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Marion Brasch startet eine Gesprächsreihe in Potsdam.

© promo

Interview | Autorin Marion Brasch: Wie tickt ein Mensch?

Die Autorin und Moderatorin Marion Brasch beginnt eine neue Gesprächsreihe am Hans Otto Theater. Was sie mit Potsdam verbindet – und warum Musik, Literatur und Film die perfekten Türenöffner sind.

Marion Brasch, Sie beginnen am 29. Oktober eine neue Gesprächsreihe am Hans Otto Theater. Was hat Sie daran gereizt? 

Das Theater hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, eine solche Gesprächsreihe zu übernehmen. Das hat mich sehr gefreut, zumal ich schon eine Idee dazu im Hinterkopf hatte.  

„Die Dinge des Lebens“ heißt die Reihe. Das erinnert auch an ein Programm im Nikolaisaal Potsdam, an dem Sie beteiligt waren: „Der Soundtrack des Lebens“. Inspiration für Sie, oder nur Zufall?  

Das ist wirklich Zufall. Ich hatte mich mit einem Freund über die Idee unterhalten, ihm erzählt, was im Mittelpunkt des Formats steht: dass die Gäste drei Dinge mitbringen, um darüber ins Gespräch zu kommen. Eine Platte, ein Buch und einen Film. Da sagte der Freund wie aus der Pistole geschossen: Da gibt es doch diesen tollen Film mit Michel Piccoli – „Die Dinge des Lebens“. So kam der Titel zustande. Dem liegt eine Idee zugrunde, die ich mal für das Radio hatte, ein Talk-Format. Ich dachte immer schon, dass man das eigentlich gut vor Publikum auf einer Bühne machen könnte, weil es so ein spielerisches Moment hat.  

Die Annahme dahinter: Man kann über die großen Dinge besser reden, wenn man sich an den kleinen festhält?  

Der Gedanke ist eher: Wie kommt man miteinander ins Gespräch? Musik, Film, Literatur sind ja Türöffner für Gespräche. Durch beiläufige Fragen kommt man dann im besten Fall auf tiefere Dinge. In welcher Situation hat man einen Film gesehen, warum hat einen ein Buch beeindruckt? Warum ist das geblieben, was hat das gemacht? Ich dachte, dass das eine schöne Art ist, Menschen zu öffnen, ohne Chronologien abzuarbeiten. Über kleinere Fragen zu den großen Dingen kommen, ohne küchenpsychologisch zu werden. Wie tickt ein Mensch, warum tickt er so?  

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Die spielerischen Ausgangsfragen sind auch ein Zugeständnis daran, dass man sowieso nie alles von einem Menschen erfahren kann.  

Genau. Ich dachte auch, dass es auch eine Projektionsfläche für ganz eigene Gedanken bieten kann. Dass man auch darüber nachdenkt: Was würde ich antworten? Für welche Platte würde ich mich entscheiden? Dadurch bezieht man auch Menschen ein, die mit dem auf der Bühne eigentlich gar nicht so viel zu tun haben.  

Sie haben bereits preisgegeben, welche drei Dinge Sie selbst auswählen würden. Zunächst: Warum Joni Mitchells „Hejira“?  

Weil Joni Mitchell jemand ist, der mich ganz früh schon begleitet hat – eine Initialzündung für mich selber, auch Musik zu machen. Das war eine unfassbar tolle Musikerin für mich. Auch in ihrer Entwicklung. Sie hat sich immer wieder neu erfunden und die eigenen Grenzen übertreten. Vom Folk hin zum Jazz zum Beispiel, oder zum Pop. Auf der Platte „Hejira“ macht sie einen Ausflug in den Jazz. Ich hatte nie Idole, aber Joni Mitchell habe ich immer sehr bewundert. „Hejira“ ist meine Lieblingsplatte, heute noch.  

Als Film nennen Sie „Donnie Darko“– ein düsterer Film, der sich mit der Möglichkeit von Zeitreisen befasst.  

Das ist einer der Filme, die bedauerlicherweise etwas untergegangen sind. 2001 kam er in die Kinos, kurz vor dem 11. September. Im Film fallen gleich zu Beginn Flugzeugteile in ein Haus. Weil das geschmacklos schien, hat man ihn wieder aus den Kinos genommen. Diesen Film fand ich toll wegen des Zeitreise-Themas, und weil es eine großartige Coming-of-Age-Geschichte ist. Es war auch der erste große Film von Jake Gyllenhal. Eine düstere Geschichte, in der man nie weiß, was da jetzt eigentlich abgeht: In welcher Zeitebene, in welchem Paralleluniversum befinden wir uns gerade? Danach gab es ganze Internetforen darüber, wie die Geschichte aufgelöst werden könnte. Mein Verdacht ist ja, dass es der Regisseur selber nicht weiß und einfach mit diebischer Freude beobachtet, wie andere versuchten, diese Nuss zu knacken. Das finde ich toll, dass Kunst so etwas kann.  

Sie selbst wurden durch die Beschäftigung mit Ihrer Familie für den Roman „Ab jetzt ist Ruhe“ auch zu so etwas wie einer Expertin für Zeitreisen. Sie sagten mal, dass Sie ich mit der Vergangenheit erst intensiver beschäftigten, als Sie niemanden mehr fragen konnten.  

Dass das auch so eine Art Zeitreise war, ist mir gar nicht so bewusst gewesen, aber es hat natürlich etwas damit zu tun. Aber ich finde auch das Märchenhafte an „Donnie Darko“ toll. Das gibt es in meinem autobiografischen Roman nicht, aber in „Wunderlich fährt nach Norden“ spielt das, was man magischer Realismus nennt, eine Rolle. Wenn etwas passiert, das eigentlich so gar nicht passieren kann, weil es den Gesetzen Naturgesetzen, wie wir sie kennen, widerspricht. Dieses Moment ist bei „Donnie Darko“ sehr stark, sowas das fasziniert mich. Und ich mag Märchen, was „Donnie Darko“ auf eine moderne Art auch ist.  

Wie ordnet sich da „Robinson Crusoe“ ein, das Buch, das Sie mitbringen würden?  

Die Wahl fand ich wirklich sehr schwer. Es gibt so viele Bücher, die mir wichtig sind. Ich habe mich dann für „Robinson Crusoe“ entschieden, weil es ein Buch ist, das ich schon als Kind gelesen habe. Ein Buch, das ich von meinen Brüdern quasi geerbt habe. „Robinson Crusoe“ ist meine Kindheit, meine Sehnsucht nach Abenteuern. Ich bin selber keine Abenteuerin, aber ich lese gern Abenteuergeschichten. So kann man auf eine Abenteuerreise gehen ohne sich bewegen zu müssen, das finde ich sehr komfortabel.  

War es auch das Lieblingsbuch Ihrer Brüder – der Künstler Thomas, Peter und Klaus Brasch?  

Das weiß ich gar nicht. Ich habe es einfach von ihnen übernommen. Ich bin überhaupt sehr geprägt von den Geschichten meiner Brüder, Jungsgeschichten. „Huckleberry Finn“ zum Beispiel. Auch mein zweiter Roman „Wunderlich fährt nach Norden“ war in gewisser Weise eine Abenteuergeschichte. Es ist toll, sich in eine Welt pflanzen zu lassen, ohne sie bereisen zu müssen. Ich liebe auch Naturfilme – per Film durch den Dschungel zu reisen. Würde ich in der Realität nie machen.  

Den Auftakt für „Die Dinge des Lebens“ am 29. Oktober macht der Regisseur Dani Levy. Wonach wählen Sie Ihre Gesprächspartner aus?  

Ich habe Dani Levys Arbeit immer sehr bewundert, seine Ideen, seinen Witz. Und ich dachte, dass er mit dem spielerischen Format etwas anfangen kann. Es müssen Menschen sein, die Lust haben, diesen Blindflug mitzumachen. Das Format ist ja auch ein Abenteuer, ein Experiment. Am 10. Dezember wird die Schauspielerin Jutta Wachowiak dabei sein, die in Potsdam lebt. Ich habe sie als Teenager schon im Deutschen Theater gesehen und fand sie immer toll. Ich habe mich sehr gefreut, dass sie für diesen Abend zugesagt hat. Um so mehr, als sie drei Tage später ja ihren 80. Geburtstag feiert.  

Haben Sie selber eigentlich eine Nähe zu Potsdam? 
Ja, die habe ich! Meine Oma wohnte in Potsdam, die Mutter meines Vaters ...  

… des SED-Parteifunktionärs und stellvertretenden Kulturministers Horst Brasch. 
Sie wohnte direkt neben dem Theater, als das noch in der Zimmerstraße war. Meistens hat sie mich in die Oper im Schlosstheater im Neuen Palais mitgeschleppt, aber manchmal sind wir auch ins Kindertheater im Hans Otto Theater gegangen. Wenn ich nach Potsdam komme, denke ich also immer auch an meine tolle Oma.

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