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Jardín de la Croix aus Madrid spielen am Sonntag.

© promo

Jazzfestival im Freiland: „Krumm & Schief“: Neuer, verfrickelter, experimenteller

Im Freiland findet heute und morgen das "Krumm&Schief"-Festival statt - und will zeigen, was aus dem Jazz von heute werden kann

Manche Aussagen wollen die Veranstalter des ersten „Krumm & Schief“-Festivals, das an diesem Wochenende im Freiland stattfindet, gar nicht so gern hören. Aus Bescheidenheit vielleicht, weil sie selbst Musiker sind. Aber Potsdam hat sich nicht zuletzt durch das Musikerkollektiv „Brausehaus“ mittlerweile einen Namen gemacht, wenn es um die Neuerfindung von längst verstaubt geglaubter Jazzmusik geht. Und selbst das weisen die Macher von „Krumm & Schief“ strikt zurück: So richtig Jazz sei das ja gar nicht, höchstens teilweise, sagt Sebastian Reinhold, in dessen Kopf die Idee des Festivals entstand. Und überhaupt: „Jazz hat für mich überhaupt nichts Verstaubtes.“ Reinhold weiter: „Diese Musikschul-Interpretation von Jazz regt mich tierisch auf. Irgendwelche Standards, die in irgendwelchen Soli enden, wer braucht das schon?“ Dabei sei Jazz ja die Revolution der herkömmlichen Musik gewesen; aber das sei auch schon hundert Jahre her. Immerhin: Ohne Jazz hätte es den Rock’n’Roll nicht gegeben. „Aber heute ist Jazz anders. Neuer. Verfrickelter. Experimenteller.“

Und wie sich das anhört, das kann man am heutigen Samstag und morgigen Sonntag erleben: „Endlich mal ein Jazzfestival mit Stehen und Sterni!“, wie es die Potsdamer Band Minerva formulierte, die mit ihrem Krautrock-Konglomerat aus Saxofon und Psychorock natürlich auch am Start ist. Diese Fusion war ursprünglich gar nicht so geplant, sondern als ein klassisches Jazzfestival, passend zum verregneten Herbst, schön dunkel und traurig.

Aber dann wurde alles ganz anders: Während der Planung kamen immer neue Ideen dazu, wie Jazz interpretiert werden könnte. „Da kann man eigentlich schon von Avantgarde reden“, meint Reinholds Kollege Julius Mühlstein.

Kann man das? Mit dem Headliner am Sonntag, der spanischen Band Jardín dela Croix, wurde immerhin ein Volltreffer gelandet, den sich niemand erträumt hätte: „Jackpot“, sagt Reinhold. Auch weil die Band, die für ultralange, kunstvoll verwobene Klangteppiche bekannt ist, gerade mit einem neuen Album auf Tour ist und kurzerhand ihre Teilnahme zusagte. Oder mit einer Band namens Frau Duffner, die mit Minimal-Post-Trip-Hop aufwartet. Darunter kann man sich erst einmal nichts vorstellen. Vielleicht aber unter dem Vester-Eissmann Trio um den Potsdamer Jazzer Moses Vester oder dem Efrat Alony Trio: „Bevor du nicht eine dieser akademischen Jazzbands hast, ist es auch kein Jazzfestival“, sagt Reinhold. Oder der verfrickelten Mathrock-Band Dwarphs. Und ja: Letztens, beim Durchhören des Line-ups, sei er selbst überrascht gewesen, wie schräg sich das anhöre. Darüber wäre das Festival unlängst fast gescheitert: Man habe sich einfach auf keinen Namen einigen können.

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Und wer keine Lust auf solche „freakige“ Musik habe, die bereits ab 14 Uhr zu hören ist, der könne einfach später ins Spartacus zur Aftershow mit der Stethoscope Crew kommen. Aber auch die Drum’n’Bass-Electro-DJs werden experimentell aufgelegt sein, keine Frage. Exklusiv ist das Ganze nämlich nicht: Dafür ist der Potsdamer Sound selbst experimentell genug. Gut so. Niemand sollte Jazz dem Stillstand überlassen.

Oliver Dietrich

Samstag und Sonntag jeweils ab 14 Uhr im Spartacus und im Haus 2 auf dem Freiland-Gelände, Friedrich-Engels-Straße 22

Oliver Dietrich

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