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Schön schräg. Konzert-Performance mit Tristan Honsinger und Joel Grip.

© Schulze

Jazz in Potsdam: Wenn Noise-Gitarre auf Blockflöte trifft

Langweilig wird’s nie: Nicolas Schulze über das neue Jazzlab-Programm und die Jazzszene in Potsdam.

Vielleicht wird gejammt, vielleicht wird gesungen, vielleicht wird getanzt – was genau beim Jazzlab am morgigen Freitag in der fabrik am Ende passiert, lässt sich nicht immer exakt vorhersagen. Doch genau das ist der Reiz des Formats, das sich selbst als „Klanglabor und Hörwerkstatt“ begreift: „An einem Abend stand ein Gitarrist auf der Bühne und hat Noise gemacht, und vorne stand eine Blockflötistin – das war echt witzig und kreativ“. „Die beiden hätten unter normalen Umständen nie miteinander gespielt. Solche Begegnungen finde ich total toll!“, sagt Nicolas Schulze, der das Jazzlab 2013 zusammen mit Oliver Fröhlich ins Leben gerufen hatte.

Seit sechs Jahren bringt der Potsdamer Pianist erfolgreich Musiker verschiedenster Coleur und Profession zusammen, um auf der offenen Grundlage des Jazz Ungehörtes und Unerwartetes hervorzubringen. Rund 150 internationale Künstler – vom Solo-Musiker bis zum großen Gospel-Chor – waren schon am Jazzlab beteiligt. Zu den Gästen zählten unter anderem der Multimedia-Performance-Künstler und Instrumentenerfinder Bob Rutman, der portugiesische Schlagzeuger Rui Faustino, der indische Tabla-Spieler Soumitra Paul oder die israelischen Tänzer Michal Hirsch und Tomer Zirkilevich.

Eine Arbeit, die honoriert wird: In diesem Jahr fördert die Stadt die Veranstaltungsreihe mit 7000 Euro, im vergangenen Jahr waren es 5000 Euro gewesen. „Darüber freue ich mich natürlich, denn ohne diese Förderung könnten wir das Jazzlab nicht machen. Wir nehmen keinen Eintritt und wollen das auch weiterhin nicht tun, damit wir nicht in kommerzielle Zwänge rutschen“, sagt Schulze.

Saison-Auftakt für die acht Veranstaltungen in diesem Jahr ist der 15. März: Wie immer startet der Abend mit einem Konzert: diesmal mit der Sängerin und Tänzerin Yuko Matsuyama und dem Saxophonisten Alexander Beierbach. Im Anschluss gibt es eine Open Stage, bei der jeder aus dem Publikum sich ein Instrument schnappen und drauflos musizieren darf, egal ob Profi oder Amateur, Rock- oder Jazz-Musiker, Tänzer oder Performance-Künstler. „Das Programm ist schon speziell, wir gehen da auch immer ein Risiko ein“, sagt Schulze.

Das interdisziplinäre Improvisieren ist Schulze, der selbst viel im Bereich Tanztheater unterwegs ist, sehr wichtig: „Wir hatten schon oft die Kombination aus Tanz und Musik, einmal hatten wir auch einen Maler, der vorne auf riesige Leinwände gemalt hat, während hinten auf der Bühne musiziert wurde.“ Schulze hat auch keine Berührungsängste zu „unjazzigen“ Genres: „An einem Abend haben wir klassische Punksongs auf unsere Art und Weise als Jazzband gespielt.“ Für die Zukunft will Schulze das Format noch weiter öffnen und vor allem die Verbindung von Musik und Tanzperformance ausbauen.

Vielleicht liegt es an genau dieser Konzeption, dass das Jazzlab ein relativ junges Publikum anzieht, das abseits von Rotwein-Klischees ein Interesse an Jazz hat. Mit durchschnittlich 40 bis 100 Gästen erfreut sich das Jazzlab eines relativ guten Zulaufs, wenn man bedenkt wie überschaubar die Jazz-Szene in Potsdam ist: „Es ist eine kleine, aber sehr lebendige Szene“, sagt Schulze. Im Wesentlichen gruppiert sie sich um die eher klassisch orientierte Veranstaltungsreihe Jazztime in Babelsberg rund um den Schlagzeuger Max Punstein, bei der Schulze auch regelmäßig spielt, und um das Jazzlab, das im Vergleich zu Jazztime experimenteller angelegt ist.

Darüber hinaus gibt es jedoch wenige Auftrittsmöglichkeiten für Jazz-Musiker in der Landeshauptstadt, es sei denn im Rahmen eines Festivals. „Deshalb ist Potsdam bei vielen Berliner Musikern auch unter dem Radar“, sagt Schulze. „Die fragen mich immer wieder, ob es vielleicht einen Jazz-Club oder etwas Ähnliches hier gibt, aber das haben wir leider nicht.“ Doch auch innerhalb Potsdams sieht Schulze noch Potential: „Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Musiker aus der Stadt mitmachen würden. Ich weiß, es gibt diese Musiker hier, die gut ins Jazzlab passen würden.“ Solche Mitstreiter hat Schulze etwa in den Technikern der fabrik gefunden, die mit „Delirium alias Menschenpest“ eine eigene experimentelle Progressive-Rock-Band gegründet haben. Wie das klingt, können Interessierte beim übernächsten Jazzlab am 26. April herausfinden, wenn Schulze zusammen mit der Band performen und improvisieren wird. Egal welches Ergebnis dabei herauskommt, ein Risiko geht man beim Jazzlab nie ein: dass es ein langweiliger Abend werden könnte.

Freitag, 15. März, 21 Uhr, fabrik Cafe, Schiffbauergasse, Konzert und Offene Bühne, Eintritt frei

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