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Susanne Stürmer, Praesidentin der Filmuniversität Babelsberg. 

© Ottmar Winter/PNN

Interview mit Filmuni-Präsidentin Susanne Stürmer: „Am 1. September geht es uns um was“

Heute zeigen Filmuniversität und Filmmuseum den ganzen Tag über ein gemeinsames Filmprogramm zu 70 Jahren Grundgesetz. Susanne Stürmer, Präsidentin der Filmuniversität Babelsberg, über die Landtagswahl und die Wirkung von Film.

Von Helena Davenport

Frau Stürmer, Demokratie und Weltoffenheit stehen bei Ihrer Veranstaltung heute im Zentrum. Welche Verantwortung hat Film auf diesen Gebieten?
 

Ich sehe eine Verantwortung. Nehmen Sie uns als Veranstalter – die Filmuniversität Babelsberg und das Filmmuseum Potsdam. Wir bilden die zukünftigen Filmemacher aus. Und das Filmmuseum setzt sich mit der Geschichte von Film auseinander. Beides hat eine politische Dimension. Insbesondere hier, am Standort Babelsberg, wo die Filmgeschichte und -industrie auch sehr eng mit der deutschen Geschichte verbunden ist.

Und nun stehen wir vor der Landtagswahl in Brandenburg.

Bei dieser Wahl geht es um viel. Im Leitbild der Filmuni steht der Satz: „Die Filmuniversität Babelsberg ist ein lebendiger Ort der freien Forschung, Lehre und Kunst.“ Und jetzt befinden wir uns an einem Zeitpunkt, an dem wir feststellen, dass diese Freiheiten gar nicht so selbstverständlich sind. Wir wollen klarstellen, wie wertvoll sie sind, und dass wir uns ganz aktiv den Werten des Grundgesetzes verpflichtet fühlen. Ich will es nicht überfrachten, Film ist auch ein unterhaltendes Medium, aber viele Filmschaffende empfinden diese Verantwortung.

Schöpft die Filmbranche ihre Möglichkeiten auch aus?

Gucken Sie sich unser Programm an. Wir hatten nach Filmen geschaut, die sich mit den Freiheiten des Grundgesetzes auseinandersetzen. „Styx“ von Wolfgang Fischer zum Beispiel, der ja auch mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde, dreht sich im weitesten Sinne um die Frage von Menschenwürde und das Grundrecht auf Asyl. Dann wird „Vor der Morgenröte“ gezeigt, ein Film von Maria Schrader, der sich mit dem Gang von Stefan Zweig ins Exil auseinandersetzt und die Freiheit der Kunst thematisiert. „RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“ handelt von Ruth Bader Ginsburg, die als Frau am Obersten Gerichtshof der USA für die Gleichberechtigung kämpft. Dann haben wir eine Art Vorpremiere dabei: „Die Unerhörten“. Das ist eine RBB-Produktion, die sich die Zeit vor der Brandenburg-Wahl vornimmt. Hier wurden fünf Kandidaten in der Westprignitz begleitet bei ihrem Wahlkampf. Das sind alles hochpolitische Filme, die auch künstlerisch großartig sind und zugleich publikumswirksam waren.

Der Schriftsteller Stefan Zweig flieht 1934 vor den Nazis. „Vor der Morgenröte“ von Regisseurin Maria Schrader widmet sich seinem Weg.
Der Schriftsteller Stefan Zweig flieht 1934 vor den Nazis. „Vor der Morgenröte“ von Regisseurin Maria Schrader widmet sich seinem Weg.

© Filmstill: X-Verleih

Und was kann Film bewirken?

Es ist ja tatsächlich so, dass Filme Diskussionen auslösen, auch Verhalten verändert haben. Etwa zum Thema Klimawandel wurde viel über Filme wie „The Day After Tomorrow“ von Roland Emmerich, „An Inconvenient Truth“ von Davis Guggenheim oder den chinesische Film „Under the Dome“ diskutiert. Der Einfluss von Filmen auf das Verhalten wurde auch wissenschaftlich untersucht.

Wird denn die Seite derjenigen, die unzufrieden sind, jener die die AfD wählen, auch häufig genug beleuchtet?

Um Ihre Frage etwas allgemeiner zu beantworten: Viele der Produktionen unserer Studierenden – ich denke an „Nach Wriezen“, „Die Kriegerin“, „Der Proband“ – setzen sich intensiv und sorgfältig mit dem Leben an den sogenannten Rändern der Gesellschaft auseinander, schauen sehr genau hin und schaffen differenzierte Bilder. Das sind Themen, die auch die jungen Filmemacher umtreiben.

Und wie verhält es sich bei Talkshows?

Das ist noch einmal eine andere Ebene. Es gab ja eine breite Diskussion, ob Talkshows den Parteien vielleicht teilweise sogar eine zu große Bühne bieten. Selbstverständlich muss man das Gespräch suchen, aber teilweise bleiben die Talkshowrunden sehr oberflächlich und es dreht sich nur um die Themen, die gerade in aller Munde sind. Dann hat man da eine Runde von vier bis fünf Leuten und das Thema erschöpft sich im Austausch von Positionen, die sich teilweise weit von Fakten entfernen.

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Können Sie das näher erklären?

Am Wochenende war etwas Erschreckendes zu lesen: Nach Information des Allensbach-Instituts halten inzwischen rund 40 Prozent der Bevölkerung Fakten für Ansichtssache. Das ist tatsächlich alarmierend. Fakten sind keine Ansichtssache. Gerade weil in der Politik und auch in den Medien zunehmend eine sehr schrille Argumentation geführt wird, geht es um faktenbasierte Analyse. Und die wird manchmal nicht geleistet.

Was müsste man verbessern?

Das Auseinanderdriften der Gesellschaft, über das viel gesprochen wird, nehme ich zum Teil auch in der Kunst und Kultur wahr, man hat manchmal den Eindruck, dass wir uns in einer privilegierten Blase befinden, mit Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs, mit materiell sicherer Ausstattung. Vielleicht verliert man darüber auch den Blick und das Verständnis für Andere.

Um Offenheit soll es heute gehen. Gibt es eigentlich noch Tabuthemen im deutschen Film und Fernsehen?

Tabuthemen ist nicht der Punkt. Interessant finde ich eher die Diskussion darüber, ob das Fernsehen oder allgemeiner der Film Gesellschaft differenziert genug darstellt, zum Beispiel anhand von Geschlechterstereotypen. Wir führen als Hochschule intensiv diese Diskussion, auch zusammen mit der Branche, das heißt mit den Sendern, Produktionsfirmen, Autorinnen und Autoren. Unser Programm „Beyond Stereotypes“ ist sehr fruchtbar, und es wird mit große Offenheit und auch selbstkritisch analysiert. Aber es gibt auch Negativbeispiele. Etwa mein letzter Kinobesuch in „Und wer nimmt den Hund?“ – der Film ist amüsant, mit tollen Schauspielern. Jedoch strotzt der Film vor, mit Verlaub gesagt, platten Geschlechterbildern.

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Würde es Sinn ergeben, das Fernsehen stärker dahingehend zu reglementieren?

Es gibt ja Quoten, zum Beispiel für europäische Werke, aber inhaltliche Quoten finde ich absolut schwierig. Man kann Anreize setzen, sich mit dem jeweiligen Thema auseinanderzusetzen, etwa durch Förderanreize – das wird ja auch schon gemacht. Aber einen direkten Eingriff in die Programminhalte lehne ich ab.

Was möchten Sie mit der Veranstaltung am heutigen Donnerstag erreichen?

Wir wollen ein Zeichen für eine offene Gesellschaft, für einen offenen und fairen Umgang miteinander setzen. Und wir möchten natürlich noch einmal daran erinnern, wie wichtig es ist, zur Wahl zu gehen, sich kritisch mit den Wahlprogrammen der einzelnen Parteien auseinanderzusetzen. Dies ist absolut keine parteipolitische Veranstaltung, aber wir möchten sagen: Am ersten September geht es uns um was. Eine Reihe von Potsdamer Persönlichkeiten werden am Nachmittag kommen, der Bürgermeister Mike Schubert, die Präsidentinnen und Präsidenten vieler Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Kirsten Niehuus vom Medienboard, der Intendant des Filmorchester Babelsberg, Klaus-Peter Bayer, Frau Westheider von Museum Barberini, um nur einige Namen zu nennen.

Auf welchen Film freuen Sie sich besonders?

Ich freue mich besonders auf „Styx“ und auf „Die Unerhörten“, beides Filme, die ich noch nicht gesehen habe.

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