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"Ist das Stadt oder kann das weg?"-Schau in Potsdam: Kunst als Kontrapunkt

Die Ausstellung „Ist das Stadt oder kann das weg?“ nimmt die Debatte um den Abriss des FH-Gebäudes am Alten Markt auf. Zwölf Künstler setzen sich mit dem Abriss und einer möglichen Weiternutzung des Gebäudes auseinander.

Potsdam - Annette Paul steht da wie Michelangelo vor der Fachhochschule. In der Kontrapost. Jener Haltung, das eine Bein stärker belastet, den gegenüberliegenden Arm mit Fingerzeig, die so typisch für die Bildhauerei der Renaissance und des Barock ist. So trägt die Performerin das Anliegen der Ausstellung vor, die sie mitkuratiert hat und die am Wochenende des 28. und 29. Mai an selbigem Ort zu sehen sein wird. Sie trägt es vor – mit der richtigen Haltung, wie sie sagt. So wie das heutige Potsdam eben: barock.

Künstlerin Annette Paul fragt: „Ist das Stadt oder kann das weg?"

Die Künstlerin macht sich einen Spaß aus der Debatte um den Wiederaufbau der historischen Mitte und meint es ernst dabei. Ihr Schriftzug „Ceci n’est pas un chateau“ – „Dies ist kein Schloss“ ziert den benachbarten Landtag. Gemeinsam mit vier anderen Frauen aus Berlin, Potsdam und Brasilien bildet sie das Kuratorenteam „Neudeuter“, das sich im April dieses Jahres gründete und in seinem ersten Projekt die Ausstellung „Ist das Stadt oder kann das weg?“ entworfen hat. Damit wollen sie – in Anlehnung an Joseph Beuys Fettfleckenkunst und den Streit um die Entsorgung von Beuys Arbeit, aus dem wiederum neue Kunstwerke entstanden sind – diese Frage auf die Gebäude in Potsdams Mitte bezogen neu stellen. „Ist das Stadt oder kann das weg – das sind zwei Fragen, die man nicht einfach beantworten kann“, sagt Paul. „Wir wollen mit einer Vielfalt von Antworten wachrütteln und der Diskussion, die leider nur Schwarz-Weiß kennt, ein Ende setzen und mehr Farbe in die Stadt bringen.“

Im Streit um den Abriss der FH und des Hotel Mercure prallen seit Langem Befürworter und Gegner aufeinander, derzeit läuft ein Bürgerbegehren der Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“, die sich auch an der Ausstellung beteiligt.

Abriss oder Weiternutzug des FH-Gebäudes

Gezeigt werden in der Fachhochschule Ende Mai Arbeiten von zwölf Künstlern, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem bevorstehenden Abriss und einer möglichen Weiternutzung des FH-Gebäudes auseinandersetzen. Da sind etwa die Teppichobjekte des Potsdamer Künstlers Tom Korn mit dem Titel „Flauschiger Realismus“. Dafür stellte er das Schwimmbad am Brauhausberg und das Minsk als Zeugnisse gelungener DDR-Architektur mit Teppichboden in Intarsientechnik nach. 

Oder die in der Groß-Glienicker Panzerhalle arbeitende Künstlerin Birgit Cauer: Sie nahm den an der Ostseite der Fachhochschule entfernten Brunnen zum Anlass, einen neuen zu konzipieren und diesen während der Ausstellungsdauer in Form von Fotos und Ausschnitten der Installation zu zeigen.

Das Gebäude als Geschenk statt als Zumutung

Die Arbeit der in Berlin lebenden Kiki Gebauer ist sicher die politischste und wird so vorerst auch nicht in Gänze zu erleben sein: Gebauer wollte die Fassade der Fachhochschule mit dem Schriftzug „Ceci est un cadeau“ – Dies ist ein Geschenk – „Wohl dem, der es annimmt“ gestalten. Die Erlaubnis der Institution dafür bekam sie nicht, sodass die Umsetzung der Idee sich nun auf das Format von Postkarten reduziert. „Ich glaube, dass die Professoren offen sind für diese Position, sich aber nicht getraut haben, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen.“ Das Gebäude als Geschenk statt als Zumutung – schließlich handele es sich bei der Fassade um eine Anlehnung an ein Bauwerk von Mies van der Rohe, sagt Gebauer. Anders als in Potsdam könnten sich in Städten wie Rom oder Paris kulturelle Zentren in Neubauten mit zeitgenössischen Positionen neben historischen Bauten behaupten, so die Kuratorinnen. Das Fachhochschulgebäude sei zeitgleich mit dem Centre Georges Pompidou in Paris entstanden, merkt Gebauer an. Empörend und anachronistisch ist für die Berliner Künstlerin vor allem, dass der Erhalt des Gebäudes als rückwärtsgewandt, das Barocke hingegen als vorwärtsgewandt gewertet werde.

An der Idee des Abrisses der Fachhochschule kritisiert Paul zudem die fehlende Ressourcenschonung. So sei unklar, wohin die Massen an Beton verbracht werden, die man keiner neuen Nutzung zuführen möchte. „Wie kann man so etwas Großes wegwischen und nicht mal wissen, wie es sich entsorgen lässt?“, fragt Annette Paul provokant. Mit der Idee, das Material Beton weiter zu nutzen, spielt denn auch die Ausstellung. Die zwölf Künstler sollen mit Betonstücken der FH ihre eigene Alchemie betreiben und mit einem selbst gewählten Verfahren „den Stein der Weisen schaffen, der die Stadt vergolden kann“. Filmische Sequenzen dieser Arbeiten werden gezeigt.

Die Ausstellung selbst wird nur zwei Tage zu sehen sein, eine längere Dauer lasse sich nicht mit den anderen Nutzungen der Räumlichkeiten vereinbaren, so Paul. Dies zeigt ihrer Ansicht nach ein weiteres Dilemma: Für öffentliche künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Thema fehle es an Räumen in der Mitte Potsdams.

Grit Weirauch

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