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Nina Gummich weiß, was sie möchte und sich selbst abverlangen kann.

© Andreas Klaer.

Interview mit Schauspielerin Nina Gummich: „Ich hoffe, dass es ohne den großen Knall geht“

Schon am Hans Otto Theater stach Nina Gummich heraus, seit ihrem Weggang 2018 erobert sie die Film- und Serienwelt. Ein Gespräch über zu wenig Kommunikation in der Gesellschaft und ihre Rolle in Juli Zehs „Unterleuten“.

Von Sarah Kugler

Frau Gummich, Sie haben im letzten Interview mit den PNN kurz vor Ihrem Weggang vom Hans Otto Theater gesagt, es sei Zeit für eine Theaterpause. Wie sieht es jetzt, zwei Jahre später, aus? Vermissen Sie es ein bisschen?

Ja klar, wenn ich nach Potsdam reinfahre und das Theater sehe, dann kommen natürlich sehr viele Erinnerungen hoch. Das ist noch alles da, und gleichzeitig ist es Vergangenheit. Man spürt, das war etwas Besonderes in seinem Leben, und jetzt ist da eine andere Truppe eingeritten. Ich freue mich immer sehr, wenn ich alte Kollegen auf der Straße treffe, dann unterhalten wir uns auch gleich.

Und die Sehnsucht nach der Bühne kommt zurück?

Wenn ich hier bin, kommt sie hoch. Nicht nur nach dem Theater, ich habe ja auch Lesungen hier gemacht. Ich fühle mich den Potsdamern auch irgendwie verbunden und würde mir gerne etwas ausdenken, ihnen wieder etwas zu geben.

Nun waren Sie die letzten zwei Jahre nicht untätig, haben unglaublich viel gedreht.

Das stimmt. 2018 habe ich allein zehn Filme gemacht. Danach habe ich besprochen, dass es gut wäre, wenn es jetzt in Richtung Hauptrolle geht. Aber das kann man ja besprechen, und es heißt noch lange nicht, dass es so passiert. Tatsächlich ist es aber so gekommen, das ist eigentlich ein kleines Wunder.

Sie haben Ihre erste große Rolle für die Netflix-Serie „Das letzte Wort“ mit Anke Engelke abgedreht, gerade sind Sie vom Dreh der dritten Staffel der Serie „Charité“ zurückgekehrt, heute Abend sind Sie im ersten Teil von „Unterleuten“ zu sehen.

Ja, und die nächsten großen Bücher liegen schon auf dem Tisch.

In „Unterleuten“ nach dem gleichnamigen Roman von Juli Zeh spielen Sie Miriam Schaller, eine junge Frau aus der Großstadt, die mit dem Dorfleben hadert. Nun sind Sie selbst aus der Großstadt…

Da musste ich nicht mehr viel spielen oder wie? (lacht) Nein, es stimmt, ich bin schon ein Stadtkind. Ich lebe allerdings in Potsdam und würde das nicht als Großstadt bezeichnen, aber auch nicht als Dorf. Für mich macht es diese Mitte. Ich liebe die Natur, die Seen, die Cafés. Alle Freunde sagen immer, das ist ja wie im Urlaub hier bei dir. Und so fühlt sich das für mich auch an. Potsdam ist die perfekte Stadt für mich im Moment.

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Nun ist in „Unterleuten“ nicht immer alles rosig. Die Menschen dort arbeiten eher gegeneinander als miteinander, sie überwachen sich. Wie empfinden Sie das hier?

Ehrlich gesagt, ich bin gerade zu wenig in Potsdam und wenn, dann in anderen Kreisen unterwegs, in denen alle ähnlich denken. Mich hat das Buch damals auch sehr berührt, als ich es gelesen habe. Ich kenne das von meiner Oma zum Beispiel, die wohnt auf dem Dorf und jeder weiß, was der andere macht. Was der Nachbar gestern erlebt hat. Ganz so empfinde ich Potsdam nicht, vielleicht verschließe ich da auch die Ohren. Aber das Thema ist natürlich aktuell.

Inwiefern?

Ich glaube schon, dass es ein großes Problem unserer Zeit ist. Dieses Sich-gegenseitig-beäugen. Ich wünsche mir, dass ein neues Bewusstsein kommt und wir lernen, anders miteinander umzugehen. Und ich hoffe, dass es ohne den großen Knall geht.

Den Knall zwischen den Gesellschaftsschichten.

Genau. Ich merke, dass es sowohl die eine als auch die andere Bewegung gibt. Die eine ist die, über die wir uns Sorgen machen, die andere ist die mit einem neuen Bewusstsein. Kommunikation zwischen beiden Seiten wäre wichtig und zunächst vielleicht auch über die eigenen Gefühle zu sprechen.

Das fällt vielen eher schwer.

Aber ich merke schon jetzt den Unterschied zwischen den Generationen, die jeweils ganz anders mit sich und Kommunikation umgehen. War es bei meiner Großmutter noch verschrien, zum Therapeuten zu gehen, ist das heute ganz normal. Es wird normal, über seine Ängste, über seine Gefühle zu reden, und das ist doch etwas Schönes.

Ist es denn für Sie auch normal?

Ich bin ja in einer Künstlerfamilie groß geworden. Das heißt, die Menschen infrage zu stellen, über seine Gefühle zu sprechen, darüber nachzudenken, warum die Welt so ist, wie sie ist, ist bei mir Mittelpunkt der ganzen Kommunikation gewesen. Das ist eine Besonderheit, das weiß ich. Das hält uns natürlich nicht davon ab, trotzdem Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte zu haben, aber für mich ist offene Kommunikation ganz alltäglich.

Ohne Ausnahme?

Ich merke natürlich auch, dass es in der Familie oder auch mit den engsten Freunden total schwer ist, weil man die Harmonie bewahren möchte und weil man nicht will, dass das auseinanderbricht. Aber ich bin seit ein paar Jahren dabei, die Wahrheit auf den Tisch zu packen und bin immer wieder erstaunt, dass die Leute nicht weggehen. Im Gegenteil: Meine Verbindungen werden immer schöner. Auch mit meinen Freundinnen gibt es inzwischen einen ganz ehrlichen Ton und wenn wir uns sehen, dann verbringen wir auch mal den ganzen Tag miteinander und führen richtig ernsthafte Gespräche. Mit der Gefahr, dem anderen auch mal auf den Schlips zu treten. Aber ich bin ein großer Verfechter von dem was ist, die Wahrheit auszusprechen. Und damit fahre ich sehr gut.

Die Potsdamer Schauspielerin Nina Gummich.
Die Potsdamer Schauspielerin Nina Gummich.

© Andreas Klaer

Wie ist das bei der Arbeit, Sie sprachen mal davon, dass Sie im Theater „zurückbrüllen“ können. Geht das beim Film auch?

Ja, ich kann auf jeden Fall sehr deutlich meine Grenzen setzen. Beim Theater war das etwas emotionaler als beim Film, aber ich bin immer direkt und selbstbewusst genug.

War es denn schon einmal nötig, bei einem Dreh Grenzen deutlich zu machen?

Kann ich mich tatsächlich nicht erinnern.

Die Rolle der Frau ist in der Filmbranche nach wie vor ein Thema. Haben Sie das Gefühl, dass sich etwas bewegt?

Ja, definitiv. Das Thema muss man weiterhin ernst nehmen. Es gibt immer noch große Unterschiede in den Gagen, aber ich weiß, dass meine Agentin sehr viel durchsetzt.

Gestern war Frauentag…

Stimmt. Musste man da auch etwas kaufen?

Musste nicht, aber der Tradition nach werden unter anderem Blumen verschenkt.

Ach, das ist schön. Aber ich finde diese Tage alle blöd, muss ich gestehen. Frauentag, Muttertag, Valentinstag. Für mich kann Frauentag sein, wenn ich die Weiblichkeit zelebrieren möchte oder wenn ich an jemanden denke und ihm etwas schenken möchte. Aber diese Tage sind doch irgendwie eine Erfindung, um Sachen zu kaufen, oder? Wir haben letztes Jahr zum Beispiel auch das erste Mal ganz anders Weihnachten gefeiert.

Wie denn?

Wir haben in Tschechien mit Freunden und Familie ein Haus gemietet, das war das schönste Weihnachten, das ich je hatte, weil es überhaupt nicht um Weihnachten ging. Die oberste Regel war, jeder darf machen, was er will und jeder lässt den anderen machen. Und so ist das erste Mal ein besinnliches Fest entstanden, das war total schön.

Sie haben also keine Scheu, mit Traditionen zu brechen?

Nein, ich bin persönlich für eine große Unabhängigkeit. Auch in meinem Beruf.

Sie haben nach dem Verlassen des Hans Otto Theaters eine Ausbildung zur Masseurin absolviert – um ein zweites Standbein zu haben?

Ich wusste nicht, wie es läuft, wenn ich mit dem Theater aufhöre. Es ist ein Traum von vielen, danach zum Film zu gehen, aber oft kommt es anders. Ich wollte etwas haben, womit ich mich beschäftigen kann. Das ist eine körpertherapeutische Arbeit, und für mich als Schauspielerin ist mein Körper mein absolut wichtigstes Instrument. Ich liebe es, mich damit auseinanderzusetzen und ihn gut zu behandeln. Und möchte das auch an andere Menschen weitergeben. Dieses Bewusstsein für den Körper.

Nutzen die Kollegen das aus und fragen nach einem anstrengenden Drehtag nach einer Massage?

Nein, ich lasse mich nicht ausnutzen. (lacht) Ich vergebe das sehr ausgesucht und wenn ich drehe, setzt das auch gerne mal ein halbes Jahr aus.

Sie scheinen ganz gut zu wissen, was Sie brauchen. Kommt daher auch die Leichtigkeit, die Unmittelbarkeit Ihres Spiels?

Also, es ist so: Ich habe unbewusst eine Methode entwickelt, mich vorzubereiten, indem ich das Wesen meiner Rolle im Vorhinein vorbereite. Ich bin eine sehr schnelle Textlernerin. Ich scanne den quasi und kenne den Text dann zwar nicht Wort für Wort, aber inhaltlich. Und dann gucke ich mir den Text bis zum ersten Drehtag nicht mehr an. Dann bin ich gezwungen, mich ganz auf den Moment einzulassen und dadurch, dass ich nicht jedes einzelne Wort weiß, entstehen manchmal neue Sätze, die ganz natürlich in meinen Mund reinpassen. Dadurch entsteht wahrscheinlich diese Unmittelbarkeit. Darüber hinaus achte ich darauf, Stress zu vermeiden.

Wie schaffen Sie das?

Indem ich in den Zwischenpausen sehr auf mich achte, viel schlafe, Stress vermeide, gut und regelmäßig esse. Und ich habe mich sehr viel mit mir beschäftigt. Habe schon sehr früh wissen wollen, wo was bei mir herkommt Was eigentlich mein Wesen ausmacht. Und ich habe ein sehr gutes Bewusstsein über mich und meine Gefühlswelt. Ich weiß, was mir guttut und kann gut für mich sorgen. Das hilft, dass ich dann ganz präsent sein kann- Und mein Wesen ist auch eben auch so.

Tiefpunkte gibt es sicher trotzdem?

Natürlich sackt man nach Drehende in so ein Loch. Ich merke dann, dass die ganze Energie weg ist und dann gilt es sehr gut auf sich zu achten, dass man darin nicht stecken bleibt. Das ist schwierig und ich denke, deswegen laufen auch so viele Schauspieler Gefahr, sich Alkohol oder Drogen hinzugeben. Weil man natürlich versucht, das Energielevel zu halten. Nach einem Dreh ist man auch einfach leer und dann muss man wissen, was einem gut tut, um sich wieder aufzubauen.

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Passenderweise übernehmen Sie in der dritten Staffel von "Charité" die Hauptrolle. Die Serie ist sehr beliebt, erhöht das den Druck?

Interessanterweise überhaupt gar nicht. Ich spüre auch die Verantwortung nicht negativ, ich hatte Lust darauf, ich war bereit dafür, es war genau der richtige Zeitpunkt. Für mich hat sich das so eingefühlt, als ob ich eine große Party schmeiße. Also ich bin immer da, alle Schauspieler kommen und gehen und es war einfach total schön, diejenige zu sein, die bleibt und mit allen spielen darf. Der einzige Unterschied ist das wahnsinnige Pensum, das man hat. Das zehrt kräftemäßig ganz schön.

Szenen werden oft auch nicht chronologisch gedreht.

Das ist die Herausforderung bei einer Figur, die man ganz auserzählen darf, dass man beim Dreh zwischen den Folgen, den Szenen hin- und herspringt. Die Figur hat dann manchmal schon ganz andere Entwicklungsstufen durchgemacht. Eine der letzten Szenen, die wir gedreht haben, spielt beispielsweise ganz zu Beginn der Staffel.

Da Sie auch schon vor Ihrer Zeit am Theater beim Film gearbeitet haben, ist das wahrscheinlich trotz der Anstrengung keine große Umstellung gewesen.

Nein, ich feiere dieses Jahr mein 20. Filmjubiläum, was glaube ich auch nicht viele sagen können mit 28 Jahren. Und dadurch gehört das für mich fast wie zum Alltag, das fühlt sich total nach zu Hause an. Das war nicht so eine große Umstellung.

Ist es gerade angenehm, nicht wie am Theater jeden Abend die Figur neu erfinden zu müssen oder vermissen Sie das?

Das vermisse ich auf jeden Fall. Nach zwei Jahren kann ich wirklich sagen, dass die Sehnsucht zurück ist. Aber derzeit ist das Zeitfenster noch nicht da, um diese Sehnsucht zu erfüllen, weil es so viele Angebote gibt und weil ich auch auf dieser Welle reiten will, auf der ich jetzt bin. Aber ich weiß, wenn ich dazu innerlich bereiter bin, wird sich dieses Zeitfenster wieder öffnen. Das ist in meinem Leben immer so gewesen.

>>Der erste Teil von „Unterleuten“ läuft am Montag, 9. März um 20.15 Uhr im ZDF, der zweite am Mittwoch, 11. März und der dritte am Donnerstag, 12. März, jeweils um 20.15 Uhr. Alle drei Teile sind bereits in der ZDF-Mediathek abrufbar. 

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