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Zu guter Letzt. Moritz von Treuenfels auf der Seebühne des Hans Otto Theaters. Dort ist heute Premiere von „The Queen’s Men“.

© Manfred Thomas

Interview mit Moritz von Treuenfels: Eine letzte Premiere und der Abschied von Potsdam

Schauspieler Moritz von Treuenfels über seine Traumrolle als Rio Reiser, die Romeo-Liebe in der Sommerbühnen-Premiere „The Queen’s Men“ und den Abschied vom Potsdamer Hans Otto Theater.

Herr von Treuenfels, Sie werden als der Rio Reiser von Potsdam gefeiert. Besucher aus allen Generationen reißen sich um die Karten. Am Montag und Dienstag geben Sie nun Ihre letzten Vorstellungen als König von Deutschland. Vorher feiern Sie am 1. Juni noch Premiere im Sommerstück „The Queen’s Men“. Wie groß ist die Kiste Ihrer Fanpost?
Das ist alles relativ harmlos. Ein bisschen Facebook, ein bisschen Instagram. Aber es kommen auch Leute zu mir, um sich direkt zu verabschieden: von Gesicht zu Gesicht. Das ist viel schöner. Manche begegnet man in der Kantine nach der Vorstellung, andere auch in der Tram.

Ist das nicht anstrengend?
Nein, ich finde das total schön. Es sind ja Leute, denen meine Sachen eher gefallen haben. Die mich doof finden, halten sich bedeckt. Besonders freut mich auch der Austausch im Theater, mit all den Gewerken.

Ende der Spielzeit verlassen Sie das Hans Otto Theater. Wie schmerzlich ist dieser Abschied, der Sie nach einem Jahr in Basel nach München weiterführt: ans Residenztheater, eines der bedeutendsten Sprechtheater Deutschlands. Ein Ritterschlag.
Ich finde Veränderungen in unserem künstlerischen Beruf sehr wichtig und es ist jetzt auch total spannend, weiterzuziehen. Es ist gut, im Besten zu gehen, wenn man so voll ist von schönen Erfahrungen und tollen Begegnungen. Aber klar: Abschied tut weh.

Sie brachten Ihren Rio 40 Mal auf die Bühne und gaben dem Theater einen Hype, wie er selten zu finden ist.
Ich habe eine Riesenchance bekommen und fand es toll, dass das Hans Otto Theater für mich zum Sprungbrett wurde. Der Abschied fällt auch leichter, weil ich weiß, dass in Basel wieder eine Hauptrolle auf mich wartet: Ich spiele und singe dort den großen Märchenerzähler Hans Christian Andersen in einer Uraufführung von Philipp Stölzl.

Nach Ihrem wirklich sensationellen Erfolg als Rio, der ja von weiteren großartigen Rollen und Kritiken flankiert wurde: Wie bleiben Sie da geerdet?
Vor jedem Höhenflug steht meine große Familie. Wir sind fünf Geschwister, da wird man automatisch geerdet. Es besteht keine Gefahr, dass ich abhebe. Man fängt auch mit jeder Produktion immer wieder bei null an, unter anderem weil sich die künstlerischen Konstellationen ändern. Ein Höhenflug ist unwahrscheinlicher als ein Downer, da ich immer wieder an mir selber zweifle. Es ist Abend für Abend eine große Aufgabe, vor das Publikum zu treten, und ich muss mich jeden Mal sehr sammeln.

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Wie finden Sie Ihre Konzentration?
Ich mache sehr viel Musik für mich, fahre immer zwischen den Proben und den Abendvorstellungen nach Hause nach Charlottenburg. Früher habe ich intensiv Cello gespielt, nahm auch an Wettbewerben wie „Jugend musiziert“ teil. Das wurde mir dann zu verschult, zu fleißgebunden. Auch das Theater sehe ich als etwas Leidenschaftliches, wenn es zu akademisch und brav wird, habe ich ein Problem. Jetzt spiele ich frei Klavier und Gitarre, auch immer wieder Rio und Klassik. Vor den Rio-Aufführungen machen wir einen sehr langen Soundcheck, gehen fast jedes Lied durch. Ich bin ein Riesenfreund von starker Konzentration und nerve damit auch andere. Meist bin ich schon zwei Stunden vor der Vorstellung im Haus.

Sie sind in Holstein aufgewachsen, spielten bereits in München an den Kammerspielen. Gibt es Unterschiede zwischen dem bayrischen Publikum und dem preußischen?
Das macht einen Riesenunterschied. Als ich von Eutin, wo wir ganz einsam „Am Felde“ wohnten, nach München kam, war mir alles viel zu schön. Ich kam von der Waldorfschule mit vielen Linken und Punks und dann diese bayrische Mentalität: Mia san mia. Das war schon befremdlich. Danach war ich in Düsseldorf, wo man am Kiosk nach seinem Namen gefragt wird und alle miteinander reden. Das gefiel mir viel besser.

Und Potsdam?
Ist mir auch zu schön. Ich fragte mich anfangs, wie man mit dem Theater, das ja die Missstände aufzeigen soll, dieser altpreußischen Zauberkulisse begegnen kann. Aber hinter der Kulisse gibt es durchaus Probleme. Und dann fand ich, dass die Potsdamer und Brandenburger sehr verhalten sind. Aber wenn sie sich öffnen, sind sie ganz da: ehrlich und direkt. Das mag ich. Gerade von den Ur-Potsdamern hörte ich viele Geschichten, vor allem nach den Rio-Vorstellungen. Rio Reiser hatte viele Bewunderer im Osten, die ihn heimlich hörten. Ihre Erinnerungen haben mir gespiegelt, wie die Verhältnisse hier im Osten waren.

Ist der Rio Ihre Lieblingsrolle gewesen?
Ja, sie war das Schönste, was einem passieren kann. So etwas gibt es kein zweites Mal, meistens gibt es so etwas nicht mal einmal. Und der Erfolg kam total überraschend. Noch auf der Generalprobe war ich unsicher, ob der Abend funktioniert. Man muss sich immer wieder neu reinschmeißen. Das ist auch total anstrengend.

Und dennoch geben Sie Zugaben.
Beim letzten Song, dem Juni-Mond, schleppe ich mich fast auf die Bühne, so erschöpft bin ich. Aber wenn diese Energie aus dem Publikum kommt, belebt mich das dermaßen, dass ich weitersingen möchte. Erst wenn ich in der S7 sitze, fahre ich langsam runter. Ich weiß aber auch: So wäre es nicht ewig weitergegangen. Es ist in Ordnung, es abzugeben. Es ist auch schön, dass die Zuschauer durch Rio in andere Vorstellungen kamen und das Theater dadurch eine andere Aufmerksamkeit erhielt.

Es ist vorbei. Moritz von Treuenfels spielt zum letzten Mal Rio Reiser.
Es ist vorbei. Moritz von Treuenfels spielt zum letzten Mal Rio Reiser.

© HL Boehme

Welche Arbeit war Ihnen noch besonders wichtig?
Vor allem die Dostojewski-Adaption „Verbrechen und Strafe“ von Alexander Nerlich, in der ich eine zwiespältige Doppelrolle spielte. Aber auch der „Prinz von Homburg“, „Dogville“ oder „Nathan der Weise“ waren spannende Herausforderungen. Ich möchte mich dafür aus tiefstem Herzen bei dem ehemaligen Intendanten Tobias Wellemeyer bedanken.

War die Umstellung auf die neue Intendantin groß?
Ich war sehr neugierig auf Bettina Jahnke. Sie ist eine tolle Frau und kann sehr gut mit Menschen umgehen. Sie bringt neuen frischen Wind rein. Es dauert natürlich, bis man sich künstlerisch verorten kann. Ich finde, ästhetisch darf es noch etwas frecher werden.

Gab es für Sie auch Enttäuschungen?
Ich hatte in diesem letzten Jahr kleine schöne Rollen, wie bei Storms „Schimmelreiter“ oder in „Viel gut essen“ von Sibylle Berg. Die „Othello“-Übernahme aus Neuss entsprach mir indes nicht so. Aber das gehört auch dazu und kann immer wieder passieren.

Jetzt werfen Sie sich ins Sommertheater. Was dürfen die Zuschauer auf der Seebühne erwarten?
Ein feucht-fröhliches Spektakel. Hoffentlich nicht zu feucht. Das Stück ist in Düsseldorf entstanden: mit dem bekannten Schauspieler und Autor Peter Jordan und aus dem Schauspielerteam heraus, also aus meinem ehemaligen Ensemble. Meine Rolle spielte dort Moritz Führmann, den man ja hier in Potsdam sicher auch noch bestens kennt. Das ganze Stück handelt in Shakespeares Zeiten. Ich bin der Leiter einer Schauspieltruppe, die all diese Schinken entwickelt.

Tritt Shakespeare auch auf?
Das verrate ich nicht. Aber die englische Queen schleicht sich höchst persönlich in die Truppe. Ja und mit Elisabeth und mir entwickelt sich eine Romeo-und-Julia-Geschichte. Ich darf also nochmal den Romeo spielen.

Und dürfen Sie auch singen?
Es gibt ein tolles Sonett: original Shakespeare – Englisch. Man versteht da kein Wort. Das Stück pendelt zwischen einem lebendigen rotzigen Ton und der Wahrhaftigkeit der Shakespeare-Stücke. Es wird kein billiger Klamauk.

Möchten Sie Ihrem hiesigen Publikum noch etwas nachrufen?
Ich möchte mich bedanken, dass ich im Theater und außerhalb des Hauses, eine so schöne Zeit hatte. Aber ich hoffe auch sehr, dass sich das Ergebnis der Europawahl nicht noch weiter Richtung AfD entwickelt. Das hat mich sehr erschrocken. Um es mit Rios Worten zu sagen: „Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht wir?“ Das Politische kann man nie weglassen, wenn man Theater macht. Wir müssen Aufstehen für eine offene und freie Gesellschaft, für einen gesunden Planeten.

So wie sich einst Rio Reiser für eine freie Gesellschaft stark machte. Ich wünsche Ihnen toi, toi, toi für die Premiere und für Ihren letzten Rio-Abend. Wir Potsdamer werden Sie vermissen.
Die Abschiedsvorstellung wird ganz traurig werden und richtig wehtun. Aus allen Gewerken kommen Kollegen in die Vorstellung. Am nächsten Tag fahre ich mit der Band zusammen noch einmal Floß.

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