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Alpheus, ein Weißclown (l.), und Bellulus, ungeschickter August, wollen einen eigenen Zirkus aufbauen.

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Interview mit einem Clown: „Ich finde es wichtig, dass man auch mit Schwächen glänzen kann“

Das Duo Alpheus Bellulus bittet am Wochenende zu den letzten Vorstellungen des Potsdamer Winterzirkus. Davor verrät Philipp Vöhringer, alias Alpheus, etwas über das Clownsein.

Von Helena Davenport

Herr Vöhringer, wie schafft man es, ganz ohne Worte Emotionen hervorzulocken?

Wir teilen unsere eigenen Emotionen mit dem Publikum – das ist das A und O der Clowns. Letztendlich ist es Situationskomik, die wir ausschließlich körperlich zeigen. Wir hatten in unserem Stück anfangs sogar Sprache. Dann haben wir aber festgestellt, dass wir sie gar nicht brauchen.

Wieso nicht?

In dem Moment, in dem die Figuren zu sprechen anfingen, ging etwas von der Poesie verloren.

Wie wird man denn eigentlich Clown?

Ich habe eine Zirkusausbildung gemacht, zwischen 11 und 17 Jahren war ich auch Mitglied bei einem Jugendzirkus in Berlin: Beim Juxirkus in Schöneberg. Zwischendurch habe ich andere Sachen gemacht, auch angefangen zu studieren. Dann wollte ich es noch einmal wissen und bin nach Frankreich gegangen, um dort wieder eine Zirkusausbildung zu machen, ich war Diabolospieler. Dort habe ich gemerkt: Eigentlich ist der Schauspielpart mehr meine Sache. In Paris habe ich dann die Clownsschule Le Samovar besucht. Hier hat mir gut gefallen, dass man dort lernt, eng mit dem Publikum zusammenzuarbeiten. Auf der Bühne gibt es keine vierte Wand. Und ich finde die Grundidee der Clownerie super.

Was ist die Grundidee?

Dass die Zuschauer die Emotionen, die man mit ihnen teilt, direkt erleben. Das Berührende bei einem Clown ist ja, dass er immer selbst derjenige ist, der in Schwierigkeiten steckt. Und das tun wir ja eigentlich alle im Leben. Dieses Feld reicht auch viel weiter als das des Zirkus. Ich dachte eine Zeit lang, dass ich immer weiter Zirkus machen kann, immer weiter Diabolo spielen. Beim Clown hat man aber eine viel größere Bandbreite. Er ist selbst der Witz und macht nicht Witze über andere. Er ist selbst der Blöde. Wobei es ja auch etwas Poetisches hat: Nämlich unter anderem dann, wenn er trotzdem weitermacht und versucht, mit den Fehlern klarzukommen.

Sie sind bei dem Stück „Le CollectiHiHiHif“, das am Freitag und Samstag in Potsdam zu sehen ist, der Weißclown, ihre Partnerin der August. Wie kam es zu der Rollenverteilung?

Das passiert mehr oder weniger von allein. Wenn man zwei Leute auf die Bühne stellt und improvisieren lässt, sieht man eigentlich ziemlich schnell, wer von den beiden der Chef ist. Interessant ist es dann, wenn sich die Rollen umkehren: Wenn der Weiße plötzlich der Dumme ist und der andere der Intelligentere.

Worum geht es genau in dem Stück?

Ganz zu Anfang sieht der Zuschauer Videoprojektionen, die auf Gase projiziert werden. Dann wird ein Spielzeugzug sichtbar, der die ganze Bühne übernimmt. Die Geschichte ist leicht zu verstehen: Es steigen zwei Schatten in den Zug ein. Später sieht man uns im Inneren des Wagons sitzen und da passieren dann lauter Kleinigkeiten. Es geht meinetwegen die Lampe aus. Irgendwann kommen wir an und befinden uns in einer Schneelandschaft. Dort sind die Clowns auf der Suche nach einem Ort für ihren eigenen Zirkus und den finden sie dann auch. Schließlich gibt es eine Show in der Show. Wir spielen das Stück auch oft für Kinder – auch sie können es leicht verstehen.

Und wie kommen Sie auf die Ideen zu Ihren Stücken?

Dieses Stück ist eigentlich das einzige unserer Stücke, in dem wir auch mit traditionellen Kostümen arbeiten – ich sehe da tatsächlich wie ein Weißclown aus und der dumme August hat zu große Schuhe an. Bei anderen Stücken ist es anders, wir tragen auch nur selten rote Nasen. Das war also ein Grundgedanke: Wir wollten etwas mit dieser Kostümierung machen. Wir wollten auch sehr visuell arbeiten. Letztendlich kam noch dieser Zug dazu. Es passierte alles peu à peu. Der Zug stammt ürbrigens aus meiner Kindheit – ich habe jedes Jahr von meinem Vater ein Stück hinzu bekommen. Wir wollten außerdem ein beleuchtetes Kostüm auf der Bühne haben und haben deswegen jemanden gefragt, der uns dann auf ganz viele weitere Dinge gebracht hat. Nun steht ein großer Computer mit auf der Bühne.

Philipp Vöhringer
Philipp Vöhringer

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Kann das Publikum diesen sehen?

Es bemerkt hn vielleicht, kann aber nicht sehen, wie er funktioniert. Wahrscheinlich denkt man, dass alles choreografiert ist, und sieht nicht, dass uns ein Grafiktablett verfolgt, um die Effekte auszulösen, zum Beispiel bei einer Schneeballschlacht. Alles passiert live. Die Nummer, die dann am Ende unseres Stückes steht, ist letztendlich eine Nummer, die ich schon im Circus Roncalli gesehen habe. Es wird der Walzer „An der schönen blauen Donau“ gespielt und das Publikum macht mit. Das ist ja üblich bei Clowns: Man sieht eine Nummer und macht sie selbst noch einmal. Und diese kleinen Unfälle, die den beiden Reisenden passieren, entwickeln sich auch häufig bei der Improvisation.

Auch bei anderen Stücken von Ihnen gibt es einen Plan, der schief geht.

Das Interessanteste sind der Weg und die Hindernisse. Wer sind wir eigentlich und warum stören wir uns gegenseitig? Warum machen wir uns das Leben manchmal so schwer, wenn wir es uns in anderen Momenten so leicht machen? Das alles hängt auch sehr von der jeweiligen Person ab. Der Clown ist sehr an den Menschen gebunden – anders als bei einer klassischen Theaterrolle, in die man sich erst hineinfühlen muss. Man guckt sich Körperhaltungen an und die Ausstrahlung, die Leute dabei haben. In der Ausbildung sollten wir uns zum Beispiel in den Park setzen und Jogger angucken, um am nächsten Tag einen Jogger nachzumachen. An der Clownschule galt übrigens: Je älter desto besser – weil man dann mehr Erfahrungen gemacht hat.

Warum werden Clowns gebraucht?

Das Schöne bei Clowns ist ja, dass sie ihre Schwächen zur eigenen Stärke machen, in dem Scheitern erfolgreich sind. Das finde ich persönlich sehr schön. Ich finde es wichtig, dass man nicht immer nur der Stärkste sein muss, sondern auch mit Schwäche glänzen kann. Das ist eine sehr schöne Arbeit!

Die Klischeefrage: Ist es schwierig, alle zum Lachen zu bringen, wenn man selbst einen schlechten Tag hat?

Ich hab mittlerweile festgestellt, dass die Show im Endeffekt sogar noch besser ist, wenn ich keinen besonders guten Tag habe. Sobald man auf der Bühne ist, befindet man sich in einer Parallelwelt. Vielleicht ist es so, dass man sich noch stärker auf diese einlässt, wenn es einem nicht so gut geht, sodass man noch frischer ist. Wenn es mir schlecht geht, geht es mir auf der Bühne besser.

Kann denn auch etwas schief gehen?

In dieser Show habe ich Angst vor dem Versagen der Technik – weil da eben dieser Computer steht, der mehrere Programme gleichzeitig macht. Ansonsten haben wir das Glück, dass Fehler – wie schon gesagt – immer ein Geschenk für uns sind. Das Publikum findet es meistens besonders gut, wenn es merkt, dass gerade wirklich etwas kaputt gegangen ist, und man damit spielt, die Fehler also nicht unter den Teppich zu kehren versucht. Eigentlich kann uns da also nicht so richtig viel passieren. Es sei denn, niemand lacht. Einen Text, den wir vergessen können, haben wir ja nicht.

Winterzirkus: Le CollectiHiHiHif, Freitag und Samstag im T-Werk, je 20 Uh, am 21. und 22. Februar außerdem im Berliner Pfefferberg-Theater

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