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Programmgestalter Thomas Gerwin setzt vor allem auf Klanglandschaften, die von einer neu gewonnenen Freiheit erzählen.

© Sebastian Gabsch

Intersonanzen in Potsdam: Einheit und Differenz

Das Fest der Neuen Musik „intersonanzen“ wird zu Himmelfahrt eröffnet. Wie immer geht es ganz besondere Klangwelten.

Potsdam - Der Platz der Einheit in Potsdams Stadtmitte ist für sieben Tage ein Ort der „intersonanzen“, des Festes der Neuen Musik. Mitten auf dem Areal wird am Himmelfahrtstag der aus den USA stammende und jetzt in Baitz bei Bad Belzig lebende Künstler Benoit Maubrey eine unübersehbare elektroakustische Skulptur aufstellen. Sie setzt sich aus 300 recycelten Lautsprechern zusammen, die an einen Verstärker angeschlossen sind. Das Publikum ist eingeladen, mit dem Obelisk zu „kommunizieren“: mit der eigenen Stimme oder mit Instrumenten. In der „intersonanzen“-Neuauflage, die vom Kulturministerium und der Stadt Potsdam unterstützt wird, kommt die Vielfalt avanciert klingender Kunst und Neuer Musik zum Tragen.

Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls könnte man meinen, die musikalische Vergangenheit und Gegenwart Ostdeutschlands würde bei diesem Festival vorrangig im Mittelpunkt stehen. Doch Programmgestalter Thomas Gerwin, der zugleich Vorsitzender des Brandenburgischen Vereins Neue Musik ist, hält nichts von diesem eingeengten Blick auf Komponisten und deren Werke. Musik entsteht vor allem in der Auseinandersetzung mit anderen Prägungen, Temperamenten, Erfahrungen und auch Experimenten. So öffnet sich das Fest im Potsdamer Kunsthaus Sans Titre vom 30. Mai bis 5. Juni der regionalen, nationalen und internationalen Musik des 20. Jahrhunderts und vor allem den aktuellen Kompositionen unserer Tage. Die Präsentation taufrischer neuer Musik ist bei „intersonanzen“ seit 19 Jahren gang und gäbe.

Vielfältige Klanglandschaften

„Einheit und Differenz“ nennen Thomas Gerwin und seine Mitstreiter im Vorbereitungs-Team das siebentägige Fest. „Einheit entsteht nicht dadurch, dass man alles über einen Kamm schert, sondern die Eigenarten der verschiedenen Protagonisten oder Komponenten respektiert und auch die Bruchstellen entdeckt werden. Differenzen sollte man aushalten, analysieren und achten“, sagt Thomas Gerwin. „intersonanzen“ gilt vor allem den Klanglandschaften, die von einer neu gewonnenen Freiheit erzählen. „Unmittelbar und sprechend sollen sie Interpreten und Publikum in gleicher Weise bewegen. Gemeinsam treiben diese die Suche weiter voran im engen und gleichrangigen Austausch zwischen den musikalischen Vorträgen“, so Thomas Gerwin.

Musik der Avantgarde der ehemaligen DDR, die von den SED-Oberen mit Argwohn betrachtet wurde, ist zu hören, Werke von Friedrich Goldmann, Paul-Heinz Dittrich, dem kürzlich verstorbenen Georg Katzer. Natürlich gibt es Begegnungen mit Kompositionen, die vor 1989 auf der anderen Seite der Mauer, im Westen entstanden sind, Musik von Karlheinz Stockhausen, Salvatore Sciarrino, Luciano Berio und George Crumb. Und selbstverständlich tauchen im Programm Namen gestandener und junger Komponisten auf, die im Land Brandenburg und auch in Berlin heute beheimatet sind: Lothar Voigtländer, Gabriel Iranyi, Stefan Lienenkämper, Gisbert Näther, Helmut Zapf, Volker Freidel, Irina Emiliantseva, Susanne Stelzenbach oder Alex Nowitz.

Ein besonderes Vorhaben

Auch Thomas Gerwin wird seine Klang-Kunst-Arbeiten vorstellen. Renommierte Ensembles wie Auditivvokal, das Uroboros Ensemble London, das Royal String Quartett, das Ensemble Junge Musik sowie Interpreten wie Carin Levine, Ruth Velten und Biliana Voutchkova präsentieren über 30 Uraufführungen kammermusikalischer Werke in 22 Veranstaltungen im Kunsthaus Sans Titre. Auch in diesem Jahr gibt es „Brückenkonzerte“. In Cottbus, Eberwalde, London und Warschau offeriert das Potsdamer Festival neue Kompositionen, die in den kommenden Tagen im Kunsthaus zur Aufführung kommen.

Thomas Gerwin freut sich aber auch auf ein besonderes Vorhaben: Ausgewählte Partiturseiten von Werken, die während der Festivaltage erklingen, werden in einer Ausstellung im Sans Titre zu sehen sein. Neben traditionellen Notationen wird es sicherlich auch solche geben, bei denen der Betrachter das Klangergebnis erahnen kann. Außerdem darf er dabei ein ästhetisches grafisches Vergnügen erwarten. In das Fest ist auch ein Symposium unter der Leitung der Musikwissenschaftlerin Ulrike Liedtke eingebunden, in dem es zum Thema „Einheit und Differenz“ einen Diskurs geben wird. Differierende Meinungen sind durchaus erwünscht.

>>Die „intersonanzen“ finden vom 30. Mai bis zum 5. Juni im Kunsthaus Sans Titre, Französische Straße 18, statt. Eröffnung: 30. Mai, 18. 15 Uhr. Ab dem 30. Mai, ab 17.30 Uhr, steht die Obelisk-Klang-Installation auf dem Platz der Einheit. Weiteres unter www.neue-musik-brandenburg.de

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