite in Potsdam absolviert. Werden die Potsdamer ihn mit offenen Armen und Herzen aufnehmen?

Geboren wurde Jörg-Peter Weigle 1953 in Greifswald. Aufgewachsen ist er dagegen in Anklam, wo der Vater als Pfarrer tätig war. „Musikalisch sehr begabt, der Orgel und Klavier mehr oder weniger autodidaktisch gespielt hat, gut improvisieren konnte und über ein Gespür für Romantik verfügte“, so der Sohn über den Vater. „Er dürfte als Erbgeber für meine Neigung zur Musik durchaus infrage kommen.“ Die sich bereits beim Fünfjährigen vehement Bahn brach, als er zu den Klängen des heimischen Plattenspielers dirigierte. Seine Mutter habe einen „tollen Sopran gehabt und sehr schön gesungen.“ Und so hatten die Musen im Pfarrhaus eine wahre Heimstatt gefunden. „Hinzu kommt, dass in der Familie viel Musik gemacht wurde. Mein Bruder Gottfried, Landeskirchenmusikdirektor in Berlin, und zwei weitere Geschwister, die ebenfalls sehr musikalisch sind und Instrumente spielen, vervollständigen die musikalische Weigle-Dynastie.“

Als Zehnjähriger fing er als Knabensopran an

Zu der gehört unter anderem auch der Neffe Sebastian, einst Solohornist der Staatskapelle Berlin und jetziger GMD der Oper Frankfurt. „Von meinen drei Kindern sind zwei ebenfalls Profis geworden“, vervollständigt Jörg-Peter Weigle die entsprechende Genealogie: „Der Sohn spielt im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Cello, die Tochter Geige in der Staatskapelle.“

Doch zurück in die Anklamer Kindheit. Aus sehr pragmatischen Gründen waren die Eltern der Meinung, dass der Sprössling aus Anklam weg müsste. Mit seiner hübschen Gesangsstimme sollte er versuchen, in Leipzig Thomaner zu werden. Eine persönliche Weichenstellung, nicht ohne politischen Hintergrund. „Schließlich war es in den 60-er Jahren nicht sicher, dass ich als Pfarrerssohn Abitur machen könnte. Deshalb war mein Vater der Meinung: Thomaner sei eine gute Sache, denn dort werde man wahrscheinlich automatisch zum Abitur getragen.“ So geschah es denn auch. Als Zehnjähriger fing er als Knabensopran an, wechselte drei Jahre später, als es mit der Höhe nicht mehr so recht klappen wollte, zu den Knabenalten. Nach dem Stimmbruch ging’s im Tenor weiter. 

Geworden ist er Dirigent

Mittlerweile ist er im Bariton gelandet. Und Dirigent geworden. Wie es dazu kam? Als Thomaskantor Erhard Mauersberger plötzlich erkrankte, ergab sich für den 17-Jährigen die Gelegenheit, des Chores wöchentliche Motette zu dirigieren. Ein Jahr später, am Ende seiner Zeit bei den Thomanern, war Weigles Berufswahl entschieden und er wusste: Dirigieren ist was für mich! Zwischen 1973 und 1978 studierte er an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ bei Horst Förster (Dirigieren), Dietrich Knothe (Chorleitung) und Ruth Zechlin (Kontrapunkt), vervollständigte seine Ausbildung durch die Teilnahme am Weimarer Musikseminar bei Kurt Masur, sowie beim Internationalen Meisterkurs in Wien. Und seither wechselt sich in seinem Leben Orchester- mit Chorarbeit ab. „Nach dem Studium habe ich meine Karriere in Neubrandenburg bei einem Orchester begonnen, da hat mir der Chor gefehlt. Danach, beim Rundfunkchor Leipzig, hat mir das Orchester gefehlt – kurzum: ich fühlte mich immer ein bisschen hin- und hergerissen.“

Der Zwiespalt der Seele fand immer dann sein Ende, wenn er beides verbinden konnte. Beispielsweise bei der Dresdener Philharmonie oder den Stuttgarter Philharmonikern. Beiden Leidenschaften will er nun auch in Frankfurt (Oder) frönen, wenn er mit dem Staatsorchester und der dortigen Singakademie Chorsinfonik aufführt. Oder mit dem von ihm seit 2003 geleiteten Philharmonischen Chor Berlin. Gern erinnert sich Jörg-Peter Weigle auch an seine Professur für Chordirigieren bei „Eislers“, deren Rektor er für einige Jahre war. Egal, ob Orchester oder Chorensembles: Stets waren und sind Klänge das, was ihn interessiert. „Ich versuche den Klang der jeweiligen Zeit zu finden, wie er sich über die Epochen hinweg entwickelt hat, und Werke auf einen ganz bestimmten, stilistisch unverwechselbaren Klang hin zu formen – und zwar in inhaltlicher Absicht.“ Ein spannender Abend steht ins Haus.

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Heute um 19.30 Uhr im Nikolaisaal, Wilhelm-Staab-Straße 10/11. Konzerteinführung: 18.30 Uhr, Studiosaal (Eintritt frei).

Peter Buske

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