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Paola Malavassi, Gründungsdirektorin des Museum "Das Minsk".

© Ladislav Zajac/Das Minsk

Interview mit der Direktorin des "Minsk": „Wir wollen auf Spurensuche gehen“

Wie Direktorin Paola Malavassi "Das Minsk" in Potsdam verankern will – und warum das Haus am Brauhausberg „wow“ ist.

Frau Malavassi, Ihren ersten Eindruck des Minsk haben Sie mit einem Wort beschrieben: Wow. Warum ist es „wow“?
Weil Gebäude und Anlage sehr offen sind. Das ist wunderbar. Grüne Flächen, Terrassen. Es gibt keine Trennung zwischen drinnen und draußen. Es gibt viele Fenster. Café, Foyer und Ausstellungshalle werden voneinander nur durch eine Scheibe getrennt. Das Café soll öffentlich zugänglich sein. Etwas Besseres kann es gar nicht geben, als dass jemand eigentlich nur Kaffee trinken wollte, dann aber doch in die Ausstellung geht.

Um den Wert von DDR-Architektur wird in Potsdam leidenschaftlich gestritten. Will das Minsk da künftig Positionen befeuern oder versöhnen?
Für das Minsk wird es wichtig sein, auf diese Architekturen aufmerksam zu machen. Wir planen zum Beispiel Führungen, um die DDR-Architektur in Potsdam ins Bewusstsein zu bringen, ausgehend vom Minsk. So wie es auch Touren des Museum Barberini zu Italien in Potsdam gibt. Wir wollen auf Spurensuche gehen – und ich glaube, das ist auch eine Form der Positionierung. Den Blick für diese Architektur zu schärfen, die ja auch Hasso Plattner so schätzt.

Installation auf dem Bau von Künstler Dan Perjovschi.
Installation auf dem Bau von Künstler Dan Perjovschi.

© Ladislav Zajac

Im Rohbau sind Zeichnungen des Künstlers Dan Perjovschi zu sehen. Einer, der gern ein wenig stichelt. Will das Minsk auch so sein: ein bisschen provokant?
Uns ist es wichtig, viele verschiedene Stimmen zu zeigen. Provokation um der Provokation Willen ist nicht unser Ziel. Die Kunst soll sprechen, und die ist manchmal provokant. Provokation passiert aber nicht in der Kunst, sondern bei den Rezipienten. Das ist der spannende Moment. Sich zu fragen: Wie ist meine Haltung dazu? Es geht weniger um Antworten, sondern um Fragen, Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit.

Perjovschi zeigt zum Beispiel eine Wippe: auf der einen Seite steht „Monet“, auf der anderen „DDR“. Monet wiegt schwerer.
Die Ambivalenz der Zeichnung liegt darin, dass sie fragt: Was heißt denn „Gewicht haben“? Und wer entscheidet, was Gewicht hat? Der Kunstbetrieb? Das Publikum? Der Kunstmarkt? Und was ist denn wünschenswerter? Unten oder oben zu stehen? Das kann man drehen und wenden, wie man möchte.

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Sie eröffnen im Frühjahr 2022 mit Wolfgang Mattheuer und Stan Douglas. Ein Thema wird ein heißes Eisen sein: Schrebergärten – in Potsdam politisch brisant.
Das ist mir bewusst, ja. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich diesen Themen auch mit Mitteln der Kunst zu widmen. Ich kann mir vorstellen, dass es hitzige Diskussionen darüber geben wird. Wir gehen der Frage nach, wie es an den Orten aussieht, wo Stan Douglas in den 1990er-Jahren Schrebergärten fotografiert hat.

Was verbindet den Kanadier Douglas mit dem DDR-Künstler Mattheuer?
Wie sind ja noch früh in der Planung, die Ausstellung beginnt erst in einem Jahr. Was uns sehr interessiert, ist das Thema Landschaft – auch ein wichtiges Thema der Sammlung. Auf der einen Seite die Weite der Landschaft, auf der anderen die eingezäunte Natur. Beides prägt das Stadtbild. In Potsdam kommt noch hinzu, dass es so viele andere Gärten gibt, wie zum Beispiel die Schlossgärten.

Auf die Schau soll im Sommer Olaf Nicolai mit eigenen Arbeiten reagieren. Inwiefern ist diese Konstellation programmatisch?
Wir wollen die Sammlung anhand einzelner Schwerpunkte nach und nach zeigen, immer verbunden mit einem Thema, das wiederum aufs Heute verweist. Das ist die Formel, die man an der Dreier-Konstellation Mattheuer-Douglas-Nicolai schon erkennt. Diese Art der Gegenüberstellung wird charakteristisch sein.

Aber nicht ausschließlich?
Die Retrospektive von Ruth Wolf-Rehfeldt im Herbst 2022 ist wieder etwas ganz anderes. Oder auch die Ausstellung zu der legendären Konzerttour von Louis Armstrong durch die DDR, geplant für Frühjahr 2023. Das Wunderbare an der Architektur des Minsk: Man kann ganz unterschiedliche Ausstellungsformen zeigen. Es gibt keine vordefinierten Räume. Wir haben ein sehr offenes Spielfeld, das wir mit mobilen Wänden jedes Mal neu erfinden können.

Was für eine Nähe haben Sie persönlich zu Kunst aus der DDR?
Während des Studiums in Heidelberg bei Professor Dietrich Schubert, der aus Gera kommt, habe ich mich stark mit Otto Dix, Max Beckmann, Elfriede Lohse-Wächtler beschäftigt – hauptsächlich figurative Malerei und Skulptur. Mehr über das Leben in der DDR erfahren habe ich dann in meiner Zusammenarbeit mit dem Künstler Georg Herold. Was mich heute interessiert, ist die Verbindung zwischen zeitgenössischer Kunst und Kunst aus der DDR. Das war auch vonseiten der Hasso Plattner Stiftung von Anfang an der Plan für das Minsk.

In Köln haben Sie 2010 A.R. Penck gezeigt. Jetzt Mattheuer. Wer ist Ihnen näher?
Von Penck haben wir damals die knallbunten Filzskulpturen gezeigt. Nächstes Jahr zeige ich im Minsk die Landschaftsmalerei von Mattheuer. Nicht nur die Künstler, sondern auch die Werke sind so unterschiedlich, da fällt mir eine Antwort schwer. Aber für mich ist klar: Wolfgang Mattheuer war ein fantastischer Maler und in der Sammlung Hasso Plattner gibt es viele Arbeiten. Es ist kein Zufall, dass wir auch mit ihm das Haus eröffnen.


Wie wollen Sie das Minsk in Potsdam verorten? Mit einigen Ausstellungsorten haben Sie schon Kontakt aufgenommen.
Es ist wegen der Pandemie ein sehr langsamer Prozess. Ich habe im August 2020 begonnen, vieles musste digital laufen. Bei Mike Geßner im Kunstraum war ich schon. Mit dem Kunstverein steht der Termin noch aus, auch Jutta Götzmann vom Potsdam Museum kenne ich bisher nur digital. Ich möchte die Stadt natürlich näher kennenlernen, vor allem die Menschen, die die Häuser betreuen – und gemeinsam überlegen, welche Synergien entstehen können. Zum Glück ist bis 2022 noch Zeit.

Gibt es auch den Plan, zeitgenössische Kunst aus Potsdam ins Minsk zu holen?
Ich glaube, es gibt viele Potsdamer Institutionen, die dieses Feld bereits abdecken. Orte wie der Kunstraum. Es ist nicht unsere primäre Aufgabe, denke ich. Unser Auftrag ist es, die Kunst aus der Sammlung Hasso Plattner im Austausch mit internationalen Positionen auszustellen.

„Potsdam ist schön, fast zu schön“, sagen Sie. Will das Minsk dem wieder etwas Raueres, Unfertiges entgegensetzen?
Die Aktion mit Dan Perjovschi war ein toller Moment, um im Rohbau den Prozess zu zeigen und vielleicht auch mit der Idee zu brechen, dass alles schon fertig und perfekt sein muss, um Kunst zu zeigen. Nicht Das Minsk setzt dem etwas entgegen, sondern die Kunst. Die bringt etwas Subversives, Unfertiges, eine Offenheit. Das Gebäude muss dafür die Bedingungen schaffen, mit dem Licht, der Klimaanlage. Und es wird auch schön aussehen – es ist ja ganz neu. Die Patina kommt dann mit der Zeit. Das sieht man ja an sich selber.

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